Wellers Wahre Worte am Café Tisch
Juni 2003 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


SOS - Save our Statesmen

Warum es bei Polit-VIPs mit Bodyguards nicht getan ist

Wilhelm Weller


Der plötzliche Tod von Jürgen W. Möllemann - vermutlich ein Freitod - führt uns allen vor Augen, was wir gerne übersähen: Auch Politiker sind nur Menschen.
     Wie Gottvater wünschten wir sie uns: Unerschütterlich, allwissend und allgütig, nach unguten Erfahrungen mit großen Führern und Vorsitzenden freilich nicht mehr ganz so allmächtig. Doch es sind nur Menschen aus Fleisch und Blut, auch wenn der eine oder andere dereinst in Stein gemeißelt wird.
     Viele mögen in diesen Tagen in sich gegangen sein, sei es Guido Westerwelle oder seien es kecke, freche Medien, zu denen auch wir uns - mega culpa - zählen. Wie oft haben wir selbst Hohn und Häme über unsere nächsten Politiker ausgegossen, über Helmut und Hannelore, Gerhard und Doris, über Joschka und Oskar - und über Rudolf...
     Man tröstet sich: Nie und nimmer liest er meine Scherze. Was aber ist, wenn ein plötzlicher Bedeutungsverlust dazu zwingt, auch abseitige Ecken im Internet nach Meldungen zur eigenen Person zu durchforsten? So ist davon auszugehen, dass etwa der frühere Verteidigungsminister unsere Kolumne inzwischen gut kennt.
     Dies bürdet dem Satiriker eine höhere Verantwortung auf, es sind Grenzen zu achten, die durchaus einmal über Leben und Tod entscheiden können. Weiß man denn, ob der spitze Satz für einen Strauchelnden den letzten Stoß bedeuten kann? Zu sehr mag man bislang den Prominenten nur in seiner äußeren Gefährdung wahrgenommen haben - dafür gibt es Bodyguards und schusssichere Westen.
     Doch was ist mit der inneren Gefährdung, ob sie nun aus tiefer Zerrissenheit erwächst oder aus einer Sucht nach Macht und Geltung? Ein Fall für Soulguards?
     Sicher ist: Auch hier täte Prävention gut. So könnte eine insbesondere mit Psychologen besetzte Kommission gebildet werden, die systematisch das Gefährdungspotenzial der Polit-Profis ermittelt und notfalls Kriseninterventionen einleitet. Wer einen Karrierebruch erleidet, sollte auf jeden Fall auf die Watch-List gesetzt werden, auch jeder, gegen den ein Verfahren eingeleitet wird. Wie ist es um das soziale Umfeld bestellt: gibt die Familie Halt oder belastet sie mit eigenen Konflikten? Kommen körperliche oder finanzielle Malaisen hinzu? Ganz wichtig: Wie schaut es mit der Präsenz in den Medien aus?
     Nicht gut aus sieht es demnach für Rudolf Scharping. Nach dem Verlust seines Amtes verliert die Öffentlichkeit das Interesse an ihm. Sollte am Ende auch noch Gräfin Pilati das Interesse an dem Ex-Minister verlieren, besteht auf jeden Fall Grund zur Sorge.
     Aber was tun? Man wird einen gefährdeten Politiker schlecht in einer geschlossenen Abteilung vor sich selbst schützen können. Geboten wären also kurative Maßnahmen im Hintergrund. Etwa das Organisieren von aufmunternder Fanpost. Für ein Zusatzentgelt werden Journalisten zu finden sein, die sich im Guten an die VIPs vergangener Tage erinnern. Das Gleiche gilt für Talkshows, auch ein Moderator wird gegen ein Zusatzentgelt für die Auswahl und Einladung eines fast Vergessenen keine prinzipiellen Einwände haben.
     Solche Maßnahmen könnten in enger und diskreter Absprache mit dem jeweiligen PR-Manager ergriffen werden.
     In anderen Momenten sollte einfach ein guter Geist zugegen sein. Um beim Beispiel Scharping zu bleiben: Da muss dann und wann dafür gesorgt sein, dass der mit seinem Rennrad keine Solo- und keine Extratouren macht, vor allem nicht bei abschüssigen Strecken. Ein Absturz genügt schließlich.

Ihr Wilhelm Weller

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