Bestsellerautor Stephen King veröffentlichte erstmalig sein neuestes Werk »Riding the Bullet« ausschließlich in elektronischer Form als so genanntes eBook, das zum Preis von 2,50 Dollar im Internet heruntergeladen werden kann (wir berichteten). Fast schon stolz verkündete man beim Verlag Simon & Schuster, dass aufgrund der vielen Abrufe Internetserver zusammenbrachen. In wenigen Tagen waren fast eine halbe Million Exemplare »downgeloadet«.
Das ganze war eindeutig als Werbekampagne für das elektronische Buch angelegt, denn beim Online-Kaufhaus Amazon.com konnte das Werk sogar kostenlos heruntergeladen werden, was natürlich in den Pressemitteilungen des Verlages nicht ganz so laut verkündet wurde. Kein Wunder also, dass die Abrufzahlen hoch und die Server überlastet waren.
Doch egal ob kostenlos oder für den mehr als symbolisch anzusehenden Preis von 2,50 Dollar, jede der Dateien war mit einem Kopierschutz versehen. Im Fall der Version, die bei Amazon erhältlich war, handelte es sich um eine erweiterte Form des von der Firma Adobe entwickelten PDF-Formats. Sowohl Adobe als auch die Firma Glassbooks bieten in der neuesten Version ihrer Lesesoftware spezielle Verschlüsselungs- und Zahlungsoptionen an, die es erlauben sollen, dass die elektronischen Bücher nur auf einem Rechner gelesen werden können. Ein Speichern, Ausdrucken und Nutzen der Dokumente auf anderen Rechnern ist nicht möglich.
Wie bei Spielen und digitaler Musik ist der Kopierschutz von elementarer Bedeutung, wenn es darum geht, dass die Nutzer rechtmäßig in den Besitz der Ware kommen sollen und die Zahl der Raubkopien gering bleiben soll.
Die Erzählung von Stephen King war in unterschiedlichen Formaten erhältlich, und jeder der eBook-Hersteller rühmt sich damit, ein sicheres Verfahren für den Vertrieb eingebaut zu haben – eine Aussage, über die Computerexperten nur lächeln, denn was digital und verschlüsselt ist, dass lässt sich mit genügend krimineller Energie und Computerwissen auch entschlüsseln. Eine leidvolle Erfahrung, die auch Microsoft machen musste, nachdem das angeblich sichere Verfahren für den digitalen Musikvertrieb bereits nach wenigen Tagen geknackt war.
Ähnliches zeichnet sich nun auch für den Buchmarkt ab und lässt die Premiere zum Desaster werden. Auch hier kursierten bereits wenige Tage später Raubkopien in den Newsgroups und die Computerzeitschrift PC Welt brüstet sich auch damit, einen Weg gefunden zu haben, den neuen digitalen King auch aufs Papier bringen zu können. Das Verfahren jedoch ist nicht reichlich spektakulär: Man fertigt einfach Bildschirmausdrucke (Screenshots) an. Jedoch: Ein einfaches Schrifterkennungsprogramm wandelt diese Dateien schnell und verlustfrei in echte Textdateien um, welche per eMail schnell millionenfach verbreitet werden können.
Verlage und Autoren werden so um ihre Einnahmen betrogen und somit dürfte der eBook-Vertrieb durch die Aktion mit Stephen King eher abschreckende Wirkung haben, denn niemand möchte so einfach um die Früchte seiner Arbeit betrogen werden.
Aus einer Ecke blieb es bislang merkwürdig ruhig: aus der des Buchhandels. Das erstaunt, denn das elektronische Buch in seiner Vertriebsform macht den Buchhandel im Endeffekt überflüssig. Da erstaunt es, dass besonders auch in Deutschland immer noch Argumente wie »auf dem Notebook lese ich doch nicht am Strand« herangezogen werden. Trotz der negativen Erfahrung mit dem neuen King-Titel dürften elektronische Bücher in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen, und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.