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Zehn Jahre Wiederauflage des Literarischen Quartetts – Würde Wolfram Weimer dafür eine Zwangsabgabe zahlen?

Die Besetzung des Literarischen Quartetts vom 13. Oktober 2025 (von links): Julian Nida-Rümelin, Claudia Roth, Monika Grütters und Thea Dorn (Foto: ZDF/Flavio Degen)
Die Besetzung des Literarischen Quartetts vom 13. Oktober 2025 (von links): Julian Nida-Rümelin, Claudia Roth, Monika Grütters und Thea Dorn (Foto: ZDF/Flavio Degen)

Zehn Jahre Wiederaufnahme des Literarischen Quartetts, und das ZDF lädt zum Jubiläum drei Ex-Kulturstaatsminister ein. Was bereits in einer Vorab-Meldung nach Staatsfernsehen klang, wurde in der Sendung nicht besser. Langweilig wie eine Podiumsdiskussion auf einer Kulturkonferenz der Bundesregierung.

Der aktuelle Kulturstaatsminister Wolfram Weimer lässt es sich ja bekanntermaßen nicht nehmen, den Rundfunkbeitrag als »Zwangsabgabe« zu bezeichnen.  Zum 10-jährigen Jubiläum der Neuauflage des Literarischen Quartetts hatte sich das ZDF etwas scheinbar Besonderes ausgedacht: Die drei Vorgänger Weimers in diesem Amt, Claudia Roth (2021-2025), Monika Grütters (2013-2021) und Julian Nida-Rümelin (2001-2002), sollten mit Thea Dorn über vier Bücher diskutieren. Schon die Ankündigung ließ Schlimmes ahnen. Drei Menschen, deren Profession das Verwalten von Kultur war,  was sollte da anderes herauskommen als staatstragende Langeweile?

Staatstragende Langeweile

Das literaturcafe.de begleitet das Literarische Quartett seit der Neuauflage 2015, statt Marcel Reich-Ranicki leitete Volker Weidermann die Runde. Zur festen Besetzung gehörten Maxim Biller und Christine Westermann. Hinzu kam ein wechselnder Gast. Später blieb die einzige Konstante Thea Dorn. Die erste Besprechung der Neuauflage erschien am 3. Oktober 2015 im literaturcafe.de, einen Tag nach der Premiere. Zehn Jahre Literaturkritik-Kritik – und ja, der Blick auf die Sendung war meist skeptisch. Immer wieder warf man dem literaturcafe.de vor, wir würden zu viel meckern, zu viel herumnörgeln an einer Sendung, die doch das Lesen fördere. Das stimmt nicht immer, aber manchmal schon (Bezüge dieses Satzes bitte selbst herstellen). Doch wenn eine Jubiläumsausgabe so dröge ist wie die vom 10. Oktober 2025, dann lässt sich das nicht schönreden.

Ex-Amtsträger über Literatur

Das Problem lag nicht an den Menschen selbst, sondern an ihrer Rolle. Wer jahrelang Kulturpolitik gemacht und Fördergelder verteilt hat, bringt zwangsläufig eine andere Perspektive mit als ein Literaturkritiker. Roth, Grütters und Nida-Rümelin sprachen erwartbar über José Rizals kolonialkritischen Klassiker »Noli me tangere«, Huxleys »Schöne Neue Welt«, Iris Wolffs »Lichtungen« und Albert Ostermaiers Pasolini-Roman – aber eben nicht als Leser, die sich am Text reiben, sondern als Kulturverwalter, die Bücher im Kontext von Bildungsauftrag und gesellschaftlicher Relevanz verorten.

Die Bücherauswahl selbst verriet bereits das Dilemma: Ein philippinischer Klassiker, passend zum Gastland der Frankfurter Buchmesse, ein dystopischer Kanon-Text, ein gelobter, aber nicht mehr ganz so frischer deutscher Roman und ein poetischer Essay über einen ermordeten Künstler. Nichts davon war überraschend, nichts provozierte. Man hätte die Diskussion vorhersagen können, ohne sie gesehen zu haben.

Was wäre die Alternative gewesen?

Das Jubiläum hätte Außergewöhnliches verdient. Man hätte eine Sendung über die vier umstrittensten Bücher der letzten Dekade machen können und fragen: Haben wir damals richtig geurteilt? Eine Jubiläums-Diskussion mit Volker Weidermann, Maxim Biller, Christine Westermann und als Gast Wolfram Weimer?

Oder man hätte vier Debütromane besprechen können, vier unbekannte Stimmen, die noch keine Lobby haben. Wir trauen der Literatur zu, auch ohne große Namen zu wirken.

Stattdessen entschied man sich für das Gegenteil: für Bekannte, für Würdenträger, für die vermeintlich sichere Bank. Für eine Sendung, die niemandem wehtut aber auch niemanden interessiert.

Brav statt streitbar

Das Literarische Quartett lebt im besten Fall von der Reibung, vom Widerspruch, vom ungeschliffenen Urteil und der Neugier auf die besprochenen Bücher. Marcel Reich-Ranicki verstand das Format als Arena. Die Jubiläumsausgabe hingegen glich einer Podiumsdiskussion auf einer Kulturkonferenz – höflich, bedacht und mit der Vorsicht von Menschen, die gewohnt sind, für jedes Wort zur Verantwortung gezogen zu werden.

Dass drei Menschen, die gemeinsam rund anderthalb Jahrzehnte Kulturpolitik verantwortet haben, ausgerechnet zum Jubiläum eingeladen wurden, wirkt wie eine Selbstbestätigung. Als wollte die Sendung zeigen: Seht her, wir sind relevant, wir sind Teil des kulturellen Auftrags des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Staatsnähe statt (eigentlich vorgesehener) Staatsferne. Dabei braucht eine Literatursendung keine politische Legitimation.

Was bleibt

Zehn Jahre Literarisches Quartett, zehn Jahre Besprechung der Besprechenden im literaturcafe.de – das ist ein getrennt begangener gemeinsamer Weg. Wir haben die guten Sendungen gelobt, die mittelmäßigen kritisiert und uns manchmal gefragt, ob das Format noch funktioniert. Diese Jubiläumsausgabe gibt keine Antwort, sie weicht aus.

Im Grunde genommen hätte man statt Thea Dorn auch gleich Wolfram Weimer moderieren lassen können.

Wolfgang Tischer

Link ins Web:

Die in der Sendung vom 10.10.2025 besprochenen und erwähnten Bücher:

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