Unregelmäßig und immer am Samstag berichtete der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn (1943–2023) über das Büchermachen. Es ging ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redete Klartext, räumte mit Vorurteilen auf – und wollte zum Widerspruch anregen.
Eine Kolumne von Vito von Eichborn
Heute will ich mal auf eine Lücke für Autoren aufmerksam machen: Wann schreibt endlich ein deutscher Autor den großen Fußballroman? Statt erneut Kindheit und Heimat, Psyche und Seele als Vorlage zu nutzen – im Fußball steckt doch alles, was Menschen ausmacht!
Es gibt endlos viele Ratgeber, natürlich Kinderbücher, Rekorde, Tricks und Quiz zum Thema. Natürlich – von Bomber Müller bis Klopp – Promis und Autobiografien – allein Beckenbauer schaffte etwa ein Dutzend. Zur WM wurden eine ganze Reihe von Fußballbüchern produziert, die sportliche Pleite hat wohl hunderttausende von Verkäufen verhindert; einige stehen dennoch auf den Bestsellerlisten. Und über jeden größeren Verein gibt’s Fan-Bücher – bei den großen auch gleich ein Dutzend.
Und es gibt ja durchaus eine ausgesprochen gehobene Fußballszene. Einerseits rund um die kluge Zeitschrift »11 Freunde« – laut Wikipedia: »Das Magazin war eine der ersten Publikationen, die die ‚Wiederaneignung‘ des Fußballs durch die Intellektuellen erkannten. « Mit dem wohl renommiertesten Fußball-Autor Christoph Biermann und seinen vielerlei sehr intelligenten Büchern. Andererseits gehört Fußball ja überall zu einem der letzten Themen, über das alle was mitzureden haben. Es gibt also eine breite bücherlesende Kundschaft für den neuen Roman – und weit offene Türen in den Medien, denn auch die Journaille liebt Fußball.
Kritik hat es da offensichtlich schwerer. Weil ich mich so über den Verbrecher Hoeness aufregen kann, habe ich einen entlarvenden Zitatenschatz über den FC Bayern in meinem Kleinverlag veröffentlicht – nicht sonderlich erfolgreich. Und der Song »Der Bayer « von Mister Böse, den ich auf YouTube entdeckte, wird offensichtlich wenig angeklickt. Nun ja, die Texte sind wirklich gemein, aber verblüffend einfallsreich aus der Kunstgeschichte illustriert. Sollte man den Bayernfreunden mal auf dem Smartphone vorspielen. Welcher Fan lässt seine Helden bloßstellen und seine zweite Heimat beschimpfen?
»Die Angst des Tormanns vorm Elfmeter« – wow, was für ein genialer Buchtitel von Meister Handke, der sich ja immer auch aufs Verkaufen verstand. Dabei spielt Fußball in dem Roman überhaupt keine Rolle – es ist ein Krimi, wurde 1970 sein erster Bestseller. Es gab ja immer mal durchaus literarische Autoren, wie Friedrich Torberg und Ludwig Harig, die weitgehend vergessen sind. »Das nächste Spiel ist immer das schwerste« von Ror Wolf wurde wieder aufgelegt und ist auch heute eine gewinnbringende Lektüre. Auch er schrieb – wie viele, bis zum großen Robert Gernhardt – Gedichte über Fußball. Nick Hornby schließlich schrieb mit »Fever Pitch« 1992 den wohl einzigen Fußballroman, der zum Bestseller wurde (übrigens autobiografisch). Tolles Buch.
Ich denke, es wird höchste Zeit, dass jemand heute dieses zweifellos trächtige Thema auf die literarische Agenda setzt. O Mann, wie viele Möglichkeiten stecken darin – Kindheit und Philosophie, alle Leidenschaften von Liebe bis Hass, viel Geld und viel Prominenz, ja, auch Verbrecher … Wer ein Exposé und zehn fertige Seiten hat – wenn das richtig was taugt, mach ich gerne den Agenten!
Vito von Eichborn
Manuskripte? Fragen? Meinungen? Kommentare? Vito von Eichborn freut sich über Rückmeldungen! Am besten unten in den Kommentaren oder per Mail an buechermachen(at)literaturcafe.de.
Im September erscheint im Muenchner MoriskenVerlag mein FussballRoman BESÄUFNISERREGEND.