Der Droemer Knaur Verlag verlangt, dass der Verlag Voland & Quist das Buch »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« vom Markt nimmt: Das Buch verletze die Rechte am Titel »Wanderhure«. Die historische Roman-Trilogie über eine Wanderhure erscheint bei Droemer Knaur.
Da sich Voland & Quist weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben, will Droemer Knaur beim Düsseldorfer Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Titel erwirken. Die Entscheidung soll nach einer mündlichen Verhandlung am 13. März 2014 erfolgen.
»Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« ist ein Buch mit satirischen Kurzgeschichten von Julius Fischer und trägt den Untertitel »Kein historischer Roman«. Voland & Quist sieht im Titel eine ironische Verfremdung und beruft sich auf die Kunstfreiheit.
»Natürlich war es weder unsere Intention noch die des Autors Julius Fischer, den Erfolg der Wanderhuren-Bücher auszunutzen«, lassen sich die beiden Verlagsleiter Leif Greinus und Sebastian Wolter zitieren.
Man müsste schon reichlich ironieresistent sein, um zu vermuten, es handle sich bei diesem Buch um einen Wanderführer. Das Cover erinnert weder an eine Wanderbuch noch an einen historischen Roman.
Es dürfte also interessant sein, wie dies die Düsseldorfer Richter sehen und wie sie die Entscheidung begründen.
Sollten die Richter tatsächlich eine einstweilige Verfügung gegen das Buch erlassen, so müsste es der Verlag Voland & Quist umgehend vom Markt nehmen und dem Werk einen neuen Titel verpassen, wenn sie es weiter verkaufen wollen.
Allerdings kann der Verlag gegen eine einstweilige Verfügung Widerspruch einlegen. Dann würde es zu einem Prozess kommen, da eine Einstweilige Verfügung keine abschließende Entscheidung des Gerichts sein muss. Weil dieser Prozess jedoch vor dem gleichen Gericht stattfinden würde, wären die Chancen für Voland & Quist in erster Instanz gering, zumal das Gericht die beiden Parteien bereits mündlich angehört hat. Erst das Oberlandesgericht als 2. Instanz könnte die Sache vielleicht anders sehen.
All das kostet Zeit und Geld.
Doch auch wenn das Düsseldorfer Gericht keine einstweilige Verfügung erlässt und sich der Argumentation von Voland & Quist anschließt, könnte Droemer Knaur klagen.
Es wird also spannend, was das Gericht nach dem 13. März 2014 entscheidet.
Wie immer der Rechtsstreit aus- und weitergeben mag, er zeigt, dass ironische oder satirische Buchtitel kritisch sind. Fühlt sich jemand auf die Füße getreten, so muss ein Gericht entscheiden. Größere Verlage mit größeren Geldmitteln können solche Risiken bewusst eingehen und vielleicht sogar auf die Publicity spekulieren, die ein solcher Prozess mit sich bringen könnte.
Doch Self-Publisher und Kleinverlage sollten diese Risiken besser meiden, denn schon eine Abmahnung kann teuer sein – selbst wenn sie unberechtigt ist.
Denn Rechtsanwälte sind kreativ, wenn es darum geht, die Vorwürfe zu belegen und zu untermauern. So berichtet Voland & Quist, dass Droemer Knaur bei diesem Titel in doppelter Hinsicht keinen Spaß verstehe, denn der Titel würde sich »in höchstem Maße respektloser und ignoranter« Weise über das »traurige Schicksal der Wanderhuren im Mittelalter« lustig machen.
Dabei sind doch gerade Respektlosigkeit und Ignoranz wichtige Mittel der Satire.
Nachtrag: Der Rechtsstreit hilft dem Buchverkauf
Auch Spiegel Online hat mittlerweile über den Rechtsstreit um die Wanderhure berichtet – und flugs ist eingetreten, wovon weiter oben die Rede war: Der Verkauf des Buches wurde durch die Medienberichte massiv angekurbelt. Stand es heute Nachmittag (24.02.2014) um 17 Uhr noch auf Platz 152.409 bei amazon.de, hat es um 23 Uhr schon Verkaufsrang 1.281 erklommen. Am 25.02.2014 um 08:30 stand der Titel auf Platz 362, drei Stunden später dann auf 253.
Nachtrag II: Voland & Quist unterliegt im Rechtsstreit gegen Droemer Knaur
Erneut hat sich bestätigt, dass Gerichte keine Spaß verstehen. Mit etwas Verzögerung hat das Düsseldorfer Landgericht am 27.03.2014 gegen den Titel »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« einen Verbotsantrag erlassen (Az. 37 O 6/14).
Das Landgericht folgt im Urteil der Argumentation von Droemer Knaur, die Kunstfreiheit rechtfertige die Nutzung des Titels nicht. Nach Auffassung des LG Düsseldorf erscheint es »nicht fernliegend, dass der Verkehr (…) den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werks welches sich auf der Grundlage der bei der Antragstellerin (Droemer Knaur) verlegten Romane mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur der Romane als „Wanderhure“ umherzieht.« Es erstaunt, dass das Gericht offenbar der Meinung ist, der Durchschnittskäufer entscheidet allein auf Basis des Titels und blickt weder auf das Cover noch die Buchbeschreibung.
Vor dem Hintergrund der besonderen Bekanntheit der – zum Teil verfilmten – Wanderhuren-Reihe seien die Eigentumsinteressen des Beststeller-Verlags in der Abwägung stärker zu berücksichtigen.
Voland & Quist darf die noch vorhandenen Exemplare des Titels »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« bis zum 27. September abverkaufen, danach droht ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verkaufsverbot.
Ob Voland & Quist weitere rechtliche Schritte einleitet, ist noch offen. Nicht bekannt ist, wie hoch der Verkaufsschub durch die juristische Auseinandersetzung war und ob er den angeordneten Verkaufsstopp vielleicht sogar aufwiegt.
Wenn ich herausgefunden habe, was dabei für Droemer-Knaur rausspringt, würde ich sagen, das Ganze ist eine inszenierte Sache. Sollte der Verlag sich nicht eher geehrt fühlen? Zeugt eine Satire nicht vom Überschreiten eines gewissen Bekanntheitsgrades? Die Chancen, dass Volant & Quist hier als Verlierer rausgehen, stehen meiner Meinung nach ungemein gering.
Das Ärgerliche dabei ist, dass umgekehrt kleine Verlage und Autoren oft nicht in der Lage sind oder sich nicht trauen, sich gegen vermeintliche Verletzung eigener Buchtitel durchzusetzen.
„in doppelter Hinsicht keinen Spaß verstehe, denn der Titel würde sich »in höchstem Maße respektloser und ignoranter« Weise über das »traurige Schicksal der Wanderhuren im Mittelalter« lustig machen.“
Wenn es denn sowas wirklich gegeben hat – Wanderhuren – dann kann man sich wohl schwer auf die Originalität des Titels berufen. Dann ist es ja nur eine Branchenbezeichnung. Oder?
Auweia, ob ich mein “15 Schattierungen von Quarzbraun” umbenennen sollte? Jedenfalls könnten meine fast nicht vorhandenen Verkäufe die Argumentation des Gerichts gut widerlegen 😉
Wie sich das wohl auf “Der 40-Jährige, der aus dem Golf stieg und verschwand” auswirkt? Kein Witz, das Buch erscheint wirklich!