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»Frankenstein« von Mary Shelley als Schmuckausgabe – Das Monster neu entdecken

Frankenstein: Cover der Ausgabe im Coppenrath Verlag
Frankenstein: Cover der Ausgabe im Coppenrath Verlag

Eine 17-Jährige hat das wohl bekannteste Monster der Weltgeschichte erschaffen, das fälschlicherweise »Frankenstein« genannt wird. Unser Bild davon ist vor allem durch den Schauspieler Boris Karloff geprägt. Dabei lohnt es sich, das Original von Mary Shelley zu lesen. Im Coppenrath Verlag ist eine wunderschöne illustrierte Schmuckausgabe erschienen.

Mit dem Roman »Frankenstein« verhält es sich ähnlich wie mit »Dracula«. Durch die Verfilmungen und Bearbeitungen der Stoffe glauben wir, die Geschichten und Charaktere zu kennen. Dracula und Frankenstein sind zu Ikonen der Popkultur geworden, doch nur wenige dürften die Romanvorlagen gelesen haben. Bei Dracula haben wir dies an anderer Stelle mit Nachdruck empfohlen, bei »Frankenstein« tun wir dies (erneut) hier.

Frankenstein: Auf der Leinwand. Unten das berühmte Monster, das Boris Karloff verkörpert hat.
Frankenstein: Auf der Leinwand. Unten das berühmte Monster, das Boris Karloff verkörpert hat.

Viele halten das Wesen mit den Elektrobolzen am Kopf für Frankenstein. Die Darstellung des Monsters durch Boris Karloff im Schwarzweißfilm von 1931 prägte sich in das kollektive Gedächtnis ein. Den typischen Quadratkopf-Look schuf der Maskenbildner Jack P. Pierce. Tatsächlich ist das Monster nicht Frankenstein, sondern eben »Frankensteins Monster«. Es hat keinen Namen. Sein Schöpfer war der in Ingolstadt lebende Arzt Viktor Frankenstein. Dessen Nachname wurde umgangssprachlich auch zum Namen des Monsters. Er erschuf das Wesen aus Leichenteilen und erweckte es, wie in vielen Filmen eindrucksvoll inszeniert, mit der elektrischen Ladung eines »eingefangenen« Blitzes zum Leben.

»Frankenstein oder Der moderne Prometheus«, wie der Roman mit vollem Titel lautet, ist kein Werk mit übersinnlichen Elementen. Er neigt zur Science-Fiction und greift galvanische Experimente auf. Literarisch wird das Werk dem »Schauerroman« (gothic novel) oder der englischen Romantik zugeordnet. Die Einstufung als »Horrorroman« mag, trotz der entsprechenden Verfilmungen, nicht ganz treffend sein, da der Roman viele philosophische Themen aufgreift, darunter Mary Shelley’s Reflexion über die Rolle des Schöpfers und die Verantwortung gegenüber seiner Schöpfung sowie die Idee der »Überwindung der Natur«.

Im Jahr 1816 reiste die 17-jährige Engländerin Mary Godwin mit ihrem späteren Mann Percy Shelley an den bei Engländern beliebten Genfer See. Dieses Jahr ging als »Jahr ohne Sommer« in die Geschichte ein, da der 1815 in Indonesien ausgebrochene Vulkan Tambora weltweite Auswirkungen aufs Wetter hatte. In Europa regnete es ungewöhnlich viel. In der von Lord Byron gemieteten Villa erfanden und erzählten sich die Gäste Schauergeschichten. Hier dachte sich Mary Godwin, die später Mary Shelley hieß, die Geschichte von Frankenstein aus, die 1818 zunächst anonym veröffentlicht wurde.

Noch mehr Frankenstein: 2021 las, baute und erklärte Wolfgang Tischer »Frankenstein« auf Twitch

Ähnlich wie »Dracula« ist der Roman zum Teil in Briefen erzählt. Die Perspektive wechselt zudem zu verschiedenen Ich-Erzählern, darunter das Monster selbst. Das hässliche Monster leidet darunter, dass es von den Menschen nicht akzeptiert, ja bekämpft, gehasst und gejagt wird. Das zu Beginn gutmütige Monster, das Sprechen und Schreiben lernt und sich bildet, wird immer verbitterter und bösartiger. Da es von den Menschen verstoßen wird, fordert es von seinem Schöpfer Frankenstein, er solle ihm eine Partnerin erschaffen.

Die Lektüre des Romans lohnt sich, da er interessant konstruiert ist und ein anderes Bild von Frankenstein und seinem Monster zeigt, als das, das wir durch filmische Umsetzungen kennen.

Im Coppenrath Verlag ist eine üppig ausgestattete illustrierte Schmuckausgabe erschienen, der z. B. die Briefe einiger Protagonisten als Faksimile beiliegen oder Infos zu den erwähnten Verfilmungen. Ein haptisches Lesevergnügen. Der Text folgt der Übersetzung aus dem Jahre 1987 von Ana Maria Brock mit einem 2023 geschriebenen Nachwort von Martin Engelmann.

Wolfgang Tischer

Mary Shelley; Martin Engelmann (Epilog); Ana Maria Brock (Übersetzung): Frankenstein: oder Der neue Prometheus: Horror-Klassiker mit 10 aufwendig gestalteten Extras. Durchgehend illustriert, blauer Folienschnitt, mit Leseband (Große Schmuckausgabe). Gebundene Ausgabe. 2023. Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783649646099. 30,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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