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Gericht: Wanderwege der Wanderhure sind Kunst und Satire

Wanderhure im Wanderschuh

Das satirische Buch »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« darf wieder verkauft werden. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, hob das Oberlandesgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung auf. Der Verlag Droemer Knaur hatte diese zunächst beim Landgericht erwirkt, da man die historischen Wanderhuren-Romane verunglimpft sah.

Das jetzige Urteil ist zudem ein Erfolg der Crowdfunding-Kampagne, mit der der Verlag Voland & Quist fast 15.000 Euro an Spenden für das Berufungsverfahren einsammelte.

Ein Alternativtitel, den der Autor Julius Fischer fürs literaturcafe.de entwarf, muss also nicht zum Einsatz kommen.

Wie wir berichtet haben, verstand zunächst der Richter am Landesgericht Düsseldorf offenbar keinen Spaß. Oder besser gesagt: Er traute es dem Durchschnittsleser nicht zu zu erkennen, dass es sich beim Titel »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« um Satire handeln könnte. Der Richter war der Meinung, der Leser kaufe allein wegen des Wortes »Wanderhure« im Titel und gehe allen Ernstes davon aus, dass es sich um einen echten Wanderführer auf Basis der Iny-Lorenz-Romane handle.

Doch blickt man auf das Cover und schaut man in das Buch und liest man gar die die gleichnamige Kurzgeschichte an, so er kennt man spätestens dann, dass sich der Autor Julius Fischer über das Marketing der Buchverlage und den Titelwahn lustig macht: »Der Inhalt ist vollkommen irrelevant, er muss sich nur verkaufen«.

Das Bild eines solchen Käufers und den ihn so ködernden Verlag hatte wohl der Richter am Landgericht tatsächlich vor Augen. Er bestätigte die Einstweilige Verfügung gegen den Titel, entschied, dass Kommerz vor Kunst geht und verbot den Verkauf.

Da der Verlag Voland & Quist dies als Angriff auf die Kunst- und Satirefreiheit sah, verlangte er eine Prüfung durch das Oberlandesgericht. Die hierfür notwendigen gut 12.000 Euro sammelte man erfolgreich als Spenden von Lesern, Unterstützern und Fans ein.

Gegensätzlich, konstruierte Kombination des Titels

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, berief sich der Richter am Oberlandesgericht nun tatsächlich auf den Kunstschutz. Natürlich werde die Bekanntheit der Droemer-Romane ausgenutzt, doch wer Sprachgefühl habe, verstehe die »gegensätzlich, konstruierte Kombination des Titels«, zitiert ihn die LVZ. Letzteres gilt dann wohl auch für Droemer-Leser.

Interessant ist, dass der Richter auch darauf hinwies, dass zudem ein enger Bezug des Titels zur ersten Geschichte des Buches bestehe (siehe Pressemeldung des OLG Düsseldorf). Neben zahlreichen anderen Buch- und Produktverballhornungen (»Shades of Grey – Seidenmalfarben (50er-Set, plus graues Seidentuch)«) kommt darin auch der titelgebende Wanderführer vor. Dass der effektvolle Titel also nicht für sich allein steht, mag daher nicht ganz unwesentlich bei dieser Entscheidung sein. Es kommt eben doch auch auf den Inhalt an.

Das Oberlandesgericht hat daher die Einstweilige Verfügung aufgehoben (Az.: OLG Düsseldorf, I-20 U 63/14) und der Satireband darf wieder verkauft werden. Theoretisch könnte der Droemer Verlag nun den Klageweg bestreiten, um nochmals gegen die Wanderwege der Wanderhure vorzugehen. Doch besteht hier wenig Aussicht auf Erfolg, da die Klage vor denselben Gerichten landen würde. Zudem hat sich der Verlag nicht gerade mit Ruhm bekleckert und mit seinem juristischen Vorgehen den Titel von Julius Fischer erst so richtig bekannt und populär gemacht.

So ganz glücklich ist man allerdings beim Verlag Voland & Quist über diese Popularität auch nicht. Man wolle nicht auf ewig dieser kleine Verlag mit diesem Wanderhurenbuch sein, gegen das Droemer vorging. Sebastian Wolter von Voland & Quist liegt beispielsweise der Titel »Paranoia« des Weißrussen Viktor Martinowitsch sehr am Herzen, der im September 2014 erscheinen wird. Dies ist keine Satire, sondern – wie es in der Verlagsvorschau heißt – »ein hochspannender politischer Thriller, eine tragische Geschichte von Liebe und Verrat, der nicht zuletzt ein Schlaglicht auf die Mechanismen eines totalitären Staats dreißig Jahre nach 1984 wirft.«

Auf keinen Fall muss jedoch für »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« der Ersatztitel zum Einsatz kommen, den Autor Julius Fischer handschriftlich in unser Exemplar schrieb, das wir als Dank für unsere Spende erhalten haben: »Die verlorene Ehre der Wanderhure«. Die hat das Oberlandesgericht Düsseldorf wieder hergestellt.

Alternativtitel von Julius Fischer

Übrigens: Da das Verfahren nun vom Droemer Verlag zu bezahlen ist, gehen die von Voland & Quist eingesammelten Spendengelder wie geplant an das Kurt-Tucholsky-Museum in Reinsberg.

Wolfgang Tischer

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