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Warum werde ich nicht veröffentlicht? Oder: Die Große Manuskriptverschickung – Nachtrag mit Antworten

Die Große Manuskirptverschickung: Auffangbecken 6Bei allen, die meine Serie gelesen haben, möchte ich mich herzlich bedanken – vor allem natürlich für die Rückmeldungen in den Kommentaren, per Mail, in Blogs und diversen Foren.

Die Resonanz war etwas uneinheitlich, wie auch nicht anders zu erwarten, und obwohl ich um die Kommentar- und Kommentierfreudigkeit von Autoren weiß (schließlich gehöre ich selbst dazu), hat sie mich in der Masse dann doch verblüfft. Zumal ich die Serie eigentlich nicht für sonderlich kontrovers hielt. »Warum werde ich nicht veröffentlicht« war weniger als abzuarbeitende Tippliste oder gar strategische Handhabe gedacht, sondern vielmehr als Zustandsbeschreibung.

Ein außerordentlich hübsches Argument, mit der der im Text skizzierten Marktorientierung widersprochen wird, möchte ich besonders hervorheben: Es war in einem Kommentar die Rede davon, dass man mit dieser Vorgehensweise der »inhaltlichen und sprachlichen Verflachung des Buchangebotes Vorschub leisten« würde. Dieser als weitgehend unstrittig kolportierte Punkt wird auch von den so genannten »Zuschussverlagen« gerne genannt, wenn sie ihren Autoren zu erklären versuchen, warum eine vom Autor finanzierte Veröffentlichung sinnvoll ist (was niemals stimmt!). Tatsächlich gestaltet sich der Buchmarkt meiner Überzeugung nach derzeit so vielfältig und facettenreich wie nie zuvor. Es ist wahr, dass es auch Einheitsbrei, Trittbrettfahrerei, lahme Epigonen, Promi-Bücher und anderes mehr in großem Umfang gibt. Aber es ist genauso wahr, dass praktisch täglich weitere Subgenres definiert werden, dass pro Woche ein, zwei neue Verlage auf den Markt drängen, die Nischen beackern, deren Existenz vorher niemand auch nur geahnt hat – und dass sich auch große Verlage experimentierfreudig zeigen. So gut wie jede literarische Präferenz wird vom Markt abgedeckt, denn das ist seine Aufgabe: die Nachfrage zu befriedigen. Wer behauptet, er fände in den Buchhandlungen nichts mehr, um seinen – möglicherweise etwas exaltierten – Geschmack zufrieden zu stellen, hat meiner Meinung nach einfach nicht lange genug gesucht. Oder er meint etwas Anderes, nämlich: Die Leser, die meine Bücher (die des Kommentators) zu lesen wünschen, finden diese nicht.

Möglich.

Schade.

Aber – wie viele sind das?

Und genau hier liegt ein Missverständnis, das sich durch einige Kommentare zog. Während ich der Meinung war, doch recht deutlich davon gesprochen zu haben, dass es im Endergebnis um Texte geht, die für ein größeres Publikum interessant sind oder sein könnten, versuchten mehrere Kommentatoren, den Beitrag auf alle Formen und (Spiel-)Arten von Literatur zu beziehen. Ich bin ehrlich: Ich weiß nicht, wie man den Bachmann-Preis gewinnt, um anschließend an einen Verlagsvertrag zu kommen, der sich für das Unternehmen sehr wahrscheinlich nicht auszahlt. Wer in diesen Sphären und Kategorien zugange ist und sich Juli Zeh, Robert Menasse, Thomas Glavinic oder meinetwegen Clemens Meyer nahe fühlt, sollte, nein muss einen anderen Weg gehen und solche Betrachtungen tunlichst meiden. Ich habe klar ausgeführt, dass ich mich mit dem Essay an Autoren richte, die an Gebrauchsliteratur im weitesten Sinn arbeiten, was natürlich nicht bedeutet, dass es (nur) um Einheitsbreifabrikanten geht.

Er sagt, dass man im stillen Kämmerlein schreibt, dass man Lebensorte und Urlaubsplätze sowie »knackige« Namen verwendet – na, was denn sonst?

Was sonst? Das Leben anpacken, Grenzen überschreiten, sich selbst, die Welt, Träume und Gedanken neu erfinden, den Schritt hinaus, darüber hinaus wagen. »Im stillen Kämmerlein« bedeutete an dieser Stelle, dass viele Autoren jeden Vergleich scheuen, sich auf sich selbst – und nichts sonst – beziehen, eine symbiotisch-parasitäre Beziehung mit dem eigenen Werk eingehen und aus der Sichtweise, wenigstens vorübergehend der Nabel der Welt zu sein, nichts weiter als eine Nabelschau machen (die verblüffenderweise allen anderen gleicht). Das Gegenteil besteht darin, sich umzuschauen, die sonstige literarische Welt wahrzunehmen, sich möglicherweise sogar zu orientieren, um besser herausarbeiten zu können, was die Eigenständigkeit ausmacht; und vor allem bereits in der Schöpfungsphase einen Blick dafür zu entwickeln, wie man skizzieren könnte, was mit dem Werk anschließend geschehen sollte. Wer auf den Markt will, und zwar im großen Stil, muss ihn auch bedienen. Das gelingt nicht, wenn man abseits der Schreiberei nichts wahrnimmt und wahrnehmen will. Wer mit dem Schreiben beginnt und sich erst anschließend Gedanken über die Vermarktung macht, begeht einen grundlegenden Fehler. Es ist zweifelsfrei möglich, trotzdem erfolgreich zu sein, aber nur für wenige.

Tatsächlich gibt es Themen, für die allgemeines Interesse zwar nicht vorhanden ist, aber geweckt werden könnte.

Eine interessante Hypothese. Übrigens geschieht derlei regelmäßig, sonst brauchte es überhaupt keine neuen Bücher. Die Frage ist nur, wie man Interesse für Themen weckt. Reif Larsen hat in seinem bemerkenswerten Bestseller »Die Karte meiner Träume« die Kartografie thematisiert, ein Sujet, das nicht nur recht trocken daherkommt, sondern in Zeiten von Satelliten-Laservermessung und Google Earth etwas angestaubt wirkt. Aber es handelt sich nicht um ein Buch über Kartografie, sondern um einen Entwicklungsroman, zugleich eine Familiensaga und einen Text über die amerikanische Geschichte. Ich glaube nicht, dass eine bedeutsame Anzahl Leser anschließend Reißbretter, Lineale und Zirkel gekauft hat, um Karten vom eigenen Grundstück anzufertigen. Das Interesse für dieses Thema ist nicht in diesem Sinne geweckt worden, sondern ein originelles Thema ist benutzt worden, um eine Geschichte zu erzählen, die letztlich jener von Tom Sawyer ähnelt. Aber Themen sind auch nicht das Problem – davon gibt es wirklich genug.

Irgendwann einmal findet sich dann schon ein Verlag, sei es so oder so oder auf andere Weise! Man darf die Sache nicht zu verbissen sehen. Dieter Plep gebe ich Recht, wenn er auf die als Buchautoren auftretenden Journalisten und die Fernsehstars verweist, die natürlich super Beziehungen haben und sich jegliche zur Verlagssuche nötige Vorarbeit komplett ersparen.

Wer etwas verbissen sieht oder sich gar in etwas verbeißt, verliert möglicherweise die Leichtigkeit, Entspanntheit und damit die Kreativität, die notwendig ist, um etwas wirklich Bemerkenswertes zu schaffen. Das schließt aber nicht aus, auch darauf zu achten, trotzdem etwas Verkäufliches herzustellen, wenn man es denn verkaufen will(!). Nur hiervon ist die Rede. Gleichwohl wage ich der Behauptung zu widersprechen, »irgendwann« fände sich ein Verlag (WIE?). Ein Verlag findet »sich« nicht, das ist kein Versteckspiel. Möglicherweise findet man irgendwann irgendwas, das sich »Verlag« nennt, aber keiner ist.

Wahr – aber leider auch nur teilweise – ist die Aussage, dass es gewisse Lichtgestalten mit ihren zweifelhaften Traktaten leichter haben als viele Neuautoren, die Besseres schreiben. Verleger wären schön blöd, würden sie nicht auch das Bedürfnis der Konsumenten nach Merchandising befriedigen. Die vielen Bücher der Comedians und ihrer Gagschreiber z. B. sind nichts weiter als auf den Literaturmarkt ausgeweitete »Fun-Freitage«. Zielgruppe und Stoßrichtung sind hier völlig klar. Aber – und an dieser Stelle scheitert das Argument: Hier findet kein Verdrängungswettbewerb statt! Wer Bücher von Eva Herman oder Tommy Jaud kauft, würde nicht zu Ilja Trojanov oder Clemens Berger greifen. Zudem sind es unter anderem solche »Promi«-Bücher, die  Debüts unbekannter Autoren mitfinanzieren – sie verhindern also nichts oder nur wenig. Auch dieses Argument soll letztlich nur als Erklärung dafür herhalten, warum man es selbst nicht schafft:  Schuld sind schließlich immer die anderen.

Also, mehr und mehr geschätzter Tom Liehr:
Sollte es mir mit Hilfe deiner Artikel gelingen, aus den Arbeitsweisen von Mann/Hesse und Steven King eine erfolgreiche weil realistischere und eigene Methode des Schreibens zu entwickeln, kannst du dich auf einen Kaffee und ein Stück Himbeertorte im »Sowohl als auch« freuen.

Ist notiert.

An den Ausführungen von Herrn Liehr ist sicher viel Wahres dran; der oben zitierte Punkt wird aber meines Erachtens von der Realität klar konterkariert. Mag sein, dass ich hier v.a. aus österreichischer Sicht argumentiere, aber ich habe den Eindruck, dass die ‘gehobene’ Literatur seit Jahrzehnten von AutorInnen dominiert wird, für die das Schreiben zuallererst Eigen-Therapie darstellt, ob nun bewusst oder unbewusst.

Tatsächlich kommt aus Österreich meiner Meinung nach derzeit die spannendste »junge« Literatur. Einige ihrer Protagonisten habe ich weiter oben genannt, aber es sind noch sehr viel mehr. Die Longlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis wurde von Österreichern nahezu dominiert, jedenfalls verhältnismäßig. Aber das ist ein anderes Spielfeld, ein anderes Phänomen, und es hat nur wenig zu tun mit der sehr pragmatischen Sichtweise (und Literatur), um die es mir ging. Thomas Glavinic hat mit seinem selbstironischen »Das bin doch ich« nicht nur die eigene Welt – und möglicherweise einen leicht therapeutischen Ansatz – zum Kern seiner Schöpfung gemacht, sondern auch noch das entstehende Werk thematisiert. Ich halte es für verteufelt gut, was diese Autoren entlang der Achse Glavinic-Menasse-Berger-usw. tun (auch Kehlmann gehört eigentlich dazu, ist aber überdurchschnittlich erfolgreicher, jedenfalls, was Verkaufszahlen anbetrifft). Sie alle betrachten sich mehr oder weniger als legitime Erben Bernhards, schleppen den Unseld-Briefwechsel mit sich herum, hassen und lieben einander – öffentlich (und treffen sich dann in den Kaffeehäusern). Eine, wie ich finde, sehr begrüßenswerte und inspirierende Entwicklung, aber auch eine, die an vielen Lesern vorbeigeht, was nichts prinzipiell Schlechtes ist. Aber keine, die irgendwie exemplarisch wäre.

Erfolgreiche Autoren beweisen übrigens immer wieder, dass beides geht: kluge Bücher zu schreiben und dabei auch noch zu unterhalten. Sie werden nur ziemlich sicher nicht zum Bachmann-Preis eingeladen.

Richtig. Gute Geschichten gut erzählen, das ist alles, und es ist möglich. Wie man das genau umsetzt, hängt letztlich vom eigenen Anspruch ab. Wer hiermit Erfolg hat, verschafft sich auch die Freiheit, später nachzuholen (wenn es denn unbedingt sein muss), was anfangs möglicherweise scheiterte. Davon abgesehen gibt es Foren für alle Arten von Literatur. Die »Tage der deutschsprachigen Literatur« sind eines.

Allerdings wäre ich nicht abgeneigt, meinen Lebensunterhalt mit meinen Geschichten zu verdienen. Ich würde lügen, behauptete ich das Gegenteil. Andererseits weiß ich, dass es fast unmöglich ist, als unbekannte Autorin auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen. Was ich eigentlich sagen will, ist, dass man sich nicht von allzu vielen gut gemeinten Tips und Ratschlägen verunsichern lassen soll. Schnell geht dabei der eigene Schreibstil verloren.

Wenn es »fast unmöglich« ist, als unbekannte Autorin auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen – warum gelingt es dann immer wieder? Und wie?

Tatsächlich ist es für die meisten unbekannten Autoren unmöglich, auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen, weil ihre Texte für den Buchmarkt ungeeignet sind. Vielleicht haben sich diese wenigen Autoren, denen es dann doch gelungen ist, nicht von Tipps und Ratschlägen verunsichern lassen und ihren Schreibstil über die Zeit (und die Veröffentlichung) gerettet. Vielleicht aber haben sie auch intensiv an sich gearbeitet, ihren Stil (und ihre Themen) entwickelt, Tipps und Ratschläge zur Kenntnis genommen, sortiert und dann jene berücksichtigt, die ihnen sinnvoll erschienen. Ratschläge – mein Beitrag enthielt nur einen einzigen konkreten – sind ohnehin mit der unangenehmen Voraussetzung verbunden, der Ratschlaggebende wisse mehr über die Situation des Ratschlagnehmenden als dieser höchstselbst. Tatsächlich gilt diese Voraussetzung nur ausnahmsweise, denn fast jede Situation ist einzigartig. Man kann skizzieren, wie bestimmte Mechanismen funktionieren oder zu funktionieren scheinen, man kann Erfahrungen vermitteln und daraus Schlüsse ziehen. Es ist jedem selbst überlassen, sich diesen Folgerungen anzuschließen oder einen anderen Weg zu gehen, auch unter Missachtung dieser Erfahrungen, die andere bereits gesammelt haben. Der Literaturmarkt ist ein sehr seltsamer, Kultur ist seltsam. Fraglos spielt Glück eine Rolle, aber diese Rolle wird häufig überschätzt. Wer aber »seinen Lebensunterhalt mit seinen Geschichten verdienen will«, was übrigens selbst arrivierten Autoren selten möglich ist, kommt nicht umhin, den Markt zu betrachten und sich an ihm zu orientieren.

Geschichten, die keiner lesen will, kauft auch keiner.

Buongiorno Tom Liehr, warum machst du alles und jeden eigentlich nieder. Wo ist denn die Loyalität gegenüber anderen Autoren, auch wenn sie noch keine Veröffentlichung haben? (…) Ich finde deine Bücher auch nicht gerade umwerfend!

Tatsächlich fühle ich mich gerade jenen Autoren, die noch keine Veröffentlichung vorweisen können, sehr verbunden (Loyalität ist »Verbundenheit« mit einer Gruppe, der man angehört), und ich arbeite seit vielen Jahren – übrigens recht erfolgreich, wie ich meine – in diesem Bereich. Mehr noch, mein eigener bescheidener Erfolg entstand über die gemeinsame Arbeit mit anderen Autoren, von denen nicht wenige inzwischen ordentliche Bibliografien vorweisen können. Der Text, um den es hier geht, ist auch ein Ergebnis dieser Arbeit. Ich frage mich allerdings, an welcher Stelle ich »alles und jeden« niedergemacht habe. Ich halte es für sehr bedauerlich, dass viele – auch ausgesprochen talentierte – Autoren unglaublich viel Zeit und Mühe in Totgeburten investieren, dass großartige Ideen und eine Menge Erzählkunst verfeuert werden, dass halbrecherische Fehler gemacht werden, die leicht zu vermeiden wären. Fraglos bin ich außerdem der Meinung, dass ein Gutteil derjenigen, die da vor ihren Schreibmaschinen und PCs hocken, es besser lassen sollte. So, wie ich der Meinung bin, dass sich neunzig Prozent der Teilnehmer lieber nicht ins »Casting« der Kinderdemütigungsshow »DSDS« begeben sollten. Gut, sie schaden letztlich nur sich selbst, und bei Nachwuchsautoren ist der Schaden deutlich geringer als bei den auf Bohlens Bühne öffentlich verheizten Teenagern (mit ihren zweifelsfrei folgenden posttraumatischen Belastungsstörungen). Aber immerhin verstopfen jene – sagen wir: sechzig Prozent -, die (nicht nur meiner Meinung nach) von Anfang an chancenlos sind, die Lektorenschreibtische und verhindern damit auch den Erfolg der anderen.

Ich bin erstaunt, dass erst im 24. Kommentar eine Mitteilung wie jene kam, meine eigenen Bücher wären eher nicht so der Brüller. Aber immerhin kam sie noch. Danke dafür.

Wo bleibt der Idealismus der guten Feder?

Es gibt ihn. Er hat viele, auch veröffentlichte Namen. Wenn man Leute auf der Straße befragt, wird man sie vielleicht nicht hören, was aber auch von der Straße und der Tageszeit abhängt. Es ist kein kleiner Fehler, vom Lauten auf das Ganze zu schließen. Die Lautstarken sind nie die Guten. Sie sind nur die Lauten. Nichts weiter.

Was mir zum Ausgleich ein wenig fehlt, sind zu all den »so läuft das nicht«s auch mal konkrete Tipps, wie es besser laufen könnte. Sowas hatte ich mir ein wenig erhofft/ erwartet.

Man kann den Beitrag als pessimistisch bezeichnen, aber eigentlich nur, wenn man die Ausgangsfrage falsch verstanden hat, die da lautete: »Warum werde ich nicht veröffentlicht?« Der Text sollte nur hierfür die Antwort liefern, als eine Art Bestandsaufnahme. Wer Tipps erwartet hat, muss möglicherweise enttäuscht sein, aber nicht lange, denn solche Tipps sind nur ein paar Klicks entfernt. Das Sortiment der Belletristik-Erfolgsratgeber wächst täglich. Hunderte von Autoren liefern Ratschläge, Checklisten und Ähnliches. Ich wollte erklären, warum es trotzdem nicht (immer oder nur selten) klappt. Die simpelste Antwort auf diese Frage lautet übrigens: weil sehr viel mehr Bücher geschrieben als gelesen werden. Und die meisten dieser vielen Bücher werden von Autoren geschrieben, die das eher nicht so gut können. Was ein Thema für eine andere Beitragsreihe wäre.

Wenn Bücher ohnehin eine konturenlos geschliffene Kooperation von Verfasser, Literaturagent und Lektorat sind, was nützt’s dem Autor, der seine Schöpfung im Buch nicht mehr wiedererkennt?

Mit Verlaub, aber das ist auch eines dieser Märchen, die von Zuschussverlagen gerne erzählt werden.

PS: herr liehr, könnten sie mich bitte per email kontaktieren?

Schwierig, so ganz ohne Mailadresse.

Also ich kann mir nicht helfen: Und dabei habe ich ja auch schon recht viel gelesen, öfters eine Buchhandlung aufgesucht, Bücher gekauft, bin oft genug von dem, was auf dem Markt ist, enttäuscht worden und habe oft genug beim Stöbern nach Lesestoff nichts passendes gefunden… Manchmal könnte das Buch eines Newcomers jener Versuch sein, ein sich anbietendes Thema aus unkonventioneller Sicht zu bearbeiten.

Da habe ich eine URL für Sie: www.bod.de »Unkonventionelle Sicht« ist dort quasi Programm.

Es gab, es gibt und es wird immer Menschen geben, die ihr schreiben nicht als Profession, sondern als Berufung sehen.

Da gibt es keinen Widerspruch, ganz im Gegenteil. Im Idealfall verbindet man beides. Das sind dann die richtig guten Autoren.

Was ist aber so schlecht daran, sein Handwerk zu lernen, Fehler zu machen, sich zu verbessern, sich zu entwickeln?

Wo behaupte ich, dass das schlecht wäre? Möglicherweise haben Sie die Einleitung – absichtlich? – in den falschen Hals bekommen. Es ging darum, dass viele Autoren glauben, durch das Skizzierte bereits alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Veröffentlichung geschaffen zu haben. Mein Text ist keiner über das Schreiben – handwerklich betrachtet.

Die vielfältigen Wege der Literatur, kleine Veranstaltungen, szenische Lesungen, handverlesene Literaturzeitschriften mit Miniauflagen, Poetry-Slams usw. alles findet außerhalb des klassischen »Literaturbetriebs« statt. Aber das zählt nicht für Herrn Liehr.

Quatsch – und zudem eine Unterstellung, die sich leicht falsifizieren lässt. Aber Sie zielen mit wohlgespitzter Feder in die vollständig falsche Richtung (Deckung!). Mit keinem einzigen Wort rede ich gegen die Veröffentlichung in Kleinverlagen, gegen selbstorganisierte Lesungen, gegen die Teilnahme an originellen Wettbewerben, gegen Lesebühnen, ambitionierte Mini-Zeitschriften oder Ähnliches. Das wäre, mit Verlaub, auch etwas idiotisch, denn das meiste davon findet sich in meiner eigenen Vita – wie auch die »Turnerei« durch Autorenforen, die Qualifikation »Deutschunterricht« und so weiter. Nicht wenige meiner persönlichen Lieblingsautoren sind bis dato unveröffentlicht, wenn man als Maß den Publikumsverlag anlegt. Um all das ging es nicht. Sondern darum, weshalb es nicht klappt, wenn man zum Publikumsverlag will – und nichts weiter.

Was Herr Liehr allerdings verschweigt, ist die Tatsache, dass nicht das gedruckt wird, was sich verkaufen lässt; sondern vor allem das, was der Verlag glaubt verkaufen zu können.

Herr Liehr verschweigt das keineswegs. Ihre Aussage erscheint mir übrigens ein wenig paradox. Frage: Wer weiß, was sich verkaufen lässt? Die Autoren? Und warum wird viel verkauft, obwohl man nur »glaubt«, etwas verkaufen zu können?

Und die Frage, weshalb es selbst die besten Manuskripte nicht schaffen, wurde meiner Meinung nach nicht überzeugend beantwortet.

Das ist richtig, und für diesen Umstand gibt es eine einfache Begründung: Ich weiß es auch nicht. Ich habe mich im Vorfeld dieser Artikelserie mit einigen Leuten unterhalten und ihnen genau diese Frage gestellt, aber keine befriedigende Antwort erhalten. Eine häufig wiederholte lautete, dass dieses eine Manuskript, das es aus tausend schafft, eben jenes Quäntchen mehr Originalität, Ideenreichtum, sprachliche Virtuosität (meinetwegen auch: Mainstream-Konformität) usw. haben muss als die neunhundertneunundneunzig anderen. Eine andere war diese: Die Verlage können es sich wirtschaftlich nicht leisten, in mehr als eine Handvoll neue Autoren pro Jahr zu investieren, weil sich Debüts sehr, sehr viel schwerer durchsetzen als Romane bekannter Autoren – mit ungewissem Ergebnis. Einige andere Faktoren spielen ihre Rollen, etwa die Autorenpersönlichkeit (Medientauglich? Rhetorisch begabt? Gut aussehend?), die Schwerpunkte im jeweiligen Programm (Ähnliche Thematik? Genre überproportional vertreten? Interne Konkurrenz?) und so weiter. Das A, B, C, D-Beispiel sollte die Einstiegsschwelle markieren, jene Art von Texten, die überhaupt Chancen haben. Was danach folgt, lässt sich schwer mit Kriterien belegen oder in Kategorien einordnen. Sicherlich spielt das Glück auch seine Rolle. Häufig können selbst Lektoren nicht genau sagen, warum sie das eine Manuskript ausgewählt haben und das andere nicht. Wie auch wir selbst oft nicht in Worte fassen können, warum uns ein Buch begeistert hat und ein anderes nicht so sehr, warum ein Song zum persönlichen Ohrwurm wurde und der andere Widerwillen ausgelöst hat. Die Faktoren, die in Gipfelnähe ausschlaggebend sind, haben etwas Mystisches.

Könnte es sein, dass er in Wirklichkeit einfach nur Schiss hat, dass jemand beim Aufbau-Verlag etwas einreicht, was dieser besser findet als das nächste Opus von Tom Liehr?

Immerhin – im vorletzten Kommentar findet sich dann des Rätsels Lösung. (Ich habe mir erlaubt, im Zitat meinen Namen zu korrigieren.)

Ich bedanke mich herzlich bei allen, die sich die Mühe gemacht haben, über fünf Wochen hinweg meine Ergüsse zu lesen, intensiv zu studieren und mit geistreichen, erhellenden, merkwürdigen und befremdlichen (aber dann wenigstens amüsanten) Kommentaren zu versehen.

Herzlich,

Tom Liehr

Tom Liehr (Foto:privat)Tom Liehr, Jahrgang 1962, hat Dutzende Kurzgeschichten und bislang elf Romane veröffentlicht, zuletzt »Die Wahrheit über Metting« (2020) und »Landeier« (2017) bei Rowohlt. »Leichtmatrosen« (2013) wurde für die ARD verfilmt, »Geisterfahrer« (2008) ins Französische übersetzt. Im Herbst 2022 erscheint sein zwölfter Roman. Liehr hat den 42erAutoren e. V. mitbegründet und gehört zu den Schöpfern der legendären Kunstfigur Rico Beutlich sowie des Literaturpreises Putlitzer Preis®. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Links zu Tom Liehr:
Autorensite Tom Liehr www.tomliehr.de
Autorensite Tom Liehr bei Amazon

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16 Kommentare

  1. Nur zum Punkt “Bachmannpreis”: Ich habe zumindest eine Ahnung, wie man den gewinnt. Entgegen landläufiger Ansicht ist es dafür unbedingt nötig, eine gute Geschichte interessant zu erzählen. Was denn sonst? Auch Bachmannjuroren wollen unterhalten werden und etwas über das Leben erfahren.

  2. Der Nachtrag ist ebenso interessant, wie es schon die Serie war.
    Aus einigen Kommentaren lese ich soetwas wie Frust darüber, dass man es nicht schafft, veröffentlicht zu werden, obwohl man ja sooo großes Potenzial besitze.

    An einem Punkt muss ich Herrn Liehr halbwegs widersprechen.

    herr Liehr schreibt:

    “Wer behauptet, er fände in den Buchhandlungen nichts mehr, um seinen – möglicherweise etwas exaltierten – Geschmack zufrieden zu stellen, hat meiner Meinung nach einfach nicht lange genug gesucht”

    Hierzu fand sich in der SZ vor einigen Monaten ein sehr guter Seite3-Artikel darüber, wie Buchhandelsketten den Buchmarkt verändern.
    Sicher gibt es bei einigen der Großen ein interessantes Sortiment, jedoch geht es immer mehr in die Richtung, dass schöne Literatur nurnoch in inhabergeführten Buchhandlungen zu finden ist.
    Sicherlich haben Buchhandlungen Interesse daran Gewinn zu machen (vorallem in Zeiten des Online-Buchmarktes) . Wenn man aber bedenkt, dass etwa der Thalia-Geschäftsführer kein Buchhändler, sondern Betriebswirt ist und sich in Interviews abfällig über Bücher äussert, dann müssen wir von einer Entwicklung sprechen, die uns nicht gefallen darf.
    Dass es auf dem Buchmarkt aber nurnoch Blödsinn zu kaufen gibt, trifft keineswegs zu. Man muss sich nur Zeit nehmen und sollte inhabergeführte Buchhandlungen u.U. vorziehen.
    Gottseidank gibt es auch große Verlage, die in letzter Zeit Interessantes auch Literatur für “wilde Leser” (Wagenbach) rausgebracht haben.
    Also: Es kommt nur auf die Buchhandlung an. Sonst: Andersweitig stöbern (Verlagsprospekte, Internet) und sich das Buch übers Barsortiment beschaffen lassen.

  3. Hallo Tom, immerhin kommt der bei solchen Artikeln erwartungsgemäße Schuss unter die Gürtellinie bei dir erst an Nr. 24. Bei meinem Bericht findet man ihn schon an Nr. 7 (*grins*)

    Tolle Erwiderung auf die Kommentare zu deinem Bericht.

    LG Cornelia

  4. Nun, Herr Liehr, entgegen Ihrem Versprechen, auf die Zuschriften anläßlich Ihrer hier präsentierten Serie zur Problematik verlegerischen Desinteresses an vielen unverlangt eingesandten Manuskripten, beantwortet bloßes “Abtun” eventueller Einwände, die die “Nivellierung” des Buchangebotes insgesamt betreffen, keine der Leserzuschriften… weder die, die in Ihrer Serie nur einen Akt der Verachtung der weniger glücklichen Manuskriptversender sehen, noch die des Lesers, der wehmütig beim Anblick des feilgebotenen Sortiments an lieferbaren Büchern nichts entdeckt, das die Lektüre lohnte… (obwohl doch Verleger und die von ihnen beauftragten Lektoren so tüchtig Sorge tragen, daß auch wirklich nur publiziert und an den Handel ausgeliefert wird, was voraussichtlich des Lesers Unterhaltungs- und ggf. Bildungsbedürfnis zielsicher trifft…)

    Und wo Sie ausdrücklich auf Formulierungen antworten, die ich in mehreren Leserkommentaren benutzt habe, kann ich Ihnen versichern, daß ich in keiner Weise die Interessen von Kostenzuschußverlagen vertrete und daher deren Argumente auch nicht zu deren Nutzen mittrage.
    Das Problem einer quer durch die Gesamtgesellschaft ziehenden Infantilisierung und Bildumgsscheu wird jedenfalls durch den gegenwärtigen Zustand des Buchmarktes nicht konterkariert, und längere oder ausgiebigere Suche nach der passenden Lektüre würde (zumal vor Ort im Buchhandel) kaum zielführend sein, da ich ohnehin die meisten meiner Neukäufe per Verlagsbestellung ordern muß…

    Was meinen Sie aber, welchen Zeitaufwand es erforderte, bestimmte Einzeltitel gar antiquarisch aufzuspüren!
    Auch daß aus dem Verkauf gutverkäuflicher Werke sozusagen querfinanziert wird, was nur in geringer Stückzahl “läuft”, ist durchaus nicht mehr Verlagspraxis. Das mag in den 50er Jahren so gewesen sein – heute fliegen Titel aus dem Sortiment, die die Umsatzerwartungen der Kalkulatoren nicht erfüllen. Und die Kaufkraft der Buchkonsumenten, die schließlich AUCH eher zu “bewährten” Namen greifen, mag durchaus soweit geschmälert sein, daß das spontan erworbene Büchlein eines auf dem Fernsehen bekannten Moderators oder Sportlers am Ende verhindert, daß der in der Presse verrissene dritte Roman eines Nachwuchsschriftstellers noch die Erstauflage binnen eines Vierteljahres abverkauft.

    Übrigens: “Geschichten zu erzählen” ist nicht unbedingt, was die notwendigen Qualitäten zeitgenössischer Literatur ausmacht… Trotzdem Danke für diesen abschließenden Nachtrag.

  5. Danke für die Antwort auf meinen Kommentar; allerdings beruhte dieser offenbar eh auf einem Missverständnis meinerseits: In der Reihe geht es demnach v.a. um ‘Gebrauchsliteratur’ und nicht um die sog. ‘hohe’ Literatur, auf die sich mein Kommentar bezog. Wenn man demnach am Geschmack des Publikums vorbei schreibt, wird man also entweder zum frustrierten, misanthropischen Möchtegern-Autor – oder zur frustrierten, misanthropischen Nobelpreis-Trägerin; ihr wisst schon, wen ich meine…

  6. Zitat aus Toms Text: “Aber es ist genauso wahr, dass praktisch täglich weitere Subgenres definiert werden, dass pro Woche ein, zwei neue Verlage auf den Markt drängen, die Nischen beackern, deren Existenz vorher niemand auch nur geahnt hat – und dass sich auch große Verlage experimentierfreudig zeigen.”

    Na, das hört sich doch gar nicht mehr so pessimistisch an, wie es manchmal dargestellt wird.

    Danke für den interessanten Nachtrag. Auch ein paar Schmunzler waren drin – was will man mehr.

  7. Herr Liehr, ich möchte ihnen für diesen oder diese Beiträge danken und bin überrascht, dass sie teilweise eine so enorme Empörung hervorrufen. Jeder der sich mit Schreiben intensiv beschäftigt weiß, dass die Beziehung zwischen Autoren/Verlagen ein sehr verwirrendes Geflecht ist, welches niemand exakt definieren kann. Auch sind die Auswahlkriterien nicht ansagbar. Das Aufgrund Ihres Beitrages solche Kritik stattfindet, unterstreicht nur Ihre Worte. Manche sollten das Schreiben lieber bleiben lassen.

    Herzliche Grüße

  8. Hallo Herr Liehr,

    als ich mit dem Schreiben begann, war ich noch sehr naiv im Bezug auf Buchveröffentlichungen. Ich dachte, eine gute Story genügt.
    Mittlerweile weiß ich, dass ein interessanter Plot allein keineswegs dazu beiträgt, einen Lektor zu beeindrucken.
    Gerne nehme ich Ratschläge an, wenn ich solche als hilfreich betrachte. Negative Kritik, zu meinen Texten, bedeutet für mich nicht, dass meine Arbeiten schlecht sind. Ich lerne eher daraus: Was gefällt dem Leser nicht daran, was möchte er stattdessen?
    Ich habe mich durch das Internet gewühlt und Seiten über Seiten gut gemeinter Ratschläge studiert, wurde dadurch jedoch nur verwirrter.
    Was nicht heißen soll, dass Ihre Reihe überflüssig ist. Nein, ganz im Gegenteil! Neugierig geworden habe ich mir Ihre Homepage angesehen und für mich hilfreiche Tipps ausgedruckt, die ich nun anwende.

    Liebe Grüße Jutta Wölk

  9. Hallo lieber Tom,
    ich bin beeindruckt wie Sie auch für Leienautoren wie mich, klar definiert haben, welch ein schwieriger Weg es ist, sich zu Etablieren. Doch haben mich Ihre Worte bestärkt:
    “Was sonst? Das Leben anpacken, Grenzen überschreiten, sich selbst, die Welt, Träume und Gedanken neu erfinden, den Schritt hinaus, darüber hinaus wagen”, meinen Weg weiter zu gehen…. Ich füge noch hinzu, ” Wege gehen die vorher Undenkbar waren”

    Ich habe mir das Schreiben zu 80% selber beigebracht und trotz aller Widerstände und Harz Iv Empfänger, ein bescheidenes Gedichtband, von 100 Exemplaren, Drucken lassen. ” Ich rief den Fährmann meiner Träume”.

    Ich habe weder professionellen Beistand, noch jegliche Erfahrung im lektorieren eines Buches. So ist ein Buch enstanden, wie auch Sie es beschrieben hatten, “Unverfälscht und persönlichkeitsbezogen”.

    Sie haben mich in meinem Vorhaben bestärkt, meinen Weg unbeirrt, aber mit Bedacht und großer Geduld, weiter zu Schreiten.

    Ein Ziel hatte ich erreicht. Bevor mein Vater in diesem Jahr starb, konnte ich ihm dieses Buch in die Hand geben und sagen ” hier Vadder dein Sohn”. Mein zweites Ziel soll nun sein, den Menschen mit meinen Zeilen zu erreichen.

    Ein langer Weg, aber: Was sonst? Das Leben anpacken, Grenzen überschreiten, sich selbst, die Welt, Träume und Gedanken neu erfinden, den Schritt hinaus, darüber hinaus wagen.

    W. Kresse

  10. Lieber Tom Liehr! Gute Geschichten gut erzählen, das ist eine evidente Anforderung an Literatur, aber eben dieses Evidente kann gar nicht oft genug ausgesprochen werden. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Serie, die Worte sind hart und herzlich, so wie es sein muss, wenn man sich für Literatur engagiert.

  11. Wozu brauchen wir eigentlich Literaturagenten? Haben wir noch Bedarf an poppigen Webseiten, auf denen dann im Menüpunkt “Einsendungen” steht: “Wir lesen Manuskripte weder noch schicken wir sie zurück!” (Habe ich bei einem großen Namen der Branche selbst gesehen.) Spaßeshalber habe ich ein bereits veröffentlichtes Manuskript an einen anderen bekannten Namen der Branche geschickt – die Antwort lautete: “Ihr Buch ist zu anspruchsvoll für die Verlage, mit denen ich zusammenarbeite.” ZU ANSPRUCHSVOLL! Lernt daraus, ihr Autoren: Qualität ist in Deutschland ein Ausschlusskriterium! Legt euch lieber ein Amienglisch klingendes Pseudonym und eine Briefkastenadresse in New York zu, dann werden unsere Agenten und Verlage in jedem eurer Feuchtgebiete bereitwillig grundeln gehen. Hand drauf!

  12. Hallo Herr Liehr,

    mich interessiert immer der Mensch hinter dem Buch. So stieß ich beim Googlen nach Ihnen auf Ihre Nachwuchsautoren-Satire.

    Als passionierte Leserin, die die meisten Blockbuster-Autoren im Regal stehen hat, aber auch “echte” Literatur zu schätzen weiß, habe ich beim Schmökern in den Teilen 1 und 2 immer mal wieder gelächelt. Das Stirnrunzeln begann dann mit Teil 3 – und löste sich auch nicht mehr. Ihre Ausführungen, die ja wohl für angehende Schriftsteller gedacht sind, klingen nach einem Lateinlehrer, der die undankbare Aufgabe hat, Taubstumme zum Großen Latinum zu führen. Dann doch lieber in Rente gehen und das tun, was man gern tut – Tacitus auf lateinisch lesen (oder, in Ihrem Fall: erfolgreiche Bücher schreiben).

    Über die Urteilsfähigkeit von Lektoren zum Geschmack des breiten Publikums mache ich mir jedenfalls so meine Gedanken. “Harry Potter” wurde x-fach abgelehnt – und entwickelte sich dennoch zum FilmFilm in der Buchwelt. Und in der Filmwelt noch dazu. Auch Kathryn Stocketts “Gute Geister” wurde 60 mal abgelehnt, bevor sich ein experimtierfreudiger Verleger fand – und siehe da! Weltbestseller!

    Ich habe mir übrigens den “Nacktbadestrand” gekauft. Eine 78jährige schreibt über ihre Schaufelphantasien, ihren Heimatort und Männer – die Autorin betreibt also die von Ihnen als Faux-pas bezeichnete Nabelschau zwanzig Zentimeter weiter nach unten gelegt. Dennoch steht es auf der Spiegel-Beststellerliste. (Ich mochte das Buch nicht. Ab Seite 50 fühle ich mich wie in einer Endlosschleife.)

    Ich lerne, dass weder erfolgreiche Lektoren noch erfolgreiche Autoren immer wissen, was erfolgreich werden könnte.

    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ganz viel Erfolg mit Ihrem nächsten Buch!

  13. Herr Lier, was Sie an dieser Stelle sagen : “Die Verlage können es sich wirtschaftlich nicht leisten, in mehr als eine Handvoll neue Autoren pro Jahr zu investieren, weil sich Debüts sehr, sehr viel schwerer durchsetzen als Romane bekannter Autoren – mit ungewissem Ergebnis.”
    Diese Aussage ist völlich richtig: Ich habe sie so wortwörtlich von meinem Verleger gehört, als ich (Fach-und Sachbuchautor) mit einem historischen Roman bei ihm vorsprach.
    Er hat mir auch genau die gleichen anderen Kriterien genannt, die Sie zitieren: die Autorenpersönlichkeit, die Schwerpunkte im jeweiligen Programm, das Genre, iterne Konkurrenz und so weiter…..

    Da ich allerdings als Sachbuch-Autor den ‘Fuß in der Tür’ habe, erging es mir natürlich besser, als vielen Autoren, die erst einmal die Hürde ‘Manuskriptverschickung’ an x Verlage überspringen müssen. Wir marschierten also los ins Lektorat des anderen Verlages der großen Buchgruppe, in der Romane gemacht werden und mein historischer Roman (den mein Verleger zuvor selbst aufmerksam gelesen und in jeder Beziehung für gut befunden hatte) wurde direkt einem Lektoren in die Hand gedrückt, mit der Bitte sich doch umgehend um das Manuskript zu kümmern.
    Gesagt, getan!
    Auch der Lektor fand diesen historischen Roman in jeder Beziehung gut und gab ihm das ‘go’. Also ging das Manuskript aufwärts in die Programmkonferenz. Auch dort bekam es in jeder Beziehung eine absolut positive Bewertung, ausser in Einer: Interne Konkurrenz mit einem für gutes Geld aus dem Ausland eingekauften Buch, das im Ausland selbst sehr gut verkauft worden war, dem Verlag also in Gewisser Hinsicht in Aussicht stellte, sich auch in Deutschland gut zu verkaufen und somit Geld einzubringen. Ich dagegen stünde als ‘unbekannter Autor’ (Sach-und Fachbuchautorenschaft zählt hier übrigends nicht) in dessen Bewerbung und Aufbau mehr Mittel investiert werden müßten, als in den etablierten ausländischen Autor. Also das ‘No Go!’ für meinen historischen Roman.
    Aufgrund der positiven Resonanz bei den Profis im Verlag X wollte ich allerdings nicht aufgeben. Also besorgte mir mein Verleger einen Literaturagenten (exzellente Agentur mit ausgezeichnetem Namen). Da ich mit dem berüchtigten Vitamin B bei der Agentur angekommen war, kümmerte man sich dort in beeindruckender Art und Weise um mein Werk (ohne dafür auch nur einen Pfennig zu fordern, ausser eben den 15% im Erfolgsfall, falls es zu einem Vertrag mit einem Verlag kommt).
    Trotz intensiver Agenturarbeit und insgesamt 18 Verlagen, denen das Manuskript vorgelegt wurde (sämtliche großen Publikumsverlage und auch zwei kleine, gut etablierte Spezialisten) ist das Mansuskript heute drei Jahre später immer noch nicht verkauft.
    Keiner der Verlage, bei dem es vorgelegt wurde, hat jemals auch nur ein negatives Wort zur Qualität der Arbeit gesagt. Alle haben es sehr positiv bewertet, aber bei allen war da eben der Punkt ‘Wirtschaftlichkeit’ der am Ende die Absage einbrachte. Es ist nun einmal einfach wesentlich teurer und riskanter einen unbekannten Autoren in einem etablierten Genre so weit zu vermarkten, als das er gegen die etablierten Autoren ausreichend rentabel wird um für einen Publikumsverlag wirklich interessant zu sein. Und -hier Herr Lier haben Sie einen Punkt vergessen, der vielen unbekannten deutschen Autoren das Leben schwer macht – es ist einfach sicherer und preisgünstigerin den bewährten Genres Auslandsrechte aus den angelsächsischen Ländern einzukaufen und lediglich die Übersetzung ins Deutsche zu finanzieren, anstatt bei einem deutschen Autoren, den man im Bereich Verkaufszahlen nur schwer einschätzen kann Geld in Marketing etc. zu investieren.

    Angelsächsische Autoren, die aufgrund der weltweit einfach zugänglichen Sprache für einen enormen Leserkreis gezeigt haben, welche Verkaufszahlen (auf Deutschland umgerechnet) erwartet werden können, sind wirtschaftlich für die Verlage sicherer, als Autoren, die in Sprachen arbeiten, die nur einen beschränkten Leserkreis direkt ansprechen. Hierzu gehören nun einmal auch Deutsch, Spanisch und auch Französisch, trotz ihrer weiten Verbreitung.

    Ein weiterer Punkt, den Sie vielleicht hätten erläutern sollen: Das Genre!

    Auf dem heutigen Buchmarkt finden Sie zwar alle Genres, doch die Mehrheit der Leser interessiert sich -oftmals in Anlehnung an internationale Filme, die in den Kinos laufen – für eine beschränkte Anzahl im ausreichenden Maß, um den Verlagen Wiortschaftlichkeit zu gewährleisten. Hier sei nur einmal kurz an den Fantasy-Boom erinnert, der durch die Verfilmung von Tolkien’s Herrn der Ringe direkt ausgelöst wurde.
    Der Vampirbuch-Boom wurde durch die Verfilmung der US-amerikanischen Twilight Saga auf dem deutschen Markt ausgelöst.

    Dies sind Fakten, mit denen Autoren von Publikumsliteratur einfach leben müssen: Ausser Qualität zu produzieren, die Veröffentlichungskriterien zu 100% entsprechen, muß auch das richtige Manuskript genau im richtigen Augenblick bereitliegen und dann dem richtigen Verlag vorgelegt werden.

    Dies ist natürlich ein Glücksspiel….genauso, wie Lotto. Nichtsdestoweniger gibt es jede Woche einen Gewinner beim Lotto. Genauso gibt es in jedem Frühjahrs und Herbstprogramm einen Gewinner unter den Autoren.

    Man muß nur ein guter Verlierer werden und etwas Durchhaltevermögen zeigen, vielleicht kommt dann ja für einen Autoren der Tag, an dem er im richtigen Augenblick das Richtige anbieten kann. Frustriertes Nörgeln hilft hier nicht. Davon werden übrigends auch die Manuskripte nicht besser….

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