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Textkritik: Die Männer aus der Kneipe – Prosa

Eine Textkritik von Malte Bremer

Die Männer aus der Kneipe

von Radafir Adashami
Textart: Prosa
Bewertung: von 5 Brillen

Jeden Samstag sitzen die beiden Männer in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße, so als ob sie nichts Besseres zu tun hätten. »Hallo« sagte der Eine zum Anderen, der den Gruß ebenso freundlich erwiderte. Dann setzte sich der Andere zum Einen an den Tisch und nahm Platz. »Wie geht’s? Wie steht’s?« wurde der Eine vom Anderen gefragt und wie jeden Samstagabend in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße antwortete der Andere mit »Geht schon.«
Nachdem sich die beiden Männer über ihr Wohlbefinden aufgeklärt hatten, wurde eine schwer wiegende Frage in den Raum gestellt. Da jedoch keiner so genau wusste, wer sie dort abgestellt hatte, schob sie der Eine unter den Tisch. Schließlich wollte er nicht verantwortlich für etwaige Stolperverletzungen sein. Schon im nächsten Moment hatten sie die Frage wieder vergessen und der Eine erkundigte sich beim Anderen: »Bist du schon einmal … ? Na du weißt schon.« Vermutlich wusste der Andere tatsächlich was der Eine gemeint hatte und antwortete: »Nein«. »Noch nie?« hakt der Eine nach. »Nein, noch nie«, bestätigte der Andere dem Einen, der es nicht für wahr haben wollte. »Aber hast du nicht … ? Ich meine das kann doch passieren.« behauptete der Eine, der mit absoluter Gewissheit von seiner Vermutung überzeugt war. Der Andere stutzte einen Moment und erklärte dem Einen, dass es möglich wäre, ihm selbst aber sei es noch nie passiert. Die beiden Männer ließen einen Moment von sich ab und schauten sich in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße um. Als sich die Blicke des Einen mit dem Anderen kreuzten und sich etwas ineinander verhakten, meinte der Andere: »Was ist mit dir?« Dabei musterte er sein Gegenüber sehr genau und versuchte seinen Blick zu entwirren. »Was soll mit mir sein?« entgegnete der Eine, ohne zu erröten. »Ist es dir schon einmal passiert?« ergänzte der Andere seine Frage. Der Eine stutzte einen Moment und spielte mit seinen Fingern Klöppeln. Vorsichtig schaute er nach links, nach rechts und überall dort hin, wo er einen Mithörer vermutete. »Nein« gab der Eine dem Anderen als Antwort und schaute sich nochmals um. »Nein, mir ist es auch noch nie passiert.« fügte der Eine seiner Antwort hinzu, die der Andere mit sichtlichem Erstaunen entgegennahm.
Wieder schauten sich beide Männer in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße um. Plötzlich formte der Eine seinen Mund zu einem verschmitzten Grinsen und kicherte offensichtlich schadenfroh in sich hinein. »Was ist los?« fragte der Andere den Einen mit steigender Neugierde. »Ich glaube dem dort drüben ist es gerade passiert.« Dabei deutete er auf einen Mann am Tresen. »Wirklich wahr?« wollte der Andere wissen und legte vorsichtshalber auch schon mal ein schadenfrohes Grinsen ins Gesicht. Der Gedanke an das Missgeschick von dem dort drüben stimmte den Anderen heiter. »Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.« Der Eine war sich noch nie so sicher gewesen. Doch der dort drüben ließ sich nichts anmerken. »Ich sagte doch, es kann passieren«, meinte der Eine und forderte eine Bestätigung. Der Andere ließ sich nicht zweimal bitten und sagte »Ja, das hast du.« Noch immer starrten die beiden Männer in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße zu dem dort drüben am Tresen, der noch immer bewegungslos auf seinem Hocker kauerte.
»Meinst du, dass es dem dort drüben peinlich ist?« fragte der Eine den Anderen. »Also mir wäre es bestimmt peinlich.« argumentierte der Andere ohne den Einen anzusehen. Zu sehr war die Aufmerksamkeit auf den dort drüben gerichtet. Plötzlich begann dieser auf seinem Schemel hin- und herzurutschen. »Jetzt hat er es bemerkt« meinte der Andere und der Eine sagte: »Woran merkt man es denn?« Der Andere schaute den Einen ungläubig an und antwortete: »Ich weiß es nicht. Mir ist es noch nie passiert.« Wieder richteten sie ihren Blick auf den dort drüben am Tresen. Und noch immer rutschte dieser auf seinem Hocker umher. Nach einer kurzen Weile schaute sich der dort drüben zögerlich um. Auch der Eine drehte seinen Kopf, um nicht als Beobachter entlarvt zu werden. »Ich glaube du hast Recht.« gab der Eine dem Anderen als Bestätigung. »Womit?« fragte der Andere. »Er hat es bemerkt« meinte der Eine. Die beiden Männer in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße grinsten sich ins Gesicht und nickten zustimmend.
Plötzlich – aber ohne Hektik – kam der dort drüben auf den Einen zu. Der Andere lachte verschmitzt in sich hinein und den Einen aus. Der Eine sank immer tiefer in seinen Stuhl, bis er schließlich unter dem Tisch zum Stillstand kam. Der dort drüben kauerte sich zu dem Einen unter den Tisch und sagte: »Das ist meine.« Er deutete auf die beiseite gestellte Frage. »Natürlich« bestätigte der Eine, der die schwer wiegende Frage unter dem Tisch hervorholte und seinem Gegenüber in die Arme drückte. »Danke« sagte dieser und verschwand. Der Eine setzte sich wieder zum Anderen an den Tisch und grinste ihm ins Gesicht. Doch der Andere war schon auf der Suche nach einem neuen Beobachtungsziel, das irgendwo in der kleinen Kneipe am anderen Ende der Straße auf die eintreffenden Blicke der beiden Männer wartete.

© 2000 by Radafir Adashami. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Diese Erzählung prahlt von Anfang an damit, dass sie was ganz Besonderes sein will, hält aber nicht einmal das Prahlen durch. Offen bleibt, was überhaupt dargestellt werden soll: ein Spiel mit Wörtern? Langeweile? Soll gar nichts dargestellt, sondern halt irgendwie unterhalten werden? Warum nicht: auch schlechte Unterhaltung ist Unterhaltung; wem das genügt: Schlechte Unterhaltung findet sich in dieser Erzählung die Hülle und Fülle!
Kleine Kneipe am anderen Ende der Straße wird in diesem Text als stehender Begriff verwendet – außer in der Überschrift, wo es – wenn überhaupt – vor allem hingehört hätte: die Kneipe wäre damit ein für alle Mal ausreichend gekennzeichnet, und man müsste nicht immer wieder dieses penetrante kleine Kneipe am anderen Ende der Straße lesen: das ständige Wiederholen (auch von der Eine und der Andere an solchen Stellen, wo es zum Verständnis völlig überflüssig wäre) lässt auf einen Erzähler (das bezieht sich nicht auf den Autor!!!) schließen, der sichtbar in den Erzählgang eingreifen und mit aller Gewalt witzig sein will, indem er sich zum Kumpanen der beiden Männer macht; denn er verschweigt absichtlich Dinge, die er weiß, in dem vergeblichen Bemühen, einen Leser zu unterhalten. An dieser Art Langeweile ist nichts Unterhaltsames. Die nervt.
Zusätzlich nervt, dass der Erzähler nur ab und zu witzig sein will und dann möglichst schnell weiter kommen: er müsste mehr Geduld mit sich und größere Ausdauer beim Formulieren haben, er kann das nämlich, es blitzt stellenweise auf! Vor allem sollte er wissen, was er eigentlich will, und dann müsste er die Sprache entsprechend gestalten. Und dem Autor möchte ich in diesem Zusammenhang empfehlen: machen Sie sich ein viel genaueres Bild von dem Erzähler und seinen Absichten! Und verpassen Sie ihm einen Sprachstil, den er auch durchhalten kann!

Die Kritik im Einzelnen

Die kleine Kneipe am anderen Ende der Straße: beim ersten Lesen erinnerte ich mich schlagartig wieder an einen uralten Schlager, den ich als Kind öfter gehört hatte: »Die kleine Kneipe in unserer Straße«, ich höre sogar die Melodie – danke für diese Erinnerung! (Warnung: ich bin kein Fan von Schlagern, wohl aber von Erinnerungen!) zurück
So bezeichnet die Art und Weise, wie jemand sitzt. Als ob kommentiert aber ganz allgemein die Tatsache, dass die beiden da hocken, und nicht die besondere Art des Sitzens: so muss weg! zurück
Der erste Satz beginnt in der Gegenwart: es wird etwas geschildert, was immer so ist. Jetzt wechselt die Erzählung in die Vergangenheit, obwohl bis zum Ende des Abschnittes ebenfalls nur geschildert wird, was immer so ist. Warum der Zeitenwechsel an dieser Stelle? Warum nicht erst im zweiten Abschnitt, wo etwas Neues geschieht? zurück
Wie sich jemand setzen kann und anschließend Platz nehmen, das verstehe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass das Letztere ein Versehen ist (vielleicht ist diese Doppelung aber auch organischer Bestandteil vom erzwungenen Witz in diesem Text – das vermag ich nicht zu entscheiden) zurück
Die Passivkonstruktion ermöglicht es dem Erzähler, erneut Einer und Anderer zu verwenden; ohne diesen Missgriff stünde da ein einfaches er, dass sich logisch-eindeutig auf das Subjekt Anderer des vorhergehenden Satzes bezieht. Aber warum einfach, wenn es auch umständlich geht? zurück
Das kommt davon, wenn man verquast formuliert: eigentlich müsste ja Einer auf die Frage von Anderer antworten, hier beantwortet Anderer seine eigene Frage.
Auch das mag ja beabsichtigt sein aus dem genannten Grund, worauf sich dann die Frage stellte, warum dieser Fehler nur hier auftritt und nicht auch anderswo. Ich werde aber hinfort nicht mehr auf diese Möglichkeit verweisen, denn erstens erklärt sie nichts, und zweitens ließe sich unter dieser Prämisse nur in den Augen dieses Erzählers alles rechtfertigen, in meinen aber nichts. Es ist völlig unergiebig und führte zu dem, was ich dieser Erzählung vorwerfe: nämlich penetrante Wiederholung. zurück
Die beiden Männer haben nicht sich (=sich selbst) über ihr Befinden aufgeklärt, sondern einer den anderen. Der Satz muss heißen: Nachdem die Männer einander über ihr Befinden aufgeklärt hatten (.). Über ihr Wohlbefinden können sie sich nicht aufklären, denn erstens befinden Sie sich nicht wohl, und zweitens ist ja ein Wohlbefinden zumindest zweifelhaft, wenn jemand die Frage Wie geht’s stellt. Wenn es denn Wohlbefinden sein muss, muss das Verb geändert werden: Nachdem die Männer sich einander ihres Wohlbefindens versichert hatten oder Nachdem die Männer ein Wohlbefinden geleugnet hatten. zurück
Hier will der Erzähler ganz doll witzig sein, indem er mit einem Bild spielt. Zunächst wird eine Frage in den Raum gestellt. Das ist als Bild verständlich, es ist eine gebräuchliche Metapher, über die sich eigentlich keiner mehr Gedanken macht. In-den-Raum-Stellen geht wortwörtlich ja nicht, denn Dinge stehen an einem Platz; deswegen heißt es in einer anderen bekannten Redewendung Die Frage schwebt im Raum.
Was macht der Erzähler? Im nächsten Satz verwandelt er die schwer wiegende Frage in ein schweres Ding: die schwer wiegende Frage wird jetzt entgegen dem vorhergehenden Satz nicht mehr in den Raum gestellt, sondern auf den Boden, und da sogar der Erzähler merkt, dass er das ursprüngliche Bild vergewaltigt, macht er aus dem In-den-Raum-Stellen flugs ein abstellen, was etwas völlig anderes ist.
Wozu das Ausgangsbild? Wieso wird diese eh überflüssige Frage nicht direkt auf den Boden gestellt – von mir aus auch eine fettleibige? Wer überhaupt außer den beiden Männern ist in der Kneipe, der diese Bleifrage hätte stellen können? Was soll dieses absurde Element, außer einen verkrampft-originellen Erzählanlass bilden? Statt der Frage hätte Derdortdrüben auch eine tiefgefrorene Kuh abstellen können oder ein kaninchengrünes Skateboard oder weiß der Teufel: all das hätte am Ende ebenfalls Derdortdrüben gehören können, ohne dass sich für den Verlauf der Geschichte irgendetwas ändern würde (außer dass eine völlig missglückte Wortspielerei unterblieben wäre).
Klar, man kann auch über eine Frage stolpern! Ganz toll: noch eine Redewendung untergebracht! Mich aber interessieren zwei andere Punkte viel mehr! Zum einen würde ich gerne wissen, wieso Einer so viel Verantwortungsbewusstsein entwickelt: braucht der Erzähler das, damit dieses Ding elegant unter dem Tisch verschwinden kann und Derdortdrüben es später ebenda finden? Zum anderen frage ich mich: wieso schiebt er es überhaupt unter den eigenen Tisch und nicht unter einen andern, was zudem technisch viel leichter zu bewerkstelligen wäre, nämlich u.U. ohne Aufstehen, denn dieses Ding wird ja geschoben (und nicht gezogen) Oder befand sich das Ding zwischen ihm und dem Tisch – aber wer hätte dann stolpern können? zurück
Weil bisher immer nur von den beiden die Rede war, reicht erkundigte sich völlig aus. zurück
Zwei Personen sitzen jeden Samstag in dieser Kneipe, sie kennen sich also recht gut. Einer fragt »Bist du schon einmal?«, worauf der andere »Nein« antwortet. In dieser Kürze wäre das eine witzige Kommunikation, da der Leser nichts versteht (dabei sicher ähnliche Situationen kennt) und neugierig wird.
Was aber geschieht in dem Text? Zunächst einmal wird der Leser mit dem Vorschlaghammer »Auslassungspunkte« darauf hingewiesen, dass Einer hier etwas auslässt, was er in Gedanken sehr wohl fortführt. Aber das reicht noch nicht! Anschließend wird der Leser von einem (überflüssigen) Verständnis abgehalten, indem Einer seinem Kumpel Anderer kumpelhaft-insiderisch eine Begründung liefert für seine Gedankenpause: »Na du weißt schon.« Was könnte Einer sich während der Punkte gedacht haben? Ich befürchte so was wie:
»Ey, Kumpel, kann das jetzt nicht sagen, weil am Nebentisch sitzt der Erzähler, der würde das dann dem Leser erzählen –  He, stell dich doch nicht so blöd an! Denk doch mal ‘n Sekündchen nach: du weißt doch wohl noch: (es folgt die alles erhellende Aussage Na du weißt schon)«, und Kumpel versteht selbstverständlich.
Doch immer noch nicht genug: Jetzt mischt sich der Erzähler wichtigtuerisch in das Geschehen ein und vermutet, dass Anderer Einer tatsächlich verstanden hat und deswegen »nein« antwortet. Endgültig wird alles, was Humor hätte sein können, ganz unfeierlich zu Grabe geschleift.
Unlogisch von der ganzen Erzählung her ist, warum die Frage nicht so lautet wie im umgekehrten Fall bzw. wie die Aussage, die sich auf Derdadrüben bezieht: »Ist es dir schon einmal passiert?« Hier wäre eine Wiederholung inhaltlich-stilistisch angebracht! zurück
Was wollte Einer nicht für wahr halten? Die Verneinung selbst? Die Bestätigung der von ihm wiederholten Verneinung? Den Wahrheitsgehalt der Äußerung? War seine ursprüngliche Frage also keine echte, sondern eine rhetorische, wenn die Antwort für Einer fest zu stehen scheint? Ich glaube, dass Einer die Antwort einfach nicht glauben konnte (oder fassen oder verstehen oder irgendetwas in dieser Richtung), dass er von der Antwort überrascht war, weil er seinen Kumpel anders eingeschätzt hatte. Das hat gar nichts zu schaffen mit »ich halte für wahr, dass .«) zurück
Erneut hochbedeutungsschwangere Auslassungspunkte, damit der Leser erneut merkt, dass erneut etwas ausgelassen wird, was erneut für das richtige Verständnis wichtig gewesen wäre! Die Aussage von Einer hätte so einfach lauten können: » Aber – ich meine, das kann doch passieren!« Nach dem aber (was hier Überraschung ausdrückte) folgt ein Gedankenstrich: der deutet an, dass Einer nach Fassung und Worten sucht, die er dann schließlich findet: er relativiert seine felsenfeste Überzeugung, das Anderer auch schon einmal gewesen sein müsse, indem er mit ich meine zu verstehen gibt, dass die anschließende Behauptung richtig ist, nämlich dass es hätte passieren können (ich greife hier in die Zeitenfolge ein, denn die Eingangsfrage meint ein Ereignis in der Vergangenheit; folglich muss diese Äußerung sich ebenfalls auf die Vergangenheit beziehen).
Stattdessen spielt sich der Erzähler erneut auf und legt zur Strafe anschließend eine totale Bruchlandung hin: Einer sei mit absoluter Gewissheit von seiner Vermutung überzeugt. Gerade hat er eine Meinung geäußert, die seiner Überzeugung entspricht. Was ist jetzt Vermutung? Und was soll heißen, er ist von seiner Vermutung überzeugt? Heißt das, dass er seine Überzeugung nicht als Vermutung erkennt, sondern für Gewissheit hält (logisch, ist ja auch seine Überzeugung)? Mischt sich etwa schon wieder der Erzähler ein und erklärt dem dummen Leser, dass Einer eigentlich nur eine Vermutung hat, das aber nicht weiß im Gegensatz zum schlauen Erzähler, der es jetzt dem dummen Leser mitteilt: Einer ist von der Richtigkeit (so müsste es aber dann heißen) seiner Vermutung absolut überzeugt (wenn es denn sein muss, auch mit absoluter Gewissheit überzeugt, schließlich ist überzeugt nicht so ganz richtig überzeugt, sondern halt bloß so irgendwie überzeugt). Davon abgesehen habe ich im vorigen Abschnitt nachgewiesen, dass Einer in diesem Augenblick nicht mehr überzeugt ist: das ganze Geraffel des Erzählers ist Sprachmüll. Ich entsorge jetzt mal den Müll und füge zusammen, was übrig bleibt:
Der Eine erkundigte sich beim Anderen: »Ist es dir schon mal passiert?« – »Nein.« – »Noch nie?« hakte der Eine nach. »Nein, noch nie!« bestätigte der Andere. Überrascht rechtfertigte sich der Eine: »Aber – ich meine, dass hätte doch passieren können!« Der Andere stutzte einen Moment (.) Braucht es mehr? Nein, es braucht nicht mehr! zurück
Einen Moment: hatten wir nicht eben erst einen Moment, und kommt nicht gleich wieder ein Moment? Doch! Also streichen! zurück
Wo sonst? Streichen! zurück
Wie entstehen Blindenhunde? Indem man Blicke des Einen mit dem Anderen kreuzt. Wieso auf diese Weise Blindenhunde entstehen? Gute Frage: es können auch tiefgefrorene Kühe sein oder kaninchengrüne Skateboards, denn aus etwas, das es nicht gibt, kann alles entstehen – und niemand wird mir das Gegenteil beweisen können. In seiner Freude, Einer & Anderer endlich wieder in einem Satz stopfen zu können, überzieht der Erzähler den grammatischen Bezug; heißen hätte es müssen: Als sich die Blicke des Einen mit denen des Anderen kreuzten (.). Wenn man jetzt auf die betonte Nennung der beiden Protagonisten verzichtete, könnte es einfach und unkompliziert heißen: Als sich ihre Blicke erneut trafen (.). Übrigens: das Teilsätzchen »und etwas ineinander verhakten« gefällt mir ausgesprochen gut! zurück
Schaute der Andere seinem Gegenüber in die Augen, oder musterte er den ganzen Kerl und immer wieder auch die Augen? Und warum wollte er den Blick des anderen entwirren? War der Blick des Einen etwa verwirrt? Ereignete sich der Blickentwirrungsversuch gleichzeitig mit der Musterung oder ist es sogar ein und dieselbe Tätigkeit, die hier mithilfe von und verdoppelt bzw. nachträglich korrigiert wird? Fragen über Fragen – und keine Antwort in Sicht. zurück
Das ist nachgeradezu vorbildlich: hier beweist der Erzähler, dass er sehr wohl erzählen kann, ohne sich immer einzumischen! »Ohne zu erröten« ist nur deshalb so überraschend und witzig, weil der Erzähler im Vorfeld seinen Zeigefinger nicht darauf richtete, dass Anderer auf eine intime Reaktion gewartet hat. Das macht Hoffnung! zurück
Wenn der kritisierte isolierte kurze Moment tatsächlich – wie oben angeraten – entfällt, kann diese Sequenz als Parallelführung zu Der Andere stutzte einen Moment durchaus bleiben (aber nur dann: andernfalls wäre die dritte Nennung innerhalb dieses Absatzes als Einfallslosigkeit gebrandmarkt). zurück
Klöppeln ist kein Spiel, sondern eine Tätigkeit, die sowieso mit den Fingern ausgeführt wird. Beim Klöppeln bewegen sich die Finger der Könnerinnen sehr schnell, und die Klöppel verursachen dabei je nach Material unterschiedlich klackernde Geräusche. Damit dieser Teilsatz einen nachvollziehbaren Sinn bekommt, würde ich raten: Der Eine stutzte einen Moment und klöppelte mit den Fingern. zurück
Warum schaute er nach links und rechts, warum nicht einfach nur überall dort hin, wo er Mithörer vermutete, was ja und links und rechts einschließt? In diese Richtungen schaut er doch lediglich, weil er dort ebenfalls Mithörer vermutet. Streichen!
Die Nennung der beiden kann wiederum problemlos entfallen, denn es ist eineindeutig, wer gefragt hat und wer antwortet. Also kann es heißen: »Nein.« antwortete er und schaute sich nochmals um. »Nein, mir ist es auch noch nie passiert!« fügte er hinzu.
An dieser Stelle kann Anderer die Antwort nicht mit Erstaunen aufnehmen: das hätte beim ersten Nein geschehen müssen. Der Satz könnte – meinen obigen fortführend – lauten: (…) hinzu, was der Andere mit sichtlichem Erstaunen aufnahm. zurück
Wenn jemand etwas formt, ist das ein bewusster Akt: ist Einer jemand, der bewusst verschmitzt schauen kann? Ich erkenne aus dem folgenden Wörtern allenfalls, dass ihn tatsächlich etwas amüsiert – folglich formt nicht er seinen Mund, um etwas zu demonstrieren, sondern sein Mund verformt sich. Verschmitzt ist was Feines, Grinsen etwas Grobes, In-sich-hinein-Kichern wieder etwas Feines: das Grinsen muss ersetzt werden.
Das Wort offensichtlich kann nur der Wahrnehmung des Erzählers entspringen, der Einers Bemühen witzig kommentieren will: einerseits formt er seinen Mund, andererseits hat er solchen Erfolg damit, dass er unwillkürlich schadenfroh darüber lachen muss (Klar, er lacht aus einem anderen Grund, dann steht offensichtlich aber im Kontrast zu dem vorher gesagten. Der Erzähler möge sich hier besser raushalten). zurück
Weg damit! zurück
So lange dauert Anderers Fragen nicht, als dass während der Artikulation die Neugierde steigen könnte! Vielmehr ist seine Neugierde inzwischen schon so groß geworden, dass er überhaupt auf die Idee kommt zu fragen! Vielleicht (.) fragte der Andere, neugierig geworden. Oder: (.) fragte der Andere, dessen Neugier erwacht war. Oder er fragt ganz einfach neugierig. zurück
Hier wäre es sinnvoll, der Eine zu schreiben, um den Redner deutlich zu kennzeichnen, denn es wäre auch denkbar, dass Anderer in dem Moment, als er die Frage stellt, etwas bemerkt, was er jetzt ohne eine Antwort abzuwarten Einer mitteilt! Zudem leuchtet nicht ein, warum der Erzähler plötzlich darauf verzichtet, Einer & Anderer auftreten zu lassen – daraus muss ich schließen, dass diese penetrante Wiederholung nicht einmal als Stilmittel gelten kann, sondern eher zufällig gestreut ist, wenn es dem Erzähler halt gerade einfällt; das wäre sehr dürftig!  zurück
Für legen gilt das Gleiche, was ich zu formen ausgeführt habe, und zu vorsichtshalber das, was zu offensichtlich zu sagen war. Auch hier will der Erzähler wieder witzig sein. zurück
Es wird allmählich sehr lästig: nachdem Anderer sich vorsichtshalber ein schadenfrohes Lachen aufgelegt hatte, wird in diesem Satz diese angestrengte Spaß-Formulierung wieder zurückgenommen: ein Gedanke stimmte Anderer heiter. zurück
Wer sagt das bitteschön? Wie wäre es mit ein bisschen Stilmittel-Pflege, in dem z.B. zumindest der Redende genannt wird? Aber den Erzähler nerven wohl inzwischen seine ewigen Wiederholungen dermaßen, dass sogar notwendige Nennungen unterbleiben. zurück
Das ist erstunken und erlogen! Ich möchte daran erinnern, dass Einer bereits einmal mit absoluter Gewissheit von seiner Vermutung überzeugt war! zurück
Erraten: streichen! zurück
Hat Derdortdrüben sich im Verlaufe der Erzählung jemals bewegt? Nein! Hat er sich vielleicht im Verlaufe der Erzählung jemals nicht bewegt? Auch nicht! Was soll dann noch immer? Meldet sich hier etwa schon wieder der Erzähler zu Wort? Um dem Leser mitzuteilen: »Ach ja, übrigens, der Typ da am Tresen, der ist schon von Anfang an bewegungslos, quasi schon vor der Überschrift, also schon ne ganze Weile, denk mal an die vielen Wiederholungen, ist zwar eigentlich unwichtig, aber der Vollständigkeit halber will ich es doch erwähnen, der Text wäre ja sonst auch viel zu kurz!«?
Derdortdrüben kauert auf seinem Hocker? Ziemlich unbequeme Haltung, finde ich, so mit angezogenen Beinen zusammengefaltet auf dieser winzigen Barhockersitzfläche das Gleichgewicht halten zu wollen! Und ungeheuer anstrengend dazu – nämlich bewegungslos über längere Zeit. Oder soll das witzig sein? Oder fiel dem Erzähler nichts Besseres ein, um auf seinem Hocker hockte zu vermeiden? Ich schätze mal, es war das Letzte. Warum soll sich ein Erzähler auch Mühe geben, der eh nichts zu erzählen hat! zurück
Wer argumentiert denn hier? Der beantwortet nur eine Frage! Antworten wäre in diesem Fall das Normale; es gibt überhaupt keinen Grund, auf einfache Wörter zu verzichten, wenn sie das Richtige bezeichnen – es sei denn »Witz, komm raus: du bist umzingelt!« zurück
Die Aufmerksamkeit ist allgemeine Aufmerksamkeit: Einer & Anderer schauen also fasziniert dem bewegungslos Kauernden zu; folgerichtig hat bereits Einer Anderer nicht angeschaut bei seiner Frage; warum wird aber erst bei Anderer betont, dass er Einer nicht ansieht? Das bedeutet doch, dass Einer Anderer zumindest ein bisschen angesehen hat! Dann ist aber nicht die Aufmerksamkeit gerichtet, sondern allein Anderers Aufmerksamkeit: es müsste dann seine Aufmerksamkeit heißen. zurück
Wie denn was denn wo denn: Derdortdrüben befindet sich an einem Tresen, richtig? An Tresen findet man gemeinhin Barhocker, also erhöhte Sitzgelegenheiten, die auch kurz Hocker genannt werden können, richtig? Hier verwandelt der Erzähler den Hocker in einen Schemel: Barhocker-Hocker-Schemel. Wie originell: wer nichts zu erzählen hat, reißt Witze. Dieser ist allerdings schon längst erstickt wegen seiner Langatmigkeit! zurück
Der ungläubige Anderer: selbst dieses harmlose Wort wirft ein Problemchen auf in diesem Zusammenhang! Was glaubt er denn nicht? Dass das eine Frage war? Dass Einer gefragt hat? Den Inhalt der Frage? Anderer kann allenfalls überrascht sein ob Einers Frage, denn er hat diesem doch gesagt, dass er keinerlei Erfahrungen mit so was hat – und Einer hat das offenbar wieder vergessen, sonst hätte er diese Frage nicht stellen können. zurück
Rückverwandlung des Schemels? Mehr Synonyme (oder was man dafür hält) fielen dem Erzähler nicht ein? Microsoft empfiehlt: Stuhl, Sitz, Fußbank, Hutsche (???), Bock, Sitzgelegenheit; sogar auf seinem Hintern könnte Derdortdrüben herumrutschen, d.h. eher nein: Derdortdrüben kauert ja noch! Dann wären es doch schon eher die Füße, die mit dem Rutschen zu schaffen hätten. zurück
Das kommt jetzt überraschend: Einer & Anderer glotzen schon eine ziemlich lange Weile, unterbrochen von Hinweisen und Fragen, während Derdortdrüben sich nach einer kurzen Weile zögerlich umdreht. Funktioniert so aber nicht! Ist auch gar nicht gewollt! Gemeint ist, dass irgendwann etwas Neues geschieht außer Glotzen und Herumrutschen, die Dauer bis dahin ist eigentlich völlig unwesentlich. Statt der vom Erzähler goutierten Plattitüde hätte ein schlichtes dann dasselbe geleistet, auch ein schließlich oder endlich würde Neues ankündigen und zusätzlich das Augenmerk darauf lenken, dass sowohl Leser als auch Einer & Anderer etwas erwarten. Nach einer kurzen Weile beschloss ich, den Hyperlink zu setzen. Ja, von wegen, habe Besseres zu tun, muss noch ein paar Wörter schreiben. So: erledigt! zurück
Warum Derdortdrüben sich zögerlich umschaute, wird jetzt erst klar: genau wie Einer wollte er nicht als Beobachter entlarvt werden. Zwar hatte Derdortdrüben bislang nichts dem Leser Bekanntes beobachtet, aber da weiß der Erzähler wie üblich anders und mehr.
Fehlte das irreführende auch und würde Einer nicht den Kopf drehen (währenddessen kann das Objekt nämlich weiter beglotzt werden), sondern seinen Blick abwenden, wäre alles in Butter und Ordnung. zurück
Vorschlag: ganz einfach »bestätigte der Eine dem Anderen« zurück
Das auch? Das auch! zurück
Sie grinsen nicht sich ins Gesicht, sondern einander in selbiges (hatten wir schon irgendwo oben, mag nicht mehr danach suchen). Erstaunlich: Einer & Anderer dürfen ganz schlicht grinsen; nichts müssen sie aktiv dazu tun, weder formen noch legen, sich kein ein Grinsen überstülpen oder ihre Gesichtszüge zurechtbiegen oder ihr Antlitz umgestalten: die Grins-Witzchen sind vergessen, der Erzähler kann nicht mehr, hat sein Witzpulver verschossen. Das macht einerseits Hoffnung, stimmt andererseits aber traurig, da der Erzähler aber auch gar nichts bis zum bitteren Ende durchhält, sondern seinen Fähigkeiten jeden Einfall durchgehen lässt und anschließend gleich wieder vergisst. zurück
Selbst Anderer kann Einer nicht verschmitzt auslachen, also weg mit verschmitzt (hatten wir zudem schon einmal). zurück
Es ist bald schon müßig zu wiederholen, dass wieder einmal etwas unsinnig ist: hier die Verbindung von in seinen Stuhl sinken und unter dem Tisch zu Stillstand kommen. Kein Ding kann gleichzeitig an mehreren Orten sein (wegen der Quantenmechanik sollte ich lieber und vorsichtigerweise Mensch schreiben statt Ding.). Vielleicht hat der Erzähler sich auch nur einen Ruck gegeben, um am Ende noch mal so richtig witzig zu werden. zurück
Wo kommt die her? Wer hat sie beiseite gestellt? Zu Beginn des Textes wurde eine Frage unter den Tisch geschoben: hat die sich vermehrt? zurück
Na wer sagt’s denn: es geht doch mit einfachen Worten (Einer hätte ja wie sein Kumpel Anderer eine Bestätigung liefern können oder Schrecklicheres)! zurück
In seiner Freude und Ungeduld, diesen Text endlich beenden zu können, vergisst der Erzähler, dass beide immer noch unter dem Tisch kauern. Hauptsache, die blöde Frage verschwindet endlich. Mir soll’s recht sein! zurück
Langsam reicht es mit diesem Dauergrinsen! Mir ist es schon seit geraumer Zeit vergangen, und der kann überhaupt nix außer ihm. zurück
Nicht einmal der letzte Satz hat Bestand: ein Beobachtungsziel wartet nicht auf eintreffende Blicke, sondern ausschließlich darauf, angeblickt zu werden. Worauf wartet es also? Auf Blicke.
Aber selbst das ist noch falsch, ich muss mich korrigieren: Beobachtungsziele definieren sich ja nicht selbst, sondern werden durch Beobachter zu solchen ernannt. Folglich können personifizierte Beobachtungsziele nicht darauf warten, angeschaut zu werden, sondern Objekte können darauf warten und hoffen, Gegenstand von Interesse und Blicken zu werden, vielleicht sogar ein reinrassiges Beobachtungsziel. (Endlich ist es geschafft!) zurück

© 2000 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.