Den Lemmingen gleich unterzeichnen derzeit Autoren und Verleger den sogenannten »Heidelberger Appell«. Unter den bislang über 1.300 Unterzeichnern finden sich bekannte Namen wie ZEIT-Herausgeber Michael Naumann, der Verleger des Hanser Verlags Michael Krüger oder Bestseller-Autor Daniel Kehlmann. Was solch honorige Menschen unterschreiben, kann nicht schlecht sein und schließlich ist der Appell mit einem »Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte« überschrieben. Welcher ernst zu nehmende Autor würde sich dagegen aussprechen?
Doch leider vermengt der vom Heidelberger Professor Roland Reuß initiierte Appell – unwissentlich oder mit voller Absicht – berechtigte mit durchaus zweifelhaften Forderungen.
Zudem besteht die große Gefahr, dass Verlage und Schriftsteller naiv und unwissentlich mit dem Appell die Zensur in Deutschland weiter vorantreiben könnten. Denn schon jetzt sind durch die politische Diskussion um Kinderpornofilter Begehrlichkeiten geweckt, den Internet-Nutzern auch den Zugriff auf urheberrechtlich geschütztes Material zu blockieren, wo die technischen Mittel doch schon mal da sind. Da sich der Heidelberger Appell an die Politik richtet, kommt ein solcher Text den Zensurbefürwortern nicht ungelegen. Schriftsteller und Verlage, die für das freie Wort stehen sollten, arbeiten so unwissentlich den konservativen Zensurbefürwortern zu.
Aber was ist der Heidelberger Appell genau und wo liegt seine Gefahr? Was bedeutet »Open Access« und warum hat dies mit der Google Buchsuche nichts zu tun?
Interview mit Urheberrechtsexperte Matthias Spielkamp als Podcast-Sonderfolge
Wir haben zu diesem Thema einen Urheberrechtsexperten befragt: Matthias Spielkamp ist Journalist und einer der Gründer und Herausgeber der Website iRights.info. Seit Jahren informiert diese mit dem Grimme Online Award 2006 ausgezeichnete Website über das Urheberrecht in der digitalen Welt. Wie können die Urheber ihre Rechte schützen? Welche Veränderungen ergeben sich durch das Netz? Was muss ich als Musik- oder eBook-Fan beachten? All diesen Fragen geht die Website nach. Bereits vor einiger Zeit haben wir im literaturcafe.de auch das Buch zur Website empfohlen, das in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung entstanden ist. Zu einem Selbstkostenpreis von 2 Euro erhält man wertvolle Infos.
Da Urheberrecht und Übereifer um dessen Schutz wichtige Themen sind, gibt es das ausführliche Interview mit Matthias Spielkamp als Podcast-Sonderfolge.
Die nächste reguläre Podcast-Folge dann in einigen Tagen.
Links im Web
- iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt
- Artikel auf iRights.info von Matthias Spielkamp über den Heidelberger Appell
- Stein des Anstoßes: Der Heidelberger Appell
Richtig gutes, ausdifferenziertes Gedankenfutter (auch aus juristischer Sicht) zum Thema Publikationsfreiheit und ihre Grenzen findet ihr in diesem Interview über Open Access, Google, Raubdrucke und das Urheberrecht von Thomas Anz mit Albrecht Götz von Olenhusen, einem Mitunterzeichner des Heidelberger Appell, in der aktuellen Literaturkritik.de:
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=12964
Habe mir das Interview gerade angehört und muss sagen, das war eine wirklich interessante Sondersendung! Endlich mal eine differenzierte Betrachtung der Sachlage und nicht nur polemisches Daherpalaver.
Wäre es nicht auch möglich, das sich die ach so naiven und unwissenden Lemminge durchaus etwas bei dem gedacht haben, was sie taten? Dass Naumann, Krüger, Kehlmann & Co. genügend Intellekt besitzen, über den Tellerand zu denken?
Eine solch unjournalistische Attitüde von Abwertungen macht leider wenig Appetit. Bei diesem Thema wäre Sachlichkeit angebracht, nicht das emotionale Wegbeißen künstlich aufgebauter, angeblicher Gegnerschaften. Zum Glück gibt es inzwischen auch Dialoge.
Mir hat diese Sonderfolge sehr gut gefallen und ich meine, aus dem Gespräch auch zwei Seiten dieses Appells heraus zu hören und eben nicht nur “emotionales Wegbeißen”. Matthias Spielkamp hat mir Pro und Kontra des Appells erläutert und welche Meinung er in Sachen Urheberrecht hat – meine Meinung muss ich mir natürlich selber bilden und auch ich bin hier zwiegespalten.
Vielen Dank für dieses äußerst informative Interview!