Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.
Diesmal geht es – aus aktuellem Anlass – um den Bachmannpreis und andere Literaturpreise. Braucht man sie wirklich?
Eine Kolumne von Vito von Eichborn
Nun läuft es wieder – das Schaulaufen zum Bachmann-Literaturpreis. Und wie immer stellt sich die Frage, was dieser Preis soll – und überhaupt, ob die angeblich 1.200 Literaturpreise jährlich sinnvoll sind. Kurze Antwort vorneweg: Prinzipiell sind die das. Aber klar.
Die wichtigste Werbung für einen Autor ist die Präsenz seiner Bücher im Laden. Wie kommen die dahin? Vertreter beraten oder bequatschen – je nachdem – die Buchhändler. Außerdem pflegen die selbst auszuwählen – nicht wenige von ihnen lesen tatsächlich viel. Aber wie will man sich durch die Fluten der Novitäten quälen? Richtig, da helfen Kritiken in den Medien.
Es gibt vielleicht zehn – na, sagen wir zwanzig – wirklich einflussreiche Kritiker in der Republik. Und vielleicht hundert, die nicht ganz unwichtig sind. Wenige sind freischaffend und können davon leben, die meisten sind bei einem Blatt oder Sender angestellt. Die schauen natürlich zunächst bei den literarisch renommierten Verlagen. Und was die anderen besprechen. Sie bilden die wichtigen Jurys – wie jetzt in Klagenfurt.
Klar wählt man mal einen Autor aus, um dem Lektor oder Verleger einen Gefallen zu tun. Oder weil man ihn persönlich kennt. Im Kern des Literaturbetriebs kennen sich eh die meisten. Da wäscht schon mal eine Hand die andere. Aber insgesamt habe ich den Eindruck, dass sie sich ehrlich um Qualität bemühen. Im vorigen Jahr schrieb »Die Welt« von einem »Desaster« in Klagenfurt – und wunderte sich, dass es nur drei oder vier, nicht aber vierzehn gute Texte gab. Wie aber eine bessere Auswahl zustande kommen könnte, dafür hatte der Feuilletonist auch keinen Vorschlag.
Ich finde, dieses Theater dort ist ein einmaliges Vergnügen. Die dionysischen Wettbewerbe im alten Griechenland gehören zu den Ahnen, auch der Sängerstreit. Schreiben ist etwas sehr Einsames. Lesen ebenso. Dass nun Kritiker und Autoren der Öffentlichkeit vorgeführt werden, unmittelbar reagieren müssen, Schaulaufen exerzieren – na prima. Inklusive all der Peinlichkeiten, inhaltlich und menschlich. Wie auch sonst?
Und die vielen Preise – föderalistisch zersplittert, oft nur regional von Belang – sind doch auch allemal sinnvoll. Schauspieler und Musiker bekommen Applaus, die Kunst wird ausgestellt. Theater und Musik werden hoch subventioniert, Kunstpreise gibt es zuhauf. Dass nur wenige Autoren vom Verkaufen ihrer Bücher leben können, wissen wir. Da können auch kleine Preise sehr hilfreich sein.
Und nicht zuletzt – siehe oben – helfen sie dem lesenden Publikum – und dem Handel –, ein wenig die Spreu vom Weizen zu trennen. Blöd ist nur, dass die Preisstifter sich oft genug selbst belobigen – indem sie Autoren auszeichnen, von deren Glanz sie etwas abbekommen wollen – also die ohnehin bereits arrivierten. Das Schräge, Extreme, gekonnt Geschmacklose, das inhaltlich abseitige oder sprachlich hochkomplexe Werk hat es da schwer. Die Jurys für den Nobelpreis hatten immer auch den Mut, die Gesinnung der Autoren zu würdigen, nicht nur den isolierten literarischen Wert. Das galt für Pasternak, aber auch für Böll. Das würde manchem Preis gut anstehen.
Welch Wohltat, dass der Redner zu Einführung, Feridun Zaimoglu, in Klagenfurt es mit seiner verqueren, kunstvollen, ja: geschraubten Sprache den Zuhörern nicht ganz einfach machte. (Worüber sich im Internet viele wunderbar aufregen.) Und gleichzeitig klar Position bezog gegen die die neuerdings angeblich »rechten Intellektuellen« – die es nicht geben kann, da sie nicht »redlich« sind. Gut gebrüllt.
Vito von Eichborn