Ăœber Akif Pirinçci wollte ich nichts schreiben. Und ich will es auch jetzt nicht. Es gibt unsympathische Menschen, deren Ansichten und Aussagen so unappetitlich sind, dass nur die Nichtbeachtung die einzig angemessene Reaktion ist.
Doch dann reagierten sein Verlag Random House und die BuchgroĂŸhändler mit einer Art Verbannung des bekannten Katzenkrimi-Autors.
Gutmenschentum und die durch das Internet geförderte Empörungskultur werden plötzlich zur Bedrohung fĂ¼r Demokratie und freie Rede.
»Sein Verleger ins Zuchthaus!«
Ăœber die Ansichten von Akif Pirinçci geht es mir hier nicht. DarĂ¼ber diskutiere ich nicht. FĂ¼r mich sind sie rechtspopulistisch und Nährboden fĂ¼r schlimme Dinge.
Dass der Autor mit deutschtĂ¼rkischem Hintergrund nicht der schmusige, unverfängliche Autor von Katzenkrimis ist, wie er es vielleicht in den 1990er-Jahren einmal war, ist seit einiger Zeit bekannt. Spätestens seit seinem Auftritt im ZDF-Mittagsmagazin im April des Jahres 2014 ist klar, dass man diesem Mann besser kein groĂŸes Forum mehr bieten sollte. Wer Pirinçcis krude Meinungen lesen will, der kann zu seinem jĂ¼ngsten Sachbuch greifen – so er oder sie es bekommt.
Warum aber stoppt Random House nun die Auslieferung der unverfänglichen Katzenkrimis von frĂ¼her?
Der Schutz von Demokratie und Menschenrechten ist fĂ¼r uns ein zentraler Bestandteil unseres verlegerischen Schaffens, ebenso wie der Respekt vor Traditionen und dem Wunsch nach kultureller Vielfalt. Die Aussagen von Akif Pirinçci stehen diesen Werten diametral entgegen.
Das schreibt die Verlagsgruppe in einer Stellungnahme. Es geht um eine Rede Pirinçcis bei einer Pegida-Kundgebung. Mit Blick auf die aktuellen FlĂ¼chtlingsströme soll Pirinçci gesagt haben, dass die Konzentrationslager in Deutschland derzeit bedauerlicherweise auĂŸer Betrieb seien.
»Wenn diese Zitate stimmen, dann gehört der Autor in die Psychiatrie und sein Verleger ins Zuchthaus!«, fordert Rolf Hochhuth. Angeblich ermittle die Berliner Staatsanwaltschaft.
Jedoch: Akif Pirinçci forderte keine KZs fĂ¼r FlĂ¼chtlinge. In seiner verqueren Ironie unterstellte er in seiner Rede, dass manche Pegida-Kritiker bedauern könnten, dass die Lager fĂ¼r Pegida-Anhänger nicht mehr bestĂ¼nden. Oder so ähnlich. Das alles macht Pirinçcis Rede nicht besser, nicht weniger menschenverachtend. Allerdings hat er nicht mehr rechtspopulistischen Unsinn verzapft als zuvor.
Warum sperrt Random House seine BĂ¼cher aber erst jetzt? Warum springen der Verlagsgruppe die BuchgroĂŸhändler bei, die den aktuellen Titel des Autors nicht mehr in ihre Lager aufnehmen? Sogar Amazon beteiligt sich an diesem Boykott.
Kann es sein, dass Random House auf die Falschdarstellung in den Medien hereingefallen ist und Ă¼berreagiert hat? Der Journalist Stefan Niggemeier dokumentiert akribisch, wie viele Medien falsch Ă¼ber die Rede berichteten.
Sarrazin gut? Pirinçci böse?
Denn halten wir fest: Die Verlagsgruppe Random House ist die, in deren Verlag DVA das Buch »Deutschland schafft sich ab« von Thilo Sarrazin erschienen ist. An rechtsgerichtetem Gedankengut hat Random House also ordentlich verdient. Der Bestseller von Thilo Sarrazin dĂ¼rfte durchaus einen Anteil daran haben, dass Formulierungen wie »das wird man ja wohl mal sagen dĂ¼rfen« nun öfters und lauter zu hören sind. Sarrazin und Pirinçci bedienen im Grunde genommen die gleiche Kernzielgruppe. Warum ist der eine gut, der andere böse? Wer entscheidet das?
NatĂ¼rlich kann es jeder Händler, jeder Verlag selbst entscheiden, welchen Autoren er verlegen und ausliefern will. Das kann auch wirtschaftliche GrĂ¼nde haben.
Als jedoch unlängst Amazon einige Autoren als nicht lieferbar markierte, weil man mit deren Verlagen in harten Konditionenverhandlungen stand, forderte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dass das nicht erlaubt sein dĂ¼rfe. Die Auslistung komme einer Nötigung gleich.
Aber was ist nun mit Akif Pirinçcis Auslistung?
NatĂ¼rlich sprangen dem Autor gleich Autoren bei, die eher einem rechteren Spektrum zugeordnet werden können. Dies taten sie meist in ebenfalls eher rechten Medien.
Wie gut, dass sich auch David Berger zu dem Thema äuĂŸerte. Berger ist schwul, wurde von Akif Pirinçci angegangen, und Berger schreibt auf Telepolis, dass ihm Akif Pirinçci zudem »schlicht unsympathisch« sei.
Dennoch wettert Berger gegen die MaĂŸnahme des Buchhandels. »Mit dieser groĂŸ angelegten Blockade wird es dem Endkonsumenten schlicht nahezu unmöglich gemacht, sich dieses Buch zu kaufen und sich selbst ein Bild davon zu machen«, schreibt Berger.
Zur Meinungsfreiheit gehört es auch, Quellen im Original zu lesen, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Berger zitiert den oft Voltaire zugeschriebenen Satz: »Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafĂ¼r geben, dass du es sagen darfst.«
Zuckerberg schaut mal, was sich machen lässt
Genauso gefährlich ist in diesem Zusammenhang die Forderung, dass Facebook rechte Hasskommentare löschen solle. Eine Forderung, wie sie nicht nur im Web, sondern auch bei Politikern laut wird. Es war ein denkwĂ¼rdiger Moment fĂ¼r Demokratie und Meinungsfreiheit, als Angela Merkel den Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einem mehr oder weniger zufälligen Treffen bat, etwas gegen unliebsame Postings auf Facebook zu tun. Der verspricht der Kanzlerin, dass er mal schauen wolle, was sich machen lasse. An diesem kleinen Moment zeigt sich, wer die wahre Meinungsmacht besitzt.
Eine privatwirtschaftliche Firma bestimmt schon jetzt, was wir sehen dĂ¼rfen und was nicht. Nackte FrauenbrĂ¼ste beispielsweise nicht. Aber bei rechten Hasstiraden, da wäre es schon ok, wenn Herr Zuckerberg mal schaut, was sich machen lässt.
Facebook, sagt der Schauspieler Christoph Waltz in einem Interview, sei ein erster Schritt Richtung Faschismus. Da muss man erst mal durchatmen. Waltz kritisiert die Gesichtserkennung des Dienstes. Doch was wird erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten, wenn Facebook in der Hand irgendwelcher amerikanischer Investoren ist? Welch mächtiges Meinungsmanipulationswerkzeug haben die dann in der Hand, dessen effektive Zensurwerkzeuge wir selbst gefordert und gefördert haben?
Ich möchte das nicht. Ich will auf Facebook und in anderen Netzwerken sehen, dass jemand ein Nazi ist. Ich will nicht, dass auf Hitlers Facebook-Profil »Erbauer der Autobahnen« gestanden hätte, weil man die bösen hasserfĂ¼llten Sachen mit den Juden auf Wunsch der Nutzer rausgefiltert hat. Wenn jemand hasserfĂ¼llten ScheiĂŸ ins Netz kippt, dann möchte ich das wissen. Denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer dort volksverhetzende oder andere strafrechtlich relevante Dinge postet, der kann dafĂ¼r belangt werden. Aber nicht von privaten Firmen oder Medien, sondern durch Staatsanwälte und Richter. Und schon gar nicht durch Buchhandlungen und Verlage, die Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt hochhalten sollten, auch wenn es nicht die eigene Meinung ist.
Dass – wie es das Börsenblatt berichtet – Buchhändler sogar bei konkreter Nachfrage die Bestellung von Pirinçci-Titeln verweigern wollen, erinnert an dunkle Zeiten. Da nĂ¼tzt auch eine vermeintlich helle Absicht nichts.
Wolfgang Tischer