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Textkritik: Innenhof der Bibliothek mit wenigen überflüssigen Wörtern

Wasser ist nass, Schnee ist kalt und Vergissmeinnicht ist blau. Das weiß man und das muss man nicht sagen.

Hinterfragen Sie in einem Gedicht jedes Wort. Nie sollte eines als Notreim dienen oder überflüssige Adjektive des Rhythmus‘ wegen im Satz verbleiben. Es gibt immer bessere Alternativen – zumindest für den guten Dichter.

In der heutigen Textkritik hat Malte Bremer jedoch nur wenig Überflüssiges gefunden.

Innenhof der Bibliothek

von Gabriele Knoten
Textart: Lyrik
Bewertung: 4 von 5 Brillen

graue Pflastersteine im Geviert
in der Nessel die Hummel
die Vergissmeinnicht
leuchten blau

dicke Buchsbaumkugeln
am Pflasterweg
das Steintier, gekrönt,
frisst die Mondsichel

im Viereck der Häuser
schläft der Sonnenschirm
aus uralten Fenstern
schauen die Bücher

© 2012 by Gabriele Knoten. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Feines Simmungsbild

mit wenigen überflüssigen Wörtern

Die Kritik im Einzelnen

Dass Vergissmeinnicht in Blautönen leuchten, ist trivial, da redundant wie kalter Schnee oder grünes Gras. Ich würde sie einfach nur leuchten lassen und zudem den bestimmten Artikel entfernen: Bei der Nessel leuchtet dieser ein, da es sich offenbar um eine Nessel handelt, in der eine Hummel zugange ist – dadurch werden beide zu etwas Besonderem. Problem: Dann würde eine Zeile wegfallen, es sei denn, man verteilt Vergissmeinnicht leuchten auf zwei Zeilen. zurück

Auch hier ist das dick bei den Buchsbaumkugeln eines dieser völlig nichtssagenden Adjektive: Wer bei Buchsbaumkugel nicht automatisch an dick denkt, weiß entweder nicht, was ein Buchsbaum ist, oder – ganz doll schlimm – was eine Kugel ist … zurück

© 2012 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.