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Textkritik: Sattgelesen – Lyrik

Eine Textkritik von Malte Bremer

Sattgelesen

von Sebastian Leiß
Textart: Lyrik
Bewertung: 1 von 5 Brillen

Ethischeprosa?
Tückischesrosa!
Lärmendesmofa!
Seidenessofa?
Schreinachjehova?

moralischelyrik?
sperrangelweittürig
verbesserungsgierig!
denkprozesslangwierig,
nachgeschmackpapierig,
bewertungsehrschwierig!

© 2004 by Sebastian Leiß. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Der Schuss geht teilweise sehr nach hinten los!
Die wenigen netten Einfälle werden gleich wieder zugemüllt: es gibt keinen Grund, sich mit einem halb fertigen Gedicht über halb fertige andere Texte zu mokieren! Sollte der Text eine Parodie sein, hätte ich gerne den Lyrikteil in Prosa und den Prosateil in lyrischer Form gelesen; oder ich hätte nur über moralische Lyrik ein – dann aber wirklich astreines – Gedicht gelesen, oder über ethische Prosa einen astreinen Prosatext, jeweils ohne Zeigefinger: denn dieses Gedicht gehört einwandfrei zu den moralischen, an denen sich so mancher bereits sattgelesen hat (während andere wiederum den Hals aber auch gar nicht voll kriegen können).

Die Kritik im Einzelnen

So, sattgelesen hat sich da ein Systematiker, und so bastelt er zunächst und fein eine kleine Strophe für die Prosa zusammen, in der jedes Kunstwort groß geschrieben ist; Thema ist offenbar »ethische Prosa«, und gemeint ist wohl Moralisierendes – so genau weiß ich das allerdings auch nicht. Eine Auskunft über die Qualität solcher Prosa versuchen zwei Ausrufe: Tückischesrosa und Lärmendesmofa; der erste dieser Aufschreie soll wohl den Kitsch-Bereich kennzeichnen, der zweite – ja, was? Das großmäulige Auftreten? Das zaunpfahlwerfende Nicht-von-der-Stelle-Kommen, weil neue Einsichten weder gewonnen noch verstreut werden? Immerhin bewegt sich ein Mofa, wenn auch nur gemächlich! Seidenessofa wird wie die erste Zeile mit einem Fragezeichen versehen – warum nur? Ist damit gemeint, dass in der »ethischen Prosa« Bordell-Einrichtungsgegenstände im Vordergrund stehen oder gerade nicht? Oder dass bestimmte Partnerübungen auf Sofas nicht beim Namen genannt werden, dafür aber alle auf einem solchen (Sofa, nicht Namen) gediegen hocken und moralisieren? Mit diesem Wort kann ich am wenigsten anfangen, ich nehme an, hier war der unreine Reim alleiniger Urheber des Einfalls. Schreinachjehova wiederum passt gut zu jeder Art ethisch-moralischer Äußerung, schließlich hat der HErr uns den Weltuntergang fest zugesagt, komme, was da wolle – und nur die Reinen werden überleben! Rätselhaft bleibt hier, wieso an diesem Schrei ein Fragezeichen klebt: dieses Kunstwort hätte ein wesentlich fetteres Ausrufezeichen verdient als Tückischesrosa und Lärmendesmofa zuammen!!! zurück
Jetzt kriegt die moralische Lyrik ihr Fett weg: zunächst einmal wir eine inhaltliche und formale Parallele hergestellt zur ersten Zeile des Prosa-Abschnittes: sie endet ebenfalls mit einem Fragezeichen; und da das Kleinschreib vor allem in der Lyrik grassiert, ist jetzt schön konsequent jedes Wort klein geschrieben. zurück
Hier enden bereits die Parallelen: statt 1 einzeiliges Substantiv (Tückischesrosa) folgen 2 längere Partizipien (die man zudem genau so schreiben könnte), bevor das Ausrufezeichen zuschlägt: inhaltlich stimmt die Aussage sicherlich, dass in moralisierender Lyrik vor allem laut brüllend gepredigt wird (sperrangelweittürig) –  aber das passte wiederum besser zu lärmendesmofa (wenn zu diesem Ungetüm überhaupt etwas passt)! zurück
3 Zeilen werden verbraucht, um endlich zum nächsten Ausrufezeichen zu gelangen; der bisherige Rhythmus wird aufgegeben (wie häufig bei Gedichten, in denen irgendeine Art Botschaft mit Gewalt den arglosen Lesern ins Auge gedrückt wird), und  auch die Partizipien können nicht durchgehalten werden, denn die letzte Zeile kommt als eine Ellipse daher, die grammatikgemäß so auch nicht geschrieben werden kann: damit wird wieder ein Bogen geschlagen zum ersten Abschnitt. Auf weitere Zeilen mit Fragezeichen am Ende warten wir nicht vergebens – ich bin nicht unglücklich darüber. Aber eins weiß ich genau: die Bewertung solcher Texte ist überhaupt nicht schwierig, wie Sie oben lesen können! zurück

© 2004 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.