StartseiteVito von Eichborn: BüchermachenBüchermachen XIX: Aus dem Alltag einer messefernen kleinen Agentur

Büchermachen XIX: Aus dem Alltag einer messefernen kleinen Agentur

Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.

Eine Kolumne von Vito von Eichborn

Während die Messe brodelt, sitze ich vergnügt in der Stille auf der Terrasse und genieße dieses unglaubliche Wetter – ein Segen, dass ich nicht zum Massenauftrieb gefahren bin. Vergnügt bin ich aber sowieso. Seit Beginn dieser Kolumne hatte ich zig Anfragen von Autoren – nix war bislang dabei, dem ich eine Chance im Buchmarkt zugetraut hätte. Und nun plötzlich kamen gleich mehrfach sehr ernstzunehmende Projekte.

Eine Autorin klopfte an. Wie immer ich: Bitte Exposé und Leseprobe. Und, was isses? Ein Frauen-Roman! Eine Kategorie, die mich nie interessierte – da bin ich doch gar nicht kompetent. Dann lese ich hinein und lese weiter – verdammt, das ist stimmig, sauber, glaubwürdig! Kurz: Jetzt haben wir einen Agenturvertrag miteinander.

Dann stellt sich heraus, dass sie mit einer befreundeten Autorin gemeinsam schreibt. Ich sehe deren Webseite mit einer ganzen Reihe selbstverlegter Bücher, bin noch skeptisch – dann kommen Exposé und Leseprobe – absolut professionell! Was nun? Richtig, noch ein Vertrag. Ich bin jetzt Genre-Agent für Frauenunterhaltung – und immer noch ganz verdutzt.

Beide muss ich nun um Geduld bitten. Bis in einem Verlag wirklich geprüft wird – das dauert. Inzwischen mache ich mich schlau, welche Lektorin in welchem Haus zuständig ist für die Bücher in diesem Segment. Einige sind mir bekannt, meine Liste wächst. Nächste Woche ist Nachmessezeit – in zwei Wochen beginnt mein vielleicht langer Marsch durch die Verlage. Nix kann ich versprechen. Beide Autorinnen sind kompetent, schreiben mit Leidenschaft, aber nein, nach veritablen Bestsellern schmecken die Romane (noch) nicht und Midlist-Titel haben’s nicht leicht. Beide brauchen ein kompetentes Gegenüber – und Unterstützung auf dem Weg zu hoffentlich größerem Erfolg. Den traue ich ihnen zu, sonst hätte ich mich nicht drauf eingelassen.

Es tauchte sogar eine dritte Autorin auf, deren Sprache mir in der Leseprobe aus dem Stand gefiel – sehr witzig, lebendiger Zeitgeist. Doch das Manuskript überzeugte nicht. Ich schrieb ihr sinngemäß: Wie Sie schreiben, ist klasse – aber ich finde nicht heraus, was sie erzählen wollen. Schwacher Plot, fehlende Spannung, letztlich: Selbstzweck, abgeschriebene Wirklichkeit. Wenn sie den richtigen Stoff entwickelt, mit mehr Hintergrund und doppeltem Boden – wer weiß?

Nebenbei – mit derartigen Projekten laufen viele auf der Messe rum. Das ist witzlos, da kann ja nun niemand was prüfen – die Standardantwort ist: Schicken Sie’s mir. Und dann landet es auf dem üblichen Berg eingesandter Manuskripte.

Und, ja, da gibt’s noch einen Hoffnungsträger. An dieser Stelle hatte ich gefragt: Wer schreibt einen intelligenten Fußballroman? Der Autor setzte sich hin – diese zehn Seiten sind absolut überzeugend! Boah. Intelligent, lebendig, der hat richtig Ahnung von Fußball und kann schreiben – das will ich weiterlesen. Ich lasse mich überraschen.

Schließlich gab’s einen Schlaumeier. Er meinte »Hitler geht immer« und schickte ein Leerbuch mit einem lustigen Hitler-Cover – das solle zum Tagebuch werden. Wenn’s so einfach wär! Erstens ist die Idee nicht zu schützen, Blindbände mit was Neckischem drauf kann jeder produzieren. Zweitens gibt’s für den platten Un-Sinn keinen Verlag. Und wer will täglich mit Hitler zu tun haben – und sei’s ironisch?

So, pardon, dies war persönlich aus der Werkstatt. Was wichtig ist, läuft auf der Messe – da kann ich ja mal Alltägliches berichten. Und vielleicht wird diese Kolumne nicht mehr wöchentlich, sondern unregelmäßig erscheinen, mal schaun.

Ich wünsche gutes Gelingen!

Vito von Eichborn

Bewerbungen? Fragen? Meinungen? Manuskripte? Kommentare? Vito von Eichborn freut sich über Rückmeldungen! Am besten unten in den Kommentaren oder per Mail an buechermachen(at)literaturcafe.de.

Vito von Eichborn, 1943 geboren, Studium, Journalist und Aussteiger, begann 1973 im Lektorat bei Fischer in Frankfurt. 1980 Gründung des Eichborn Verlags, den er 1995 freiwillig verließ: »Das war der Fehler meines Lebens.« Geschäftsführer bei Verlagen in Hamburg. Lebt seit 2007 in Bad Malente. Gründete zwischenzeitlich auf Mallorca den Verlag Vitolibro, den er mit norddeutschen Regionalia, literarischen Ausgrabungen und Kuriosa fortsetzt. Ist manchmal Agent für Autoren (»nur, wenn das Projekt marktfähig ist«), schreibt, lektoriert, entwickelt Projekte.

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