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Google streicht Nachrichteninhalte aus der Suche – Was bedeutet das für Autoren, Journalisten und die Literatur?

Post von Google: Das literaturcafe.de wird als »European press publication« eingestuft.

Frankreich macht den Anfang: Ab Oktober 2019 wird google.fr im Suchergebnis keine Vorschautexte und -bilder von Nachrichtenwebsites mehr anzeigen. Grund dafür ist die europäische Urheberrechtsreform. Andere Länder werden folgen. Schlecht für Autoren und Journalisten – und die Sichtbarkeit der Literatur.

Warum streicht Google die Vorschau?

Frankreich ist das erste Land, das die EU-Vorgaben der Urheberrechtsreform in nationales Recht umsetzt. Dazu sind alle EU-Mitgliedsländer verpflichtet, sodass die Google-Maßnahme demnächst auch Deutschland treffen wird. Bereits bevor die Urheberrechtsreform u. a. vom EU-Parlament durchgewunken wurde, hatten wir in einem Beitrag über die negativen Auswirkungen für Autorinnen und Autoren gewarnt – und vor genau dem, was jetzt passiert.

Die Lobby der europäischen Zeitungsverleger hatte sich das sogenannte Leistungsschutzrecht in die Reform schreiben lassen (Artikel 15/vormals 11). Dieses besagt, dass die Verlage Geld von Google und anderen Suchmaschinen bekommen, wenn diese Ausschnitte aus Texten oder Vorschaubilder der Nachrichtenseiten in den Suchergebnissen anzeigen. Kritiker bezeichneten diese Forderung seit jeher als paradox. Das sei so, als müsste ein Taxifahrer, der seinen Fahrgästen ein Restaurant empfiehlt und sie dort hinbringt, dem Restaurant eine Provision zahlen. Umgekehrt wäre es logischer.

Für viele Beobachter und auch für uns war daher klar: Wenn die Länder die europäischen Vorgeben in nationales Recht umsetzen (müssen), wird Google eher die Websites der Verlage aus dem Suchindex streichen, anstatt den Betreibern Geld zu zahlen. Ganz gestrichen werden die Seiten aus dem Ergebnis zwar nicht, doch Google wird künftig nur noch den Titel der Website und die URL anzeigen. Denn selbst für Nachrichten-Überschriften als Vorschau unter dem Suchergebnis – und seien sie noch so kurz – wollen die Verleger Geld. Google weist auf seiner Website darauf hin, dass das Ranking davon nicht betroffen sein wird. Noch nicht. Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die Nutzer die aussagelosen Infos der Verlagswebsites weniger klicken (wovon auszugehen ist), behält sich Google eine Abwertung im Suchergebnis vor.

Nur Titel und URL: Mehr wird Google bei Nachrichtenwebsites im Suchergebnis auf google.fr nicht mehr anzeigen.
Nur Titel und URL: Mehr wird Google bei Nachrichtenwebsites im Suchergebnis auf google.fr künftig nicht mehr anzeigen.

All dies gilt für die normale Google-Suche. Ob Google in Frankreich auch das spezielle Angebot Google News ganz abschalten wird, ist noch nicht verkündet worden. In Spanien, das bereits ein nationales Leistungsschutzrecht hat, war dies der Fall. Google schaltete Google News in Spanien ab. Vielleicht will Google für Frankreich erst einmal abwarten, wie viele Pressepublikationen die Kurztexte dennoch freiwillig und kostenfrei bereitstellen (siehe unten).

Auch das literaturcafe.de ist betroffen

Post von Google: Das literaturcafe.de wird als »European press publication« eingestuft.
Post von Google: Das literaturcafe.de wird als »European press publication« eingestuft.

Websites, die Google aufgrund seiner Algorithmen als europäische Presse-Publikation einstuft (»European press publication«), bekamen letzte Woche ein E-Mail. So auch das literaturcafe.de. Darin wurde uns zum einen mitgeteilt, dass Google unsere Website als »europäische Pressepublikation« einstuft. Klingt zunächst einmal sehr gut und wichtig. Doch gleichzeitig wird mitgeteilt, dass aufgrund dieser Einstufung und der Umsetzung der EU-Vorgaben in französisches Recht, auf google.fr künftig keine Vorschautexte (sogenannte Snippets), -videos und -bilder des literaturcafe.de mehr angezeigt werden.

Was bedeutet das für die Literatur?

Das Leistungsschutzrecht gilt nur für Zeitungs- und Zeitschriftenverleger bzw. -publikationen, doch indirekt sind von den Google-Maßnahmen auch Buchautorinnen und -autoren betroffen. Denn Buchrezensionen, Buchempfehlungen und andere literarische Beiträge in den Online-Medien sind weniger sichtbar. Das gilt auch für Gastbeiträge, die Buchautorinnen und -autoren gelegentlich für Zeitungen und Zeitschriften schreiben.

Was können Verlage tun, damit Google weiterhin die wichtigen Textvorschauen zeigt?

Nicht alle Medienhäuser stehen hinter dem Leistungsschutzrecht, wie es die EU definiert. Der SPIEGEL und DIE ZEIT unterstützen es nicht, während der Springer Verlag das Gesetz maßgeblich vorangetrieben hat. FAZ und Burda sind ebenfalls für das Leistungsschutzrecht.

Tatsächlich hat Google eine Möglichkeit vorgesehen, dass die Vorschau dennoch angezeigt wird, wenn sich eine Website bereit erklärt, Textausschnitte der Suchmaschine kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Online-Medien sind also gezwungen, aktiv etwas zu tun, damit sie in den Suchergebnissen weiterhin mit Vorschautexten, -videos und -bildern angezeigt werden (Opt-In). Eine Bestätigung per Klick reicht dazu nicht, sondern es ist der Einbau nicht sichtbarer sogenannter Meta-Informationen auf jeder einzelnen Seite einer Website erforderlich. Im für den Besucher der Website nicht sichtbaren HTML-Quelltext der Seiten muss folgende Zeile eingebaut werden:

<meta name="robots" content="max-snippet:-1,
max-image-preview:large, max-video-preview:-1">

Wie man aus dem Code herauslesen kann, gibt es eigene Werte für Text-Snippets, Bilder und Videos. Statt der -1 kann auch eine maximale Zeichen- oder Sekundenzahl (bei Videos) eingegeben werden, die Google zeigen darf. Nähers kann auf der Google-Website nachgelesen werden.

Da größere Websites ein Content-Management-System einsetzen, dürfte die Implementierung kein Problem sein. Wer WordPress mit dem beliebten Suchmaschinen-Plugin Yoast-SEO einsetzt, hat es noch leichter: Der Programmierer des Plugins hat angekündigt, dass diese Zeile ab Anfang Oktober 2019 mit der neuen Version automatisch in die Seiten eingefügt wird. Nachtrag: Mittlerweile ist diese Version veröffentlicht worden.

Selbstverständlich werden auch wir vom literaturcafe.de Google die kostenfreie Nutzung von Vorschautexten und -bilder erlauben, egal in welchem Land.

Wer von Google irrtümlich als europäische Presse-Publikation eingestuft wurde, kann diese Einstufung auch ändern, da für Firmenwebsites, Blogs oder Vereinswebsites das Leistungsschutzrecht keine Anwendung findet. Hier kann Google weiterhin legal Vorschaudaten anzeigen.

Wie ist die Lage in Deutschland?

In Deutschland gab es bereits lange vor der EU-Diskussion ein Leistungsschutzrecht, das sich als wirkungslos herausgestellt hat. Google hatte hierzulande ebenfalls mit Streichung gedroht, am Ende knickten alle Verleger ein und erlaubten Google die kostenfreie Nutzung. Gleichzeitig prozessierte man erfolglos gegen Google. Wegen eines Verfahrensfehlers wurde das Gesetz in Deutschland jedoch unlängst gekippt. Aufgrund der mittlerweile beschlossenen EU-Vorgabe, wird das Leistungsschutzrecht jedoch bald auch wieder in Deutschland gelten, denn die besagten Zeitungsverleger drängen auf eine rasche nationale Umsetzung. Dann wird Google höchstwahrscheinlich zu den gleichen Maßnahmen greifen wie in Frankreich, auch wenn Google hierzu noch keine Aussagen treffen will. Und die Verleger werden wahrscheinlich erneut einknicken und Google die kostenfreie Nutzung erlauben, da ein Suchtreffer ohne Vorschau-Info weniger geklickt wird und es sich die Online-Medien nicht leisten können, auf die Zugriffe via Google zu verzichten. Der oben beschriebene Einbau der Meta-Informationen ist also sinnvoll, auch wenn diese zunächst nur für google.fr gelten.

Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass die Verleger parallel auf europäischer Ebene gegen Google klagen und argumentieren werden, Google missbrauche seine Marktmacht und zwinge sie zur kostenfreien Abgabe der Vorschautexte. Doch die Gerichtsverfahren könnten Jahre dauern, und die Richter deutscher Gerichte folgten den Argumenten der Verleger bislang nicht. Die Verleger profitieren eindeutig von Google.

Was kann man als Autor oder Journalist tun?

Wer als freier Autor oder Journalist für ein Online-Medium schreibt, wird daran interessiert sein, dass Google alle Infos anzeigt, damit der Artikel geklickt wird. Schließlich geht es um Sichtbarkeit und Reputation, aber auch um Geld, wenn beispielsweise das VG-Wort Zählpixel weniger aufgerufen wird.

Schreibt man für eine Website, die von Google als europäische Presse-Publikation eingestuft wurde, so sollte man prüfen oder erfragen, ob das Medium der Suchmaschine erweiterte Vorschau-Infos zur Verfügung stellt. Dies lässt sich am schnellsten herausfinden, indem man im Quelltext der Seite nach den oben erwähnten META-Informationen sucht. Das funktioniert mit jedem Browser.

Sind die Infos nicht vorhanden und lässt es die eigene Verhandlungsposition zu, so könnte man bei Anfragen für Gastbeiträge etc. auf den Einbau der Meta-Infos für den eigenen Beitrag bestehen. Wie oben erläutert, werden diese Infos nicht pauschal, sondern für jeden Beitrag einzeln ausgewertet.

Keinen Einfluss hat man, wenn man gerne hätte, dass im Google-Suchergebnis erweiterte Textinhalte bei einer Rezension des eigenen Buches stehen.

Aber wie gesagt: Es ist davon auszugehen, dass die meisten europäischen Presse-Publikationen zähneknirschend Google weiterhin die Anzeige der Kurztexte (Snippets) erlauben.

Was ist mit Facebook, Twitter und Co.?

Die meisten Social-Media-Dienste zeigen ebenfalls Text- und Bildvorschauen, wenn dort Links gepostet werden. Auch hierfür würden die Verleger gern Geld sehen, doch ist hier die Lage unübersichtlicher, da viele Posts und Timelines nicht öffentlich sind. Schon jetzt kann man durch das Einfügen von zusätzlichen Meta-Infos steuern, was Facebook und Co. beim Einbetten eines Links anzeigen (Open Graph für Facebook, Twitter-Cards für Twitter etc.). Somit könnten diese Dienste aus dem Vorhandensein dieser Daten schließen, dass man mit der Verbreitung einverstanden sei. Doch derzeit gibt es hierzu keine Aussagen der Dienste wie von Google. Primär zielt das Leistungsschutzrecht konkret auf Google ab, sodass es von einigen ironisch auch als »Lex Google« bezeichnet wird.

Fazit: Das Leistungsschutzrecht bleibt auch auf europäischer Ebene wirkungslos

Die Forderung, dass Zeitungs- und Zeitschriftenverleger von Google Geld wollen, wenn Google ihnen Besucher bringt, bleibt paradox und ist logisch nicht nachvollziehbar. Wie zu erwarten war, wird Google daher eher die Vorschauinfos ihrer Websites ganz oder teilweise aus den Suchergebnissen streichen. Es wird wahrscheinlich auch auf europäischer Ebene jahrelange juristische Auseinandersetzungen geben. Zuvor werden die Verleger jedoch – wie bereits in Deutschland – einknicken und Google die erweiterten Infos zur Verfügung stellen. Das Leistungsschutzrecht wird auf absehbare Zeit wirkungslos bleiben. Für Autoren und Journalisten ist dies positiv.

Wolfgang Tischer

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