
Im August 2020 saßen gleich vier Autor:innen im Literarischen Quartett des ZDF, um über andere Autor:innen zu urteilen. Das kann nicht gutgehen! Dörte Hansen, Vea Kaiser, Christian Berkel und Thea Dorn bewiesen das Gegenteil. Das Ergebnis kann man sich ab sofort nicht nur ansehen, sondern auch verlustfrei anhören.
Hin und wieder lässt man in den Feuilletons Autor:innen über die Bücher anderer Autor:innen urteilen. Es sind meist wohlwollende Texte mit Beißhemmung, denn wer will schon Schlechtes über Kollegen schreiben?
Dass das im Literarischen Quartett auch anders gehen kann, hat seinerzeit Autor Maxim Biller gezeigt.
Diesmal hatte sich Thea Dorn gleich drei Autor:innen ins Quartett eingeladen: Christian Berkel, Dörte Hansen und Vea Kaiser. Berkel und Hansen waren das erste Mal zu Gast. Die Österreicherin Vea Kaiser wird seit ihrem Auftritt bei Thomas Gottschalk gerne vor die Kamera geholt, da sie über die Bücher der Kollegen sowohl positiv als auch negativ mit klaren Worten urteilen kann.

Die Diskussionen dieser Ausgabe müssen nicht lang und breit nacherzählt werden. Nur so viel: Es hat Spaß gemacht, und es war anregend, dem Quartett zuzuhören. Man diskutierte leidenschaftlich und so, dass man Lust bekam, sich die vier Bücher einmal anzusehen. Wobei: »Der letzte Satz« von Robert Seethaler muss ausgenommen werden, da es leider ein misslungenes Buch ist, was auch das Quartett feststellen musste. Die Einführung »Eigentlich bin ich ja ein großer Seethaler-Fan, aber …« scheint bei diesem Buch obligatorisch zu sein.
Vielleicht lag es gerade daran, dass da vier Autor:innen saßen, denn es wurde über Figurenzeichnung und Handlungsaufbau gesprochen und zwischen Autor:in, Erzähler:in und Figur unterschieden. Gelegentliche Uneinigkeit tat gut und bestand immer in der Sache.
Schade, dass die Übersetzerinnen in der Diskussion nicht genannt wurden. Aktuell (28.08.2020) sind sie nicht einmal auf der Website zur Sendung aufgeführt.
Zwar wurden die Namen von Ulrike Thiesmeyer, Marianne Gareis und Sonja Finck kurz eingeblendet, doch künftig reicht dies nicht mehr.
Denn ab sofort gibt es die Sendung zum Nachschauen nicht nur in der ZDF-Mediathek, man kann sie jetzt auch als Podcast an- und nachhören. Da das ZDF keine eigene Audiothek hat, ist die Sendung in Kooperation mit dem Deutschlandfunk in der dortigen Audiothek abrufbar. Erfreulicherweise auch »frei« über einen RSS-Feed, sodass jeder beliebige Podcatcher verwendet werden kann (Am 28.08. war der Feed noch leer. Die erste Folge soll am 31.08.2020 online gehen).
Dass das Literarische Quartett als Podcast in Audioform verfügbar ist, ist ein toller Service, denn selten bietet das Fernsehbild einen Mehrwert. Das ZDF ist mit dieser Kooperation auf der Höhe der Zeit, ganz anders als der SPIEGEL, der mit Volker Weidermann, dem Ex-Gastgeber des Literarischen Quartetts, im Jahre 2020 ein hochtrabend »Literaturshow« genanntes Format startet, das es ausschließlich als Video gibt.
Ins Literarische Quartett mit Dörte Hansen, Vea Kaiser, Christian Berkel und Thea Dorn kann man durchaus mal reinhören.
Wolfgang Tischer
Link ins Web:
- Audio: Das Literarische Quartett vom 28.08.2020 in der Deutschlandfunk Audiothek und als RSS-Feed
- Video: Das Literarische Quartett vom 28.08.2020 in der ZDF-Mediathek
Die in der Sendung vom 28.08.2020 besprochenen Bücher:
- Kate Elizabeth Russell; Ulrike Thiesmeyer (Übersetzung): Meine dunkle Vanessa: Roman - Der New-York-Times-Bestseller. Gebundene Ausgabe. 2020. C.Bertelsmann Verlag. ISBN/EAN: 9783570104279. 20,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Robert Seethaler: Der letzte Satz: Roman. Gebundene Ausgabe. 2020. Hanser Berlin. ISBN/EAN: 9783446267886. 13,37 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Samanta Schweblin; Marianne Gareis (Übersetzung): Hundert Augen: Roman. Gebundene Ausgabe. 2020. Suhrkamp Verlag. ISBN/EAN: 9783518429662. 22,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Annie Ernaux; Sonja Finck (Übersetzung): Die Scham: Nobelpreis für Literatur 2022 (Bibliothek Suhrkamp). Gebundene Ausgabe. 2020. Suhrkamp Verlag. ISBN/EAN: 9783518225172. 20,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
In diesem Kommentar geht es mir lediglich darum deutlich zu machen, wie fürchterlich ich die mittlerweile auch hier benutzte Form des *Schreibens angeht. Es sieht nicht nur schrecklich aus, es liest sich auch so. Zudem ist es schlicht falsches Deutsch. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie wieder zur altbewährten Form des Generischen Maskulinums zurückkehren könnten, das zeitlos und gut lesbar gleichermaßen ist. Die Mutmaßung, dass diese Form „bestimmte Menschengruppen ausschließen“ würde, ist einfach falsch.
Ich finde nicht, dass es schrecklich aussieht. Wer sich darauf einlässt, wird sich ganz schnell daran gewöhnen, versprochen. Bald siehst Du es gar nicht mehr.
PS: Korrktur im ersten Satz: statt „angeht“ sollte es natürlich „finde“.
Ich wollte mich einmal bedanken für die neue Schreibweise, wunderbar das sich etwas bewegt, vielleicht ist es nicht die letzte Änderung bis wir zu einer neuen Sprachform gefunden haben, aber ein großartiges Zeichen in neue Richtungen. Danke!
Wozu eine neue Sprachform? Worin sehen Sie den Sinn? DIe deutsche Sprache ist so reich, es braucht kein von oben künstlich gezüchtetes „Neu-Sprech“.
Ich fühle mich häufig nur in Teilen gemeint und es macht es mir leichter mich zurechtzufinden. Ich weiß dann das auch ich angesprochen bin bei bestimmten Themen. Es macht mir die Auswahl leichter, ich denke dann z. B. :“Ach gut, nicht mein Thema, sind nur Männer angesprochen.“ Das spart mir Irrwege in der Fülle der Informationen.
Das liegt dann aber sicherlich nicht an der Sprache, sondern mehr an Ihrer subjektiven Interpretation. Wenn von „Bürgerpflicht“ oder „Kundenmeinung“ gesprochen wird, sind natürlich ALLE Bürger (sprich: Frauen wie Männer) gemeint, ebenso bei „Kunden“ die männlichen als auch die weiblichen. Wir waren vor 20, 25 Jahren anscheinend schon sehr viel weiter, denn da stand dies gar nicht zur Frage. Nun wird auf einmal ein Fass aufgemacht und Sprache von oben „angeordnet“. Ich halte dies für sehr bedenklich.
Ich empfinde es nicht als „von oben angeordnet“, es bildet nun endlich die Vielfalt ab und es lässt exaktere Formulierungen zu, wenn
z. B. geschlechtsspezifische Themen relevant werden. Was Sie nun als staatliches Korsett wahrnehmen, ist für mich ein „mich einbezogen“ fühlen.
Liebe Lucy,
ich leide mit Ihnen und ich finde dieses Gender-Gaga ebenso unsäglich. Es tut beim Lesen weh, es verhunzt unsere Sprache und all das nur, weil eine fast nicht zu bemessene Minderheit sich am Morgen nicht klar ist, ob sie am Mittag Mann oder Frau sein will. Und nein, ich werde und will mich nicht an „Radfahrende“, „Zufußgehende“, „Studierende“, „Zuhörende“ oder sonstigen Blödsinn gewöhnen!
Guten Abend Uli,
Danke für Ihren Beitrag. Sie haben Recht, dass man hier von einer Anordnung von oben von einer MINDERHEIT, die – nicht einmal gewählt – allen diese Kunst-Sprach-Form aufdrücken will. Ich hoffe sehr, dass es mit Begriffen wie den von Ihnen genannten („Radfahrende“ z.B.) bald wieder genug ist, da diese schlicht nicht das treffen, was sie zu bezeichnen meinen. Insbesondere beim genannten Beispiel ist die Zeit einfach falsch. Schließlich bin ich als Radfahrer nicht 24 Stunden am Tag „radfahrend“……Und wie wäre dann die Einzahl? Radfahrender? Das wäre ja dann auch wieder „nur“ die männliche Form und man müsste dies mit „Radfahrende“ und/oder „Radfahrerin“ ersetzen… Und wozu der Aufwand? Eben…..für nichts.
Korrektur: „Danke für Ihren Beitrag. Sie haben Recht, dass man hier von einer Anordnung von oben von einer MINDERHEIT, die – nicht einmal gewählt – allen diese Kunst-Sprach-Form aufdrücken will, sprechen kann.
Dazu gab es jetzt einen interessanten Artikel:
https://m.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html
Also, ich bin ja als Frau keine MINDERHEIT, so wie sie es jetzt hier darstellen. Ich könnte mein Leben lang mit dem generischen Maskulinum leben und jetzt ist unsere Sprache in Bewegung und ich bin erstaunt, wie vehement gegen geredet wird, spannend!
Was für eine spannende Diskussion sich hier entspinnt.
„Leider“ gehe ich davon aus, dass sich auch hier das Rad nicht wieder zurückdrehen lässt – wie erfreulich! Mehr und mehr Medien haben bereits die geschlechterneutrale Sprache übernommen, meist fällt mir das gar nicht mehr auf, was mich wiederum freut.
Die Redaktion des Duden gibt bereits Ratschläge, welche Form der geschlechtsneutralen Schreibweise am sinnvollsten und am weitesten verbreitet erscheint.
Sprache ist eben kein statisches Konstrukt, sondern ein flexibles Dingen, das nicht schaut, von welcher Strömung neue Impulse eingebracht werden. Ob vermeintlich „von oben vorgegeben“ (diesen Eindruck kann ich nicht nachvollziehen, es wird auch nicht klar, wer dieses „Oben“ sein soll), aus der Jugendsprache fließend, all das sind schlicht als Erweiterungen, was man nur herzlich begrüßen kann. Denn wie so oft wird einem durch eine neue Wendung nichts weggenommen, sondern zusätzliche Möglichkeit gegeben. Dass das nicht jedem und nicht jeder gleich gefällt, ist nicht verwunderlich und schon gar nicht bemerkenswert. Als das Telefon salonfähig wurde, sah man den Untergang der Zivilisation gekommen. Vollzogen hat er sich nicht (wobei auch das vielleicht anders gesehen werden mag). So stört sich das Neue nicht an sich selbst, es stört sich nur, wer sich partout gestört fühlen will. Doch die Räder, sie drehen sich.
Wie es auch anders ausgehen kann, wenn man partout gewohnte Ausdrucksweisen minderheitengerecht abändern will, zeigt eine Geschichte, die ich weiland in der Kreidezeit im Deutschunterricht mal gelesen habe und an die ich jedesmal denken muss, wenn um Gender-Gaga geht:
https://www.deutschunddeutlich.de/contentLD/GD/GT67cTischistTisch.pdf
Aber natürlich: Ich störe mich nur daran, weil ich nichts Besseres zu tun habe, nicht wahr? 😉
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/monika-maron-im-talk-spiegel-talk-spitzentitel-gegen-das-gendern-a-0ad8b0ae-8419-4a0b-b009-bd26a958044d
Inzwischen bin ich soweit, dass ich zusammenzucke, wenn eine Frau davon spricht, sie sei ein Künstler oder Schriftsteller oder Autofahrer. Ich kann dazu nur das Buch : Das Deutsche als Männersprache von der Linguistin Luise Pusch empfehlen – danach könnte sich die Sprach-Wahrnehmung ändern.
https://www.queer.de/detail.php?article_id=36977
So unterschiedlich kann die Wahrnehmung in verschiedenen Ländern sein. Natürlich ist es im englischen einfacher, da es keine geschlechtsspezifischen Artikel gibt, und wir auch die Mehrzahl anders bilden. Die Frage ist dann aber auch: Wie sieht es mit der Wahrnehmung unserer Artikel aus? „Der Baum“ ist ja trotz des Artikels nicht männlich, ebensowenig wie „die Bedienung“ oder „die Hilfskraft“ nur Frauen beinhaltet.
Wird hier vielleicht nur der notwendige Kampf um die Gleichberechtigung der Frau auf eine Ebene verlagert, die im Gesamtkontext vielleicht eine geringere Rolle spielt, als manche das glauben?
Interessanterweise wird auch Frau Pusch in zumindest einer Rezension als „Feminist und Linguist“ bezeichnet.
Ich finde, in der persönlichen Bezeichnung sollte man darauf achten, wie ein Mensch angesprochen werden möchte. Auch in der Ansprache einer Gruppe sollte man beide Formen verwenden, oder wie Variante mit : z.B. – meiner Meinung nach. In der Verallgemeinerung, wenn z.B. sachlich über etwas berichtet wird, z.B. eine Statistik über Autofahrer oder Pflegekräfte, sehe ich es nicht als Notwendigkeit.