Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.
Eine Kolumne von Vito von Eichborn
Für diese Kolumne stellte Meister Tischer mir die Frage: »Hat die Konzentration im Buchhandel Auswirkungen auf die Inhalte? Finden sich nur noch schnelldrehende Titel in den Läden, die oft das Warenwirtschaftssystem diktiert?« Hintergrund der Frage ist die Übernahme von Traditionsbuchhandlungen durch Ketten. So wurde in dieser Woche bekannt, dass Wittwer in Stuttgart künftig zu Thalia gehört.
Dazu passt, dass ich grade bei einigen Literaturagenturen für meinen Kleinverlag angeklopft habe mit dieser Frage: »Mich reizt, wie immer, das Ausgefallene. Vielleicht liegt bei Ihnen manches Projekt, das niemand haben will? Das Sie selbst aber schätzen?«
Die Antwort eines der bedeutendsten Agenten: »Das Einkaufsverhalten der Mainstream-Verlage zwingt uns leider dazu, das Ausgefallene und Arkane selbst auch schon nicht mehr zu berücksichtigen.« Hübsch formuliert und vielsagend: Nicht mal mehr für die Agenten lohnt es sich, Ungewöhnliches auch nur anzubieten. Ein anderer antwortete mir glasklar sinngemäß: Unsere einzigen Kriterien für die Aufnahme von Projekten sind ökonomisch.
Also, klar: Kohle und Mainstream regieren. Dazu passt, dass die aktuelle Bestsellerliste des Halbjahrs 2018 für Belletristik 6 x Holtzbrinck-Verlage nennt, 5 x die von Random House, 3 x Bonnier Media – mit dem Zitat im »Börsenblatt des deutschen Buchhandels«: »Neben den Konzernverlagen mit ihrer Vertriebsstärke bleibt nur wenig Platz – und den besetzen Diogenes, Hanser und Suhrkamp.« Kleinere Verlage: null. Auch im Sachbuch sitzen Random House und Holtzbrinck einsam an der Spitze.
Da kommen wir zu einem der erfolgreichsten Sachbuchautoren, Thilo Sarrazin, dem raffiniertesten Ausbeuter niederer Instinkte seiner Leser. Der Verlag Deutsche Verlagsanstalt (DVA) von Random House hat sein neues Buch gekippt – es handelt vom ach so bösen und gefährlichen Islam. Der Autor klagt auf 800.000 Euro Schadensersatz, obwohl der Finanzbuchverlag der Münchner Verlagsgruppe, die zu Bonnier gehört, das Manuskript ruckzuck übernommen hat. Schön, dass es bei den Bertelsmännern im Fall der DVA offensichtlich noch so etwas wie Gesinnung gibt (was mich besonders freut wegen der Pointe: Die DVA wurde vor über 180 Jahren von meinem Urururgroßvater Hallberger in Stuttgart gegründet). Wie wird das Urteil ausgehen? Die werden sich garantiert hinter geschlossenen Türen einigen. Wär‘ doch viel schöner, öffentlich die Gründe zu diskutieren …
Vito von Eichborn
Ob das der DVA wirklich zum Ruhm gereicht, erscheint mir zweifelhaft. Auch wenn natürlich immer gilt “besser spät als nie” haben sie lt. verlinktem taz-Artikel bereits vier Werke dieses Autors mit ähnlichem Inhalt (meine Einschätzung) verlegt und auch einen Vertrag für den in Frage stehenden Titel abgeschlossen, der einen Vorschuss von 100000 € beinhaltete. Die Frage ist für mich höchstens, was den Verlag dann doch noch zu Bedenken veranlasst haben mag.
Lieber Dirk,
der Grund für die Bedenken des Verlags liegt auf der Hand: Angst! Die Furcht, in gesellschaftliche Fettnäpfchen zu treten, kann es nicht sein, sonst hätte der Verlag bislang nichts von Herrn Sarrazin veröffentlicht.
Die in diesem Forenbeitrag von Herrn von Eichborn geäußerte Erkenntnis, dass es für kleine Verlage nahezu unmöglich ist, Bücher im Buchhandel zu platzieren, hat mich mit meinen selbstverlegten Büchern dazu gebracht, diese bei KDP, also Amazon, zu veröffentlichen. Auf die deutsche ISBN kann ich verzichten, da der Buchhandel meine Romane ohnedies nicht ordert, denn sie werden nicht in den Großhandel übernommen, und außerdem ist für den Buchhändler die Bestellung eines Einzelexemplars ökonomisch der Wahnsinn, da die Versandkosten seine Handelsspanne auffressen.
Bei Amazon kann ich zwar jeden meiner Verkäufe meinen Bekannten und Verwandten zurechnen, aber … was soll´s? Ich muss nicht vom Buchverkauf leben und so bediene ich eben meine Eitelkeit beim größten Buchhändler Deutschlands. Leid tun mir diesbezüglich nur die kleinen Verlage, die verkaufen müssen, um zumindest ihre Kosten zu erwirtschaften.
Und was meine Hoffnung angeht: Vielleicht bekomme ich ja doch einmal den Literaturnobelpreis, schließlich hat es ja dafür auch einem Barden gereicht 🙂