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150.000 Euro an Bundesmitteln für die Frankfurter Allgemeine Zeitung?

Ein aktueller Screenshot vom 02.02.2007Im Juni 2006 ging www.literaturportal.de online. 150.000 Euro an Bundesmitteln flossen in dieses überflüssige Portal, das das Literaturarchiv Marbach zu verantworten hat. Wir wollten in einem offenen Brief an Minister Neumann wissen, aus welchem Grund dieses Projekt eine solch hohe Fördersumme erhalten hat, die die Website in keiner Weise widerspiegelt. Der Brief blieb unbeantwortet. In der Tradition von Altkanzler Kohl sitzt der Minister das Problem aus. Allerdings wissen wir, dass unser Brief für einige Aufregung im Ministerium sorgte und der Minister gar nicht mehr gut auf das Portal zu sprechen ist.

Damals sagten wir bereits voraus, dass das Portal schnell zur Ruine werden wird. Ein aktueller Blick auf das Web-Angebot zeigt, dass unsere Prophezeiung schon nach einem halben Jahr eingetreten ist. Es hat sich seit der Eröffnung dort so gut wie nichts getan. Zuverlässig spuckt die Datenbank die aktuellen Autorengeburtstage als Kalenderblatt aus. Der Literaturkalender, der seinerzeit von den Marbacher Machern als eines der Kernstücke des Portals gelobt wurde, nennt für den heutigen Freitag für ganz Baden-Württemberg gerade mal fünf Literaturveranstaltungen – allein vier davon sind Dauerausstellungen.

Das Aktuelle Thema der Startseite verweist (verwaist?) auf ein Online-Projekt des kooperierenden Goethe-Institus – ein Projekt, das bereits im Oktober 2006 beendet wurde. Seitdem wurde das Aktuelle Thema nicht mehr aktualisiert. Ein übliches Problem öffentlicher Projekte, bei denen versäumt wurde, Mittel für die redaktionelle Pflege bereitzustellen.

Interessant jedoch, dass auf der Startseite des Portals Werbung für das Audio-Dossier der FAZ zu finden ist. Und schaut man einmal auf die Website von faz.net, so entdeckt man dort nahezu ein 1:1 Abbild von www.literaturportal.de, einschließlich Literaturkalender und Autorenportraits. Profitiert hier die FAZ indirekt von den 150.000 Euro an Steuermitteln? Oder hat der kulturkurier, der bei beiden Angeboten als Partner genannt wird, eine mit Bundesmitteln bezuschusste Software ein zweites mal an die FAZ verkauft?

Das erste mag man beurteilen wie man will, das zweite kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden. In der Regel sind solche inhaltlichen Übernahmen Geschäfte auf Gegenseitigkeit. Die FAZ bekommt Werbefläche auf literaturportal.de und integriert bei sich den Inhalt. Sie fragen sich nun, worin die Gegenseitigkeit besteht, denn das wären ja gleich zwei Vorteile für die FAZ? Ob der maue Inhalt tatsächlich ein Vorteil ist, sei dahingestellt. Allerdings werden die Projektverantwortlichen in Marbach, wenn sie denn mal vom Geldgeber nach "Zugriffszahlen" gefragt werden, stillschweigend und wie selbstverständlich die Besucher auf den FAZ-Seiten mitzählen. Ein im Online-Bereich nicht unübliches Geschäftsgebaren, um die Zahlen zu schönen.

Üblicherweise wäre auch zu erwarten, dass sich aktuelle Kulturmeldungen von faz.net auf literaturportal.de wiederfinden, um dem toten Portal einen Anstrich von Leben zu verleihen. Dies ist jedoch bis heute nicht der Fall. Wahrscheinlich hat man es auf Seiten der Marbacher noch nicht technisch realisieren können. Oder es fehlen einfach weitere Gelder für die Umsetzung.

Wie das Börsenblatt in seiner Ausgabe 3/2007 berichtet, hat man sich von diesen Pannen in Marbach jedoch nicht entmutigen lassen. Man will nun die Machbarkeit eines übergreifenden Literaturportals in einer Studie überprüfen. Allein für diese Studie, so ist aus gut unterrichteten Kreisen zu hören, will man beim Bundesminister einen weiteren fünfstelligen Eurobetrag anfordern.

Vielleicht sollten wir Herrn Neumann wieder mal einen Brief schreiben?

Nachtrag: Beim Erstellen des kleinen Bildchens aus dem Screenshot für diesen Artikel ist uns aufgefallen, dass auf literaturkalender.faz.net heute am 2. Februar 2007 immer noch der der 27. November 2006 als aktuelles Datum angezeigt wird. Die unverkennbare Handschrift, wessen Kompetenz hinter diesen Daten steckt.

Nachtrag 2: Verfolgt man aufgrund dieser Tatsache einmal technisch den Weg, den eine Anfrage an literaturkalender.faz.net geht, so stellt man fest, dass der Webserver, auf dem das Angebot zu finden ist, in der Tat nicht von der FAZ betrieben wird, sondern vom kulturkurier. Das wiederum dürfte dann doch eher darauf schließen lassen, dass man dort an der ganzen Sache verdient.

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