Wellers Wahre Worte am Café Tisch
Februar 2000 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


»Ich habe Kohl gespendet!«
Wilhelm Weller

Die Spendenaffäre, die sich Tag um Tag auszuweiten scheint, bedrückt und betrübt uns alle.
     Das ruhmlose Ende der sozialistischen Utopie stürzte die Linke in eine lang währende Identitätskrise, nun ist es das bröckelnde Denkmal des einstigen Saumagen-Kanzlers, welches seine Partei, ja die gesamte deutsche Gesellschaft in eine tiefe Orientierungskrise treibt.
     Wem kann man noch trauen? Eine Frage, die sich mancher stellt, wenn er montags morgens in den Spiegel schaut.
     Fast scheint es, als müsse man der Wahrheit eine Schutzzone, ein Reservat schaffen: Hier ist es wahr, hier sind wir rein.
     Wahre Worte sind es, die nun gefragt sind, nicht halbseidene Ehrenworte.
     Viel wäre gewonnen, wenn Kohl endlich die Spender nennen würde.
     Warum, fragt man sich, entbinden ihn seine spendablen Freunde nicht endlich von seiner fatalen Zusage, gemäß dem Motto eines bekannten Herstellers für Diät-Margarine: Du darfst, Helmut!
     
Erstmals bricht nun einer dieser Spender sein Schweigen.
     Exklusiv für »Wahre Worte« erzählt Manfred Messer (66) seine Geschichte mit Helmut Kohl.

WW: Herr Messer, wo und wie haben Sie Kohl kennen gelernt? Trafen Sie ihn während eines Geschäftsessens?

Messer: Nein, das war 1991, ich ging gerade mit Benno Gassi.

WW: Sie pflegten also auch Kontakte mit italienischen Partnern?

Messer: Wie bitte? Benno ist mein Bernhardiner, ich mache abends immer noch einen kleinen Ausgang mit ihm.

WW: Wie bitte? Und was hat Ihr Hund mit Helmut Kohl zu tun?

Messer: Nichts. Ich meine ich ging abends mit Benno Gassi durch die Ammengasse in Bonn und da traf ich Kohl. Erst traute ich meinen Augen nicht, das kann doch nicht sein, dachte ich mir. Der saß am Straßenrand, eingehüllt in einen Mantel, seinen Hut hatte er tief in die Stirn gezogen. Wissen Sie, ich gucke immer genau hin, anderen wäre gar nicht aufgefallen, dass das der Kohl ist.

WW: Waren Sie sich denn sicher?

Messer: Na, ich kenn doch die Hängebäckchen und das Doppelkinn!
     Vor ihm lag eine Schale und daneben ein Zettel: »Bitte um kleine Spende, danke!«
     »Was machen Sie denn hier, Herr Kanzler?«, hab ich ihn dann gefragt.
     »Sein Sie bloß ruhig, sonst jagen die mich wieder!« Das war seine Stimme, Pfälzer Dialekt.

WW: Und dann haben Sie ihm Geld gespendet?

Messer: Der Mann tat mir leid. In der Schale lagen grad mal drei Groschen. Wissen Sie, ich kann da nicht einfach weiter gehen. Polly, also meine Frau, wirft mir das immer vor. »Du mit deinem weichen Herz, bringst uns noch an den Bettelstab!«

WW: Wieviel haben Sie dann gespendet?

Messer: Beim ersten Mal nur eine Mark. Später wurde es dann etwas mehr.

WW: Sie haben also regelmäßig Spendenzahlungen geleistet?

Messer: Immer freitags abends, da saß er wieder da. Wir haben uns natürlich über alles Mögliche unterhalten. »Ich steh mit dem Rücken zur Wand«, klagte er. »Unsere ostdeutschen Landesverbände kämpfen ums Überleben.« Manchmal habe ich ihm dann  auch einen Zehner gegeben. Meine Frau sollte davon nichts erfahren, die wäre ausgerastet. Deswegen das Ehrenwort.

WW: Wollen Sie damit sagen, dass Helmut Kohl Ihre Spendenzahlungen verschwiegen hat, damit Ihre Frau nicht davon erfährt.

Messer: Ja, so war es. Aber schauen Sie sich an, wohin das geführt hat! Deswegen habe ich meine Frau vor einigen Tagen zur Seite genommen. »Polly, ich muss Dir was sagen.«, hab ich ihr gesagt.
     Die war natürlich schockiert. Zwei Tage sprach sie kein Wort mit mir. Wie oft hatten wir Ebbe in unserer Haushaltskasse. Es war ein schwerer Schlag für sie.

WW: Empfinden Sie heute Reue?

Messer: Ich habe natürlich eine Riesendummheit gemacht. Wenn ich jetzt noch sehe, dass aus dem Ganzen eine Staatskrise geworden ist… Nachher ist man natürlich immer klüger.

WW: Haben Sie Helmut Kohl inzwischen von seinem Ehrenwort entbunden?

Messer: Ich habe ihn seit dem Regierungswechsel nicht mehr gesehen. Ich hoffe, dass er das jetzt liest. Also er kann sprechen. Vielleicht rettet das noch etwas.

WW: Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Messer. Ich bin sicher, dass durch Ihr Bekenntnis diese Affäre eine dramatische Wendung nehmen wird.

Wilhelm Weller


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