Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.
Eine Kolumne von Vito von Eichborn
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Nun kam eine Frage, die das Verhältnis von Verlag und Autor berührt: »Warum legt immer der Verlag Cover und Titel fest, obwohl der Autor vielleicht was ganz anderes besser findet?«
Naja, zunächst mal steht das so in den Verträgen. (Wenn der Autor nix anderes durchgesetzt hat – da gibt’s die erstaunlichsten Paragrafen. Ich erinnere den Autor, der zu allen Veranstaltungen auf einem Fahrer bestand. Und die Autorin auf absoluter Ruhe im besten Hotelzimmer, um arbeiten zu können.) Der Grund für die Klausel im Normvertrag ist sehr einfach: Autoren sind selten gute Verkäufer. Sie entscheiden in letzter Instanz über ihre Inhalte. Da muss der Verlag im Konfliktfall dem Autor gehorchen, solange der keinen juristisch angreifbaren Unsinn schreibt. Das Cover jedoch und der Titel sind nicht »Inhalt«, sondern Verpackung eines zu verkaufenden Produkts. Und die wird im Vertrieb entschieden – übrigens oft auch zum Leidwesen der betreuenden Lektoren, die eben tendenziell auch eher »inhaltliche Menschen« als Marketingspezialisten sind.
Bei Coverdiskussionen habe ich schon alles erlebt, mit den größten Krächen, die man sich denken kann , weil 1. buchstäblich jeder eine Meinung dazu hat, bei Ideen und Entwürfen also seinen Senf dazu gibt. Wer hat Geschmack gepachtet, wer differenziert Qualität und Verkaufsqualität? Und 2. weil es keine überprüfbare beste Lösung gibt. Wenn das Buch erfolglos ist, war natürlich nicht etwa der Inhalt, sondern die Gestaltung schuld …
Fast immer jedoch einigen sich die Partner Autor:Verlag sehr friedlich – zumal letzterer auch will, dass der Autor zufrieden ist. Der soll sich ja mit seinem Buch – spätestens auf der Lesereise – identifizieren. Klar gibt es Reibereien. Meist jedoch überwiegt das partnerschaftliche Miteinander.
Zu Konflikten Autor vs. Verlag: Etablierte Autoren haben es natürlich leichter, ihre Wünsche durchzusetzen. Und wenn sie ihren Willen nicht bekommen, wechseln sie mit dem nächsten Buch den Verlag. Der vielleicht (wie bei Fußballern der Verein) längst mit höherem Vorschuss winkt. Oder der Autor hat’s seinem Agenten zur Auktion gegeben, weil ihm die Kohle am wichtigsten ist …
Oder er tickt amerikanisch – wie seinerzeit Irene Dische. Um die Taschenbuchlizenz von dem erstaunlichen Erfolg ihrer Erzählungen »Fromme Lügen« in der Anderen Bibliothek kloppten sich Fischer und Rowohlt (war nett, der zahlte meine verlangten 100.000 Mark), um das nächste Buch buhlten Piper, Rowohlt und Suhrkamp. Auch mit viel Geld. Hierzulande ist Verlagstreue weitgehend noch üblich, in den USA ist das selten. Als Martin Walser nach einem Leben mit Suhrkamp zu Rowohlt umzog, war das außergewöhnlich – aber nicht wegen der Kohle; der hohe Herr fühlte sich nicht mehr gut betreut. Ist ja legitim.
Also, kurzgefasst: Je größer sein Erfolg, desto größer die Macht des Autors. Ich erinnere mich noch an das zickige Verhalten von Robert Schneider, der jetzt (20. Juli 2018) im Interview der Süddeutschen lieb daherredet. Sein Roman »Schlafes Bruder« war 24 Mal abgelehnt worden, erschien 1995 im kleinen Ex-DDR-Verlag Reclam Leipzig, wurde ein Welterfolg – und der Autor ließ sich richtig teuer von den Bertelsmännern für den Blessing Verlag kaufen. Das war’s dann, es kam nichts mehr von Belang. Blöd, wenn die Wirklichkeit aus dem aufgepumpten Ego die Luft ablässt.
Vito von Eichborn
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Vielen Dank lieber Herr von Eichborn für Ihre Kolumne. Ich lese Sie immer mit viel Freude, weil Sie eine realistischere Perspektive einbringen als viele Blogger, die Selbstverleger mit erdachten Informationen verwirren (den Begriff „Möchtegernautoren“ verwende ich niemand, da ein Mit-Leser dies als Herabwürdigung verstanden hat). Mir bringt Ihre Kolumne manch neue Einsicht, obwohl ich mich mit dem Thema „Marketing“ und Verlagsinteresse schon seit Jahren auseinandersetze. Es ist immer gut, Informationen von einem Insider zu bekommen.
Als treuer „Reaktionär“ Ihrer Kolumne muss ich natürlich auch dieses Mal meinen Senf dazu geben. Der Verlag wie der Autor haben das gleiche Interesse: Sie wollen, dass das Buch sich verkauft. Hier sind wir uns sicher einig. Dass es viele Autoren gibt, die von wirtschaftlichen Fragen und Marketing keine Ahnung haben, auch da stimme ich Ihnen bedenkenlos zu. Aber ist dies immer so? Mitnichten! Ein bewusst arbeitender Autor wird sich von Anfang an mit einem passenden Titel auseinandersetzen und er wird versuchen das „A“ der AIDA-Formel im Titel zu berücksichtigen (AIDA = Atention – Interest – Desire – Action). Der Titel muss Aufmerksamkeit erwecken. Punkt. Er muss provozieren oder lustig sein oder positive Erwartungen wecken und natürlich darf er keinesfalls im Widerspruch zum Genre stehen. Da die Titelgestaltung, wie das Cover auch, der Mode unterliegt, wird der Autor durch diverse Buchhandlungen schlendern und Titel nebst Covern studieren. Berücksichtigt man all dies, so ist es mitunter unverständlich, wenn Experten, die sich mit dem Werk kaum auseinandergesetzt haben, einen flüchtigen Gedanken, der ihren Kopf durchzieht, zu einem Titel umformen und dem Autor aufdrücken.
Noch ein Rat, den ich Autoren aus meiner Erfahrung mitgeben möchte, wenn es ihnen gelungen ist, einen Verlag zu finden: Kümmert euch um den Titel und wie das Cover aussehen soll. Es gibt eine Person, die sich ebenso intensiv wie ihr mit dem Werk auseinandergesetzt hat wie ihr: der Lektor. Macht ihn zum Verbündeten und bittet ihn, sich für euren Titel einzusetzen (falls der vorgeschlagene Verlagstitel nicht besser ist!!!). Sodann geht her und sucht im Internet Buchcover, von denen ihr glaubt, dass sie zu eurem Roman passen könnten. Macht eine Sammlung davon und schickt sie an den Verlag. Der Designer verdient nämlich nicht viel Geld mit dem Cover und freut sich, wenn er aus Ideen schöpfen kann. Was mir gelungen ist: Ich habe den Kontakt zum Stadtarchiv von Pforzheim herstellen können und mein Verlag von „Nur der Tod vergisst“ konnte Dank einer engagierten Mitarbeiterin des Stadtarchivs ein tolles Foto verwenden, das das zerbombte Pforzheim zusammen mit einem einsamen Mann zeigt. Genial!
Nein, dem Verlag den Titel alleine zu überlassen, halte ich für keine gute Idee, falls der Autor selbst in die Mokassin der Vertriebsleute des Verlags schlüpfen kann und sich intensiv mit dem Vermarkten beschäftigt.
Lieber Herr von Eichborn – ich möchte mich ebenfalls für Ihre Kolumne bedanken, die ich seit einiger Zeit mit großem Interesse lese. Vor vielen Jahren war ich selbst noch eine der letzten Schriftsetzerinnen im Bleisatz und Bücher, bzw. alles was mit Büchern zusammenhängt sind mein großes Interesse. Mich würde interessieren – da sich dieser Beitrag um das Buchcover dreht – wieso passiert es immer wieder, dass völlig verschiedene Bücher das gleiche Cover bekommen? Manchmal ist es sogar so, dass die Bilder nicht nur zweimal sondern mehrmals genommen werden. Lieben Gruß und ich freue mich schon auf die nächste Kolumne.
Tja, Frau König, einerseits gibt’s ja sowas wie diesen merkwürdigen Zeitgeist, der uns in die Hirne kriecht. Außerdem sind naturgemäß klassische Bilder besonders gefragt – weil sie rechtefrei nix kosten. Generell Frauen, die zur Identifikation einladen, tauchen häufiger auf. Bekanntlich werden 70 % der Romane von Frauen gekauft. Gesichter, die uns anschauen – wenn das Cover mich anblickt, passiert was. Bestimmte Naturmotive, die zeitlos atmösphärisch sind.
Nehmen wir mal an, es gäbe 1000 geeignete Motive aus der bildenden Kunst – klar, dass wir bei der Recherche manchmal aufs selbe stoßen, um bestimmte Kaufimpulse auszulösen.