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Textkritik: Blecherne Herzen – Lyrik

Eine Textkritik von Malte Bremer

Blecherne Herzen

von Oliver Georgi
Textart: Lyrik
Bewertung: von 5 Brillen

Fließbandstraßen durchziehen die Landschaft
Wie bleierne Quecksilberströme;
Zäh, stickig, Leben atmend.
Fortschritt, soweit das Auge reicht;
Das Duell gegen die Bequemlichkeit
Längst verloren; mit stumpfen Waffen gekämpft.
Das Visier nur halbherzig heruntergeklappt;
Der Tellerrand als Kosmos reicht uns
Völlig aus.

Hetzende, handybehängte Menschen eilen durch
Bunte, farblose Gänge; kommunizierend –
das Handy als Tor zur Welt.
Erreichbar zu sein – was für ein Segen.
Nur noch Stand-by erlaubt; sprechen miteinander in
Jeder Sekunde, und doch sagen wir uns nichts.
Weben einen fiependen Maschendraht des Miteinanderseins
Um unsere dürstende Seele;
Ein Harnisch nur für blecherne Herzen.

Und doch – noch nicht alles verloren.
Lass uns eine Oase sein in der steinernen Wüste
Der Alltäglichkeit; ein Leuchtturm, umtost von
Der brüllenden Brandung der Konformität.
Kein Harnisch nötig; seelenverwandt – kein Handy der Welt
Kann leisten, was uns schweigend gelingt –
Kommunikation ursprünglich, unverfälscht –
Transmitter nur störend.
Lass mich in Deinen Augen lesen wie in einem Buch
Lass uns den Tellerrand sprengen.

© 2001 by Oliver Georgi. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Grober Unfug.

Ein paar Alliterationen, ein paar Paradoxa, eine ausgeprägte Händiphobie und wandernde Straßen machen noch lange kein Gedicht. Dieses Gedicht ist nicht zu retten, dazu ist es viel zu wichtigtuerisch. Wer will, kann daraus lernen, dass er seine Einfälle nicht einfach stehen lässt, sondern sie in einen schlüssigen Zusammenhang einarbeitet! Ein dauernder Wechsel der Bilder führt in der Regel zu unfreiwilligem Nonsense.
Zum Theme »Liebe in schwierigen Zeiten« empfehle ich stattdessen dieses Gedicht von Else Lasker-Schüler aus dem Jahre 1902:

Weltende

Es ist ein Weinen in der Welt,
als ob der liebe Gott gestorben wär,
und der bleierne Schatten, der niederfällt,
lastet grabesschwer.

Komm, wir wollen uns näher verbergen.
das Leben liegt in aller Herzen
wie in Särgen

Du! Wir wollen uns tief küssen –
es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
an der wir sterben müssen

Die Kritik im Einzelnen

Wenn einfache Straßen die Landschaft durchziehen, wäre das Bild schon hart an der Schmerzgrenze; schließlich ziehen Straßen und Wege üblicherweise sich durch Wälder und Felder, oder sie durchschneiden sie und dergleichen mehr. Eine Personifizierung aber der Straßen, die als totum pro parte (das Ganze steht für das Einzelne: hier sind wohl »Blechkarossen« gemeint, gesteuert von denen mit den blechernen Herzen oder von den blechernen Herzen – dann hätte ich nämlich auch noch an das pars pro toto erinnert, wo ein Einzelnes – hier das Herz – für das Ganze stünde: den Chauffeur) durch die Gegend ziehen, also. ich weiß nicht, ob ich damit mich anfreunden kann. Zumal es ja nicht nur dieses Bild allein ist, denn:
es sind ja nicht hundsgewöhnliche Straßen, die da durch die Natur trampeln: es handelt sich um Straßen, die sich selbst bewegen, eben um Fließbandstraßen! So etwas soll es auf Flughäfen geben, habe ich irgendwo gelesen, und natürlich in SF-Romanen: Rollbänder nennt man das wohl! Wenn also diese sich selbst bewegenden Bänder sich gleichzeitig von ihrem Standort fortbewegen, verpufft jede Wirkung: das wirkt nur noch aufgeplustert, da ist ein gehörig Übermaß an Bewegung drin; und die Wortschöpfung Fließbandstraße verdient die Bezeichnung Schöpfung nicht, dazu sind die beiden Begriffe viel zu eindeutig und ähnlich, als dass eine Verbindung irgendeinen Sinn ergeben könnte. zurück
Durch die Landschaft spazierende und in sich selbst rotierende Fließbandstraßen schienen als Bild noch nicht stark genug, deswegen muss dieser wüste Wust jetzt verglichen werden, um den wahren Sinn zu offenbaren: denn wie laufen diese Gebilde? Sie ziehen wie Quecksilberströme! Die sind aber offenbar nicht giftig genug: da muss noch eine kräftige Portion Blei dazu: die Quecksilberströme sind nämlich bleiern.
Haben wir es hier mit einem metallurgischen Gedicht zu tun? Fließband, Blech, Blei, Quecksilber? Klar: Blei (schwer und grau) bildet einen tollen Kontrast zu Quecksilber (flink und silbern), beide sind ziemlich giftig, und wenn so etwas durch die Landschaft zieht, geht die natürlich kaputt – wer hätte das gedacht! Jetzt gehen uns aber die Augen auf und über: die Blechbeherzten verpesten die Umwelt mit ihrem bleifreien Benzin auf den quecksilberhaltigen Straßen, die sich zum Glück nur langsam bewegen.
Schön; die bösen Umweltverschmutzer haben das übliche Fett auf den lyrischen Deckel gekriegt. Da könnte das Gedicht doch eigentlich beendet sein, oder? Was soll denn jetzt noch kommen? zurück
Huch nein: der Leser weiß ja nicht, dass bleierne Quecksilberströme zäh fließen (ich wusste es auch nicht, konnte mir es aber vorstellen); das wird ihm jetzt ganz deutlich gemacht, dass auch die letzten Unsicherheiten bezüglich der Konsistenz ziehender Blei-Quecksilber-legierten Fließbandstraßen ausgeräumt werden. Dass sie auch noch stickig ziehen, überrascht nur wenig: Abgase = stickige Luft; hier wird halt wieder draufgepappt und drangepappt, damit es noch ungenießbarer wird.
Jetzt aber zum ersten Gelungenen in diesem Gedicht: Leben atmend. Im Zusammenhang zu dem überladen obergiftigen Metallgebilde meinen diese beiden Wörter nämlich genau das Gegenteil: es atmet nicht Leben, sondern es verbraucht Leben – das ist gekonnt! zurück
Nein, das Auge reicht nicht weit! Von Fortschritt redet kein Mensch mehr, das heißt heute Entwicklung neuer Technologien oder Hightech oder Standort Deutschland oder Zukunft oder Vision oder anderes Wortgehülse mehr. Fortschritt? Den hat Enzensberger schon längst lyrisch beerdigt, der muss nicht mehr ausgegraben werden. Mit seinem »Es geht aufwärts, aber nicht vorwärts« hat er mehr gesagt als alle bisherigen Zeilen des Gedichtes. zurück
Und wieder misslingt die Arbeit mit Kontrasten: Bequemlichkeit kämpft selbstverständlich nicht, also ist ein Kampf gegen sie per definitionem unmöglich. Sie lässt sich lediglich bekämpfen, wenn man denn will. Bequemlichkeit liegt faul danieder, wird sich nicht wehren. Das Bild eines Duells zwischen »uns« und der Bequemlichkeit ist wohl absichtlich so gewollt; das macht es aber überhaupt nicht besser.
Ich habe es gerne bequem, meine Anlage zur Askese ist überaus verkümmert. Brecht meint dazu (aus: Tu will kämpfen lernen und lernt sitzen, aus Me-Ti, Buch der Wendungen):
»Tu sagte: Wenn man immer danach strebt, die bequemste Lage einzunehmen und aus dem Bestehenden das Beste herauszuholen, kurz, wenn man nach Genuss strebt, wie soll man da kämpfen? Me-Ti sagte: Wenn man nicht nach Genuss strebt, nicht das Beste aus dem Bestehenden herausholen will und nicht die beste Lage einnehmen will, warum sollte man da kämpfen?« zurück
Zum Glück ist die erste Strophe hier beendet. Erfahren habe ich nichts Neues, stattdessen werden die bösen Zeiten beklagt – warum auch nicht. Das ist schließlich der Tellerrand bzw. Standardkosmos der Gebrauchslyrik.
Übrigens: Auch von diesem »uns« lasse ich mich nicht vereinnahmen: dazu ist es mir zu trivial.
Frage auch: was hat alles bisher gesagte mit den blechernen Herzen zu tun – abgesehen von der metallurgischen Schiene? Vielleicht beantwortet ja die zweite Strophe diese Frage. zurück
So schön die Alliteration hetzende, handybengte auch sein mag, so sehr wird sie vom hocherhobenen Zeigefinger zum Kuschen in den Schämwinkel verwiesen: einerseits sind Menschen selten händibehängt, das gilt allenfalls für fliegende ndi-ndler auf Flughäfen und Raststätten, andererseits ist die Betonung, dass hetzende Menschen eilen (was sollen hetzende Menschen denn sonst tun? Durch die Straßen bummeln?), eher peinliche Sprachpanne denn lyrische Leistung: in händibehängte Händler hetzen dagegen hätten wir viermal das gequält-hämische Hä-Lachen am Stück, schlösse man ein hechelnd an, gar fünfmal! Nur: warum sollte jemand so etwas schreiben?
Was weiterhin negativ auffällt: Auch die erste Zeile der ersten Strophe hatte mit Bewegung zu tun: dort wurden eigentümliche Fahrwege personifiziert; jetzt hetzen die Menschen höchstpersönlich: was also sollte die Personifizierung in der ersten Strophe, wenn sie hier durch reale Personen aufgehoben wird? Die inhaltliche Parallelführung führt den Beginn der ersten Strophe ad absurdum. Wenn das man gut geht! zurück
durch bunte, farblose Gänge; sowohl bunt, als auch farblos; durch bunte Gänge und durch farblose Gänge. Das Mittlere ist albern, das Letztere trivial. Zum Glück hat man die Wahl! Ich mag aber diese Wahl nicht, werde mich enthalten. Allerdings sage ich mir: besser durch farblos-bunte Gänge laufen als durch hochvergiftete Natur; diese Menschen werden mir nachgeradezu sympathisch, denn sie verhalten sich durchaus vernünftig: sollen die Straßen doch durch die Natur marschieren, wir bleiben in unseren bunten Städten; zwar hat die Bequemlichkeit irgendwie gewonnen, aber wir Widerborste hetzen, allein ihr zum Trotz, das wäre ja gelacht – wenn es nicht zum Weinen wäre. zurück
Was ist an dieser Zeile so Besonderes, dass sie als einzige mit einem kleinen Buchstaben anfängt? Je nun.
Weder Händi noch Internet sind das Tor zur Welt, das ist schon seit deren Anfängen bekannt & sicher. Unsicher aber ist, ob die Wörter Handy als Tor zur Welt ironisch sein sollen oder tatsächlich meinen, was sie sagen.
Wie hetzt – pardon: eilt man hetzend eigentlich kommunizierenderweise durch Gänge, während Händis an einem herumhängen? Tragen diese Hetzer alle Headsets (auch hier eine schöne Alliteration, die ließe sich der obigen Hä-Folge anbinden, etwa durch das Partizip beheadsettet), oder tragen sie stolz diese praktischen, da vollwaschbaren Händi-Event-Jacken mit im Stoff integrierten Leitungen, Anschlüssen, Mikrophonen und Kragenlautsprechern?
Oder geschieht hier gar etwas Archaisches: Reden die etwa direkt miteinander? Einfach so? Ohne Händi? Muss wohl so sein, nur so erklärt sich das gemeinschaftliche Eilen trotz des behaupteten Sieges der Bequemlichkeit: wenn es einer eilig hat, weil er z.B. aufs Klo muss (im Schritt nasse Hosen sind fürwahr unbequem), und er mitten in einer lebhaften Diskussion inmitten seiner Mitmenschen sich befindet, z.B. darüber, wie arg doch alles ist: dann ist es doch nur konsequent und überaus freundlich, wenn sie alle mit ihm eilen, während Händis ungenutzt & missachtet an ihnen herumbaumeln und traurig vor sich hin melodeien. Das lobe ich mir! zurück
Wie viele Leute reden miteinander ohne Händi und sagen sich nichts? Was soll diese künstliche Aufregung über einen Hammer namens Händi, schließlich ist das nur ein Werkzeug? Man lege alle Händis auf einen Haufen: was haben wir dann? Einen Berg Small-talk? Eine Anhäufung von Weltentoren (von mir aus auch Stargates)? Die Rettung der Menschheit, da jetzt alle nur noch ernsthaft & bedeutungsvoll tiefsinntriefend über das Wesen des Menschen pausenlos einander sich austauschen? Das wäre der Augenblick, wo ich meinen Unglauben aufgeben und mich an den HErrn wenden würde mit der Bitte, dieser Hölle ein Ende zu bereiten! Aber ich weiß, er würde mich nicht erhören, und ich weiß, dass es zu solch einer Situation nicht kommen wird.
Mir Nichthändi-Besitzer sei eine technische Anmerkung erlaubt: wenn ein Händi in Stand-by Funktion ist, dann wird es nicht benutzt, sondern hängt quasi bereit zum Loslegen; insofern ist das angehängte sprechen miteinander jede Sekunde in jeder Beziehung abwegig – aber was soll’s: Hauptsache, Händifrust wird rausgeschäumt. Wenn’s der Seelensäuberung dient: absolvo te! zurück
Fiepende Händis? Das hat was Niedliches: mir fallen da balgende Hundewelpen ein und nette Mäusejunge: hübsch.
Wir weben Maschen? Ich weiß nicht, ob ich Stefan Raab auch für diesen Unfug verantwortlich machen darf, vermutlich leider nicht. Maschen entstehen beim Häkeln und Stricken (auf eine eng verwandte Art werden auch Maschendrahtzäune hergestellt), aber nie beim Weben.
Maschendraht des Miteinanderseins? Ich wähle mir selbst aus, mit wem ich mich verhake! Freiwillig betrete ich weder Container noch Gefängnis. Ich fühle mich in keinster Weise in einer eingezäunten Zwangsgemeinschaft. Ich habe kein Händi, keinen Schredder, keine Pumps, keinen Universalschraubendreher: ich brauche das alles nicht. Stattdessen aber:
Ich habe eine eigen Seele! Ganz allein für mich! Die dürstet auch nicht, denn die stille ich regelmäßig, weil ich sie lieb habe! Unsere dürstende Seele? Um mit Rühmkorf zu sprechen: Die Menschheit? / Ans Herz damit! / Aber ohne mich. zurück
Auch die zweite Strophe neigt sich dem Ende, aber nicht, ohne mir zum Abschied erneut sinnloses Grübeln gehörig abzuverlangen: Wozu bitte sehr benötigen Blechherzen einen Harnisch? Ist das Blech zu dünn oder angerostet? Ist Blech nicht genug Harnisch, falls gemeint sein soll, dass menschliche Regungen wie Einander-etwas-Sagen eingebuchtet sind? Braucht es da wirklich noch den zusätzlichen Harnisch »Fiepender Maschendraht des Miteinanderseins«? Und verdurstet eure Gruppen-Seele derweil in der Blechbüchse »Herz«? Immerhin tauchen die blechernen Herzen nach der Überschrift wieder einmal auf. Weiß zwar noch immer nicht, was das sein soll, scheint aber zumindest kein blindes Motiv zu sein (sofern es ein Motiv ist). zurück
Aha: erwartungsgemäß folgt die Troststrophe (und die ist eine Zeile länger als die beiden apokalyptischen ersten): ein Heiland ist in Sicht. Es ist inhaltlich zwar eigentlich noch gar nichts Schlimmes passiert (außer dass Menschen fröhlich miteinander kommunizieren und Händi Händi sein lassen, während die Natur von entmenschten Straßen vergiftet wird), aber Trost ist schließlich immer gut! zurück
Nein und abermals nein! Weder will ich Oase sein, denn die ist vor allem für verirrte dürstende Menschen da, noch Leuchtturm, um anderen heim zu leuchten inmitten der hübsch alliterierenden (brausend) brüllenden (Brecher)Brandung – und ganz besonders dann nicht, wenn ich mit einem geliebten Menschen zusammen bin, denn dann habe ich keine Zeit, anderen heim zu leuchten oder sie aufzunehmen, um ihren Seelendurst zu löschen.
Eine ganz persönliche Anmerkung: was wäre eine Oase ohne Wüste? Ein Leuchtturm ohne Schiffe? Das Alltägliche: das ist das Leben! Die jeden Tag brav & fraglos zur Arbeit gehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen: das sind die Helden! Jeder von ihnen ist etwas Besonderes, Einzigartiges! Das soll brüllende Konformität sein nur deswegen, weil sie ein Händi besitzen? Konformität brüllt nicht: das tun Besserwisser wie ich und du. zurück
Es passt zu dieser Sammelklage, dass wieder einmal unbeachtet bleibt, was noch in der vorherigen Strophe gepredigt wurde: denn wie kann es Seelenverwandtschaft geben, wenn alle nur 1 gemeinsame Seele haben? Mit sich selbst verwandt? Oh heilige Einfalt! zurück
Was will uns hier weisgemacht werden? Ursprüngliche und unverfälschte Kommunikation sei die schweigende? So wie die zwischen Magen-Darmtrakt und Einlegesohle? Und das soll ein Händi nicht können? Ich bitte doch sehr: unser oben hergestellter Händihaufen kann sich auf diese schweigende und ursprüngliche Weise doch allerbestens verständigen! Wer da zuhören könnte! Der könnte noch was lernen auf und über die ursprünglich und unverfälschte Art, so wie sie schon in der Bibel beschrieben wird: Am Anfang war das Schweigen; und: Und Gott schwieg, es werde Licht!
In diesen Zeilen feiert der Unsinn weiter sein grelles schellenlautes Fest – und es wird noch doller: zurück
Was meint dieses Wort? Ist es die Kurzform für Neurotransmitter (ohne die im Hirn nichts mehr liefe)? Kaum vorstellbar! Ist es das englische Wort für Sender? Wenn ein Sender nicht nötig ist, ist auch ein Empfänger überflüssig, und damit jede Kommunikation unmöglich, denn die setzt Sender und Empfänger voraus: dann klappt nicht einmal mehr schweigende Kommunikation. Diese Bedeutung ist es also auch nicht.
Folglich muss es etwas Neues sein, erschaffen aus dem Verb transmittieren, was übertragen, übersenden bedeutet. Ob das aber weiter hilft? Wir werden sehen, dass dieses Wort erwartungsgemäß in jeder Hinsicht voll daneben langt! zurück
Lesen will das lyrische Ich? – aber bitte ohne Transmitter! Also Augen zu und zusätzlich Licht aus, verstanden? Und keine Schummelei, ohne Transmitter ist ohne Transmitter! Und lesen will es in den Augen des geliebten anderen Wesens? Ebenfalls Augen zu, ein inneres Seelenglimmen könnte ja die Dunkelheit und die geschlossenen Lider des lesewütigen Ichs durchstoßen: das wäre eindeutiger Regelverstoß: ohne Transmitter ist ohne Transmitter, ursprünglich und unverfälscht! Also Licht aus und beide die Augen zu! Und jetzt?
Viel Spaß beim Lesen!
Und falls jetzt beide verschämt die Lider ein wenig öffnen und etwas Licht machen (z.B. bei ihrem Händi die Stand-by-Funktion aktivieren: manche glimmen da recht heimelig verschwiegen…) und lesen: bitte allerhöchste Obacht! Denn das Buch in den Augen des Gegenüber könnte ja zufällig eine Händi-Betriebsanleitung sein oder ein Wanderführer für bleierne Quecksilberströme oder gar ein Gedicht über blecherne Herzen: das würde so was von Ins-Auge-gehen! zurück
Schön, Gewalt ist in, warum also nicht sprengen? Kommt doch gleich so viel geräuschvoller daher als das einfache und wirkungsvolle »Über den Tellerrand schauen«. Jedoch: dazu müsste man sich aufrichten, und aufrechter Gang ist bekanntlich nicht jedermanns Sache; also wegsprengen, und man hat freien Blick ohne sich aufrichten zu müssen.
Ich habe bereits festgehalten, dass die letzte Strophe 1 Zeile länger ist als die beiden anderen. Ich weiß auch in diesem Falle nicht, warum das so sein muss: ließe man und doch – noch ist nicht alles verloren einfach weg, hätte die letzte Strophe ebenfalls neun Zeilen und höbe sich hervor durch die Aufforderung Lass am Anfang, die sich am Ende noch 2mal wiederholt.
Zu retten ist das Gedicht damit auch nicht mehr: es bleibt pure Leichenfledderei. zurück

© 2001 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.