»Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Abgeordneten bei ihrer politischen Arbeit in Parlament und Wahlkreis durch Fachinformationen, Analysen und gutachterliche Stellungnahmen.« So ist es auf der Website des Deutschen Bundestages zu lesen.
Für die Abgeordneten und für den Normalbürger steht aktuell ein Infobrief zum Download bereit: »Das Für und Wider der urheberrechtlichen Diskussion im Zusammenhang mit dem “Heidelberger Appell”« (PDF, 175 kByte).
In dem Dokument analysieren die beiden Autoren Roger Cloes und Christopher Schappert die Kritikpunkte des Heidenberger Appells an der Google Buchsuche und dem Publikationsmodell Open Access.
Das Urteil zu Letzterem ist eindeutig: »Die Kritik an Open Access kann kaum nachvollzogen werden«, heißt es im Infobrief. Und auch die Google Buchsuche und das unerlaubte Scannen urheberrechtlich geschützter Bücher kommt in dem Dokument erstaunlich gut weg.
Lektüre lohnt, um Problematik besser zu verstehen
Da sich der Infobrief an Abgeordnete des Bundestages richtet, die von der Materie keine Ahnung haben und die dennoch mitreden wollen oder müssen, ist der Text sehr allgemeinverständlich gehalten. Juristen könnten ihm womöglich vorwerfen, dass er das Google Book Settlement und die rechtlichen Probleme sehr vereinfacht darstellt, dennoch lohnt die Lektüre für alle, die die Problematik besser verstehen wollen.
Obwohl in der Analyse betont wird, dass das Scannen urheberrechtlich geschützter Werke nach deutschem Recht nicht zulässig wäre und selbst die amerikanische Copyright-Sonderregelung des »Fair Use« diskutiert werden kann, auf die sich Google bei der Scan-Aktion beruft, und obwohl die Studie auch keinerlei Zweifel daran lässt, dass Google mit dem Projekt klare kommerzielle Ziele verfolgt, sehen die beiden Verfasser im Google-Projekt Vorteile.
Lob für Google und -kein Wort von libreka
Die positiven Aspekte der Google Buchsuche und einer rechtlichen Einigung mit amerikanischen Autoren und Verlagen sind demnach, dass »verwaiste« Werke, bei denen sich Urheber- oder Rechteinhaber nicht mehr ermitteln lassen, endlich wieder zugänglich sind.
Gelobt wird auch die Transparenz des Google-Zahlungsmodells, und die Studie weist darauf hin, dass es seitens der Verlage keine alternativen Vorschläge und digitale Vertriebslösungen gibt. Dass im Dokument die Download-Lösung des Deutschen Buchhandels »libreka« nicht erwähnt wird, dürfte die Lobby-Vertreter der Verlage ärgern.
Stärkt die digitale Vermarktung die Nachfrage nach nicht digitalen Werken?
Im Fazit des Infobriefs ist zu lesen: »Die Vorteile der Digitalisierung und digitalen Vermarktung urheberrechtlich relevanter Werke für Urheber und Verwerter werden in der gegenwärtigen Diskussion weitgehend ausgeblendet. So wird dadurch oft auch die Nachfrage nach den Werken in nicht digitaler Form wie z. B. nach Druckerzeugnissen gestärkt. Der Online-Buchhandel verzeichnet derzeit mit 20% die höchsten Zuwächse in der Buchbranche. Außerdem bietet das neue Medium vielen Autoren eine kostengünstige alternative Plattform, die keinen Verleger oder Verwerter für ihre Kreativwerke finden.«
Den Nachweis, dass es diese Nachfrage-Steigerung tatsächlich gibt und dass ein Zusammenhang mit den Zuwachsraten des Online-Buchhandels besteht, bleiben die Verfasser jedoch schuldig. Und ist die immer wieder gern angeführte »kostengünstige alternative Plattform« Internet mit einer Verlagsveröffentlichung vergleichbar?
Doch auch eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Autor und Verlag, wie sie für Roland Reuß, dem Initiator des Heidelberger Appells, bestehen sollte, wird in der Analyse angezweifelt.
So ist in der Passage zum Thema Open Access zu lesen: »Im [Heidelberger] Appell wird nicht erwähnt, dass es zwischen Autor und Fachzeitschriftverlag oft ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis zu Lasten des Autors gibt«. Auch sonst demontiert der Infobrief die Argumente der Open-Access-Kritiker, seien es die Kosten für die Infrastruktur oder die angeführte Benachteiligung der Fachverlage.
So kommen die beiden Autoren Roger Cloes und Christopher Schappert zum Fazit: »Bei näherer Betrachtung der urheberrechtlichen Kritik an den beiden im Zentrum stehenden digitalen Publikationsmodellen – Google Buchsuche und Open Access – lassen sich allerdings neben urheberrechtlich problematischen Vorgängen aber auch zahlreiche positive Entwicklungen erkennen.«
Und weiter heißt es: »Mehr Transparenz in den nationalen Verwertungssystemen, wie es die Enqête-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages 2007 empfohlen hat, würde sicherlich zu mehr Objektivität in der Diskussion beitragen. Neben der Transparenz der Google-Urheberrechtsvergütung ist besonders positiv hervorzuheben, dass Google erstmals eine praktikable Lösung für vergriffene Bücher anbietet und Rechteinhabern neue Einnahmemöglichkeiten verschafft, die es bisher nicht gegeben hat.«
Den Kritikern am Heidelberger Appell dürfte dieser Infobrief gefallen, obwohl man sich doch fragen muss, ob die Google-Initiative von den Autoren nicht zu sehr durch die rosarote Brille gesehen wird, da sich die angedeuteten positiven Aspekte erst in der Praxis zeigen müssen.
Komisch, der Link auf das Dokument beim Bundestag ist tot; wurde das Dokument zurückgezogen?
Sehr geehrte(r?) R. Wadel,
vielen Dank für diesen Hinweis. Die komplette Website des Deutschen Bundestages wurde am 12. August 2009 neu gestaltet (Relaunch). Offenbar änderten sich auch sämtliche URLs der Seiten und Dokumente. Das Dokument ist weiterhin vorhanden, jedoch an anderer Stelle. Wir haben den Link zum Dokument oben entsprechen angepasst.
Auch der Eingang zitierte Text ist so nach dem Relaunch nicht mehr auf der Website zu finden. Er wurde jedoch im Artikel nicht angepasst, da er zum Zeitpunkt, an dem dieser Beitrag verfasst wurde, so aktuell war.
Herzliche Grüße
Redaktion literaturcafe.de