Anzeige
StartseiteBuchkritiken und TippsEin Roman und fünf Kritiken: Politthriller »Romanzo Criminale« im Test

Ein Roman und fünf Kritiken: Politthriller »Romanzo Criminale« im Test

Giancarlo De Cataldo: Romanzo Criminale (Folio Verlag)Es war ein Experiment: Vor gut sieben Wochen haben wir Testleserinnen und Testleser für den Politthriller »Romanzo Criminale« gesucht, der im Folio Verlag erschienen ist. Wer fürs literaturcafe.de eine Kritik zu diesem Buch schreiben wollte, der erhielt den 600 Seiten starken Roman kostenlos vom Verlag zugeschickt.

Die Zahl der Bewerber war hoch und heute lesen Sie die vier Kritiken zum Buch, die den italienischen Mafia-Thriller aus dem Jahre 2003, der in diesem Jahr erstmalig in deutscher Übersetzung vorliegt, unter die Lupe nehmen.

Vier Kritiker haben das Buch gleich gelesen und gut 14 Tage nach Versand des Romans lagen uns am 5. April vier Kritiken vor. Großartig! Bei einer Rezensentin kam etwas dazwischen, daher ging ihre Kritik erst am 25. Mai online und war jedoch umso ausführlicher.

Es ist interessant, die fünf unterschiedlichen Kritiken zu lesen. Bis auf eine sind sie sehr positiv. Fast durchweg bemängelt wird das Cover, das der Qualität des Inhalts offenbar nicht gerecht wird.

Da uns zahlreiche Anfragen von Lesern erreicht haben, die auch gerne einmal testlesen wollen und ebenso einige Verlage Interesse an einer solchen Aktion geäußert haben, überlegen wir derzeit, eine entsprechende Aktion regelmäßig anzubieten. Abonnieren Sie am besten unseren Newsletter, der Sie über solche und andere Aktionen informieren wird. Doch nun zu den vier Besprechungen.

Eine Geschichte ohne Helden

Eine Buchbesprechung zu »Roamanzo Criminale« von Carola Ottenburg

Mal ehrlich: Im Laden hätte ich dieses Buch wahrscheinlich keines zweiten Blicks gewürdigt. Schon das Cover hätte mich abgeschreckt: Auf der Vorderseite der Titel in Magenta über dem Foto eines Jugendlicher mit Knarre, auf der Rückseite vier weitere Bewaffnete mit schlecht sitzenden Sturmhauben, dazu das Versprechen von Macht, Sex und Drogen – das erinnert an billig gedrehte Vorabendserien. Das es um einen Politikthriller gehen soll, hätte ich fast überlesen. Dem Buch wird diese Aufmachung in keiner Weise gerecht.

Wer spritzendes Blut, Gewaltexzesse oder emotionale Ausnahmezustände erwartet, sollte ebenfalls die Hände von diesem Buch lassen. Er wird enttäuscht werden. Gewalt findet zwar statt, aber sie wird nur erwähnt und nicht gefeiert, wie in amerikanischen Thrillern. Der Blick gleicht eher dem eines Ethnologen, der eine fremde Gesellschaft beobachtet und dabei Beziehungen und Rituale protokolliert. Entsprechend nüchtern und distanziert ist die Sprache, so dass das Buch fast wie ein Sachbuch wirkt. Das ist insofern passend, als die geschilderten Vorgänge eine reale Vorlage haben, nämlich den Aufstieg und Fall der Magliana- Bande, die fast zwei Jahrzehnte die römische Halb- und Unterwelt beherrschte.

Die Geschichte beginnt Ende der 70er mit dem Entschluss zweier römische Straßengangs, zusammen zu arbeiten und in großem Stil in das Drogengeschäft einzusteigen. Von Beginn an besteht ihr Ziel darin, Rom zu beherrschen. Anders, als konkurrierenden Gruppen organisieren sie sich aber nicht hierarchisch, sondern als „Zellen“ mit eigenen Verantwortungsbereichen, teilen die Gewinne und richten sogar so etwas, wie eine Sozialkasse für Hinterbliebene und Angehörige von Inhaftierten ein. Auf diese Weise (und mit erheblicher Brutalität, wenn es notwendig ist) gelingt es ihnen nicht nur, sich zu behaupten, sondern ihr Engagement auch auszuweiten – teils legal, teils illegal. Die Justiz scheint machtlos – weil die Gangster sich darauf verstehen, die Schwächen des Systems und die Korrumpierbarkeit seiner Angehörigen auszunutzen.

Allerdings müssen die Protagonisten bald feststellen, dass selbst Verbrechen im großen Stil nicht ohne gute Beziehungen möglich ist. Sowohl die Mafia, als auch der Geheimdienst setzen die Bosse unter Druck und bedienen sich der Bande zur Durchsetzung der eigenen Ziele. Auch Ultrarechte suchen den Kontakt und wieder andere profitieren direkt oder indirekt von den Straftaten: Verteidiger, Ärzte, bestechliche Polizisten und Justizangehörige.

Es ist eine Geschichte ohne Helden, aber eine sehr menschliche. Eine, die ohne heroischen Polizisten oder Richter auskommt, der allein gegen die Mafia kämpft. Es gibt lediglich einen immer desillusionierter werdenden Bulle, der stets aufs Neue am Apparat und an seiner Leidenschaft für schöne Frauen scheitert. Letztendlich trägt seine Geschichte trotzdem erheblich dazu bei, dem Roman Spannung zu verleihen, weil die Frage, ob er endgültig scheitern oder sich einen Rest Würde bewahren wird, erst ganz zum Schluss beantwortet wird.

Was mir an diesem Buch gefiel, ist gerade der schnörkellose, sachliche Stil, der Verzicht auf vordergründige Effekthascherei und die ungeschönte Beschreibung des Justizsystems, in dem der Grundsatz, dass es besser sei, einen Schuldigen laufen zu lassen, als einen Unschuldigen einzusperren, nur allzu oft eine hohle Phrase ist, die allein dazu dient, mangelndes Rückgrat oder sogar Bestechlichkeit zu kaschieren.

Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Gebundene Ausgabe. 2010. Folio. ISBN/EAN: 9783852565088. 24,90 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo de Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Mafiathriller. Taschenbuch. 2012. Aufbau Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783746627977. 14,08 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Kindle Ausgabe. 2012. Folio Verlag. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige


Der Leser als Beobachter

Eine Buchbesprechung zu »Roamanzo Criminale« von Fabian Tietz

Als ich die Buchsendung an einem warmen Märztag vor zwei Wochen öffnete, spiegelte sich die Sonne auf dem mit Pink und Schwarz eingefärbten Hochglanzeinband zu einem merkwürdigen und unruhigen Farbspiel. In Verbindung mit dem orangenen Hardcover machte das Buch von Anfang an einen äußerst aggressiven und visuell anstrengenden Eindruck auf mich. Und hätte ich es in einem Buchladen gesehen, wäre ich wohl mit bewusster Missachtung daran vorbeigelaufen. Doch nun, nachdem ich es gelesen habe, ist mir auch die Aufmachung des Buches einleuchtend. Sie ergänzt sich nämlich sehr gut mit dem Inhalt und der Zeit, in der die Geschichte spielt.

Wir haben es hier mit einer skrupellosen Bande zu tun, die mit Hilfe ihres gemeinschaftlichen Ehren- und Regelkodexes bis an die Machtspitzen Roms vordringt. Sie gewinnen Einfluss, sie machen Geld, sie nehmen sich Frauen. Und sie töten, wenn es für den Erhalt der Macht nötig ist. Doch noch wesentlicher für den Erfolg dieser Bande ist: Sie kooperieren. Oder besser gesagt, sie kaufen. Sie kaufen sich Polizisten, Richter, Politiker, Mafiosi. Alle, die für die Aufrechterhaltung der immer komplexer werdenden Geschäftsbeziehungen nötig sind. Und sie bekämpfen die Unbestechlichen. Die Zecken, die nie locker lassen.

Ein unglaublich buntes Potpourri, um es in der Sprache der Musik zu sagen. Schon die Namensauflistung im Umschlag der im Roman auftretenden Personen verschafft einen ersten Eindruck, in welche Welt man sich begibt sobald man die ersten Worte des Buches lesen wird. Hinter fast jedem Namen steht noch eine kurze Beschreibung, um die Charaktere der Figuren zu verbildlichen. Aufgeteilt in „Die von der Straße“, „Die Frauen“, „Die im Zentrum der Macht“ und „Der Chor“. Von der Straße ist zum Beispiel Mario il Sardo, ein Boss ohne Charisma. Oder eine gewisse Frau Belli, Journalistin mit linksradikaler Vergangenheit. Oder auch Ranocchia, genannt die Kröte, ein sensibler Schwuler. Im Zentrum der Macht stehen unter anderem der Polizeikommissar Scialoja oder Vecchio (der Alte), einer, den es gar nicht gibt. Schon diese kurze Aufzählung gibt einen winzigen Eindruck davon, wie vielschichtig der Autor die Zusammensetzung der Charaktere gestaltet hat.

So kontrastreich  (wie die Figuren) ist auch die Zeit, in der die Geschichte spielt. Sie beginnt Mitte der siebziger Jahre und endet Anfang der Neunziger. Also mit der gesamten Dekade der achtziger Jahre nicht nur stilistisch, d.h. farblich und geschmacklich eine sehr fragwürdige Zeit, sondern auch politisch in der heißen Phase des kalten Krieges war es natürlich ein Krieg zwischen Welten. Ebenso wie sich damals die politischen Systeme taktisch bekämpft haben, geht es auch im Buch um den Kampf zwischen der Unterwelt und der nach außen hin sauber scheinenden Bühne der Oberen, der vermeintlichen Machthaber.

Ein farbiges Wechselspiel. Es lässt sich beim Lesen schwer erahnen wie das jeweilige Kapitel endet und erst recht, wie das nächste beginnt. Die Technik des Erzählers ist nüchtern und sachlich. Aufgrund der Dialoglastigkeit wirkt es oft drehbuchartig. Dies lässt sich auch durch die szenenhafte Unterteilung der Kapitel unterstellen, die nicht selten Theater- oder Filmakten gleichen. Das macht es für das innere Auge des Lesers äußerst hilfreich, die Geschichte in geordnete Bilder zu bringen.

Der Autor De Cataldo unternimmt keine Charakterstudien. Er schwimmt immer oben. Er taucht nie tiefer in die Persönlichkeit seiner Figuren, als es die Dramaturgie seiner Geschichte nötig macht. Somit bleibt der Leser stets in der Stellung des Beobachters. De Cataldo geht es um das große Ganze, nicht um die Individuen. Ihn interessiert das große Netz des Geldes und der Verstrickungen zwischen vermeintlichen Saubermännern und der Unterwelt. Gefühle der Hauptpersonen lassen sich meist nur durch die geführten Konversationen erahnen. Der Autor selbst hält sich mit den Beschreibungen von Emotionen seiner Romanfiguren selten auf. Wenngleich gefühlsmäßig wohl auch nicht sehr viel zu holen wäre. Zu sehr sind die Beteiligten schon abgestumpft. Dollarzeichen und testosterongesteuertes Machogehabe haben sie erblinden lassen. Es ist schwer Sympathie oder Abneigung für irgendeine Figur zu empfinden. Der Leser wird auf neutralen Bahnen durch die Geschichte geführt und fühlt sich daher häufig, übertrieben gesagt, wie in einem Sachbuch. Doch das fügt dem Roman nicht zwingend Schaden zu, weil der Autor durch seine Art des Erzählens absichtlich eine Atmosphäre der Kühle erzeugt, die ab und zu durch wilde und auch brutale Sexszenen erhitzt wird. Man bekommt als Leser ein Gespür für die Anspannung, die von den Charakteren ertragen wird. Es kann jederzeit jeden treffen. Es reicht eine pure Verdächtigung, auch wenn sie falsch sein mag.

Manchmal gewinnt man als Leser den Eindruck, als habe der Autor die Geschichte mit Absicht so strukturiert, dass sie leicht verfilmbar ist. Man könnte das Buch vielleicht sogar als Konzeptbuch bezeichnen. Falls De Cataldo wirklich diese Absicht hatte, dann war er mit einer Kino-Verfilmung und einer TV-Serie, mit seinem Buch als Grundlage, mehr als erfolgreich. Alles in allem kann ich „Romanzo Criminale“ für ein paar spannende Lesetage empfehlen. Es ist voller ineinander greifender Gegensätze und überraschender Wendungen. Inhalt, Handlungszeitraum und Aufmachung sind perfekt aufeinander abgestimmt. Somit möchte ich auch dem Grafikdesigner, wie es Unterweltbosse tun, mit einem gutmütigen Lächeln die Hand schütteln.

Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Gebundene Ausgabe. 2010. Folio. ISBN/EAN: 9783852565088. 24,90 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo de Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Mafiathriller. Taschenbuch. 2012. Aufbau Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783746627977. 14,08 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Kindle Ausgabe. 2012. Folio Verlag. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Kein wirkliches Bild einer Zeit

Eine Buchbesprechung zu »Roamanzo Criminale« von Annett Lohlein

Auf dem Umschlag des Buches wird dem Leser ein Politthriller versprochen, der Spannung pur sein soll. Dieses Versprechen löst das Buch meiner Meinung nach nicht ein.

Die Handlung ist eine chronologische Aufzählung von Ereignissen, die Intention der Handelnden wird nur in wenigen Abschnitten gestreift.
Auch wenn einige wirklich schillernde Personen gezeichnet werden, wie Patrizia, eine Hure ohne Herz, Libanese, ein Krimineller mit menschlichen Ambitionen und heldenhaft verehrt, oder Scialoja, der unbestechliche aber beeinflussbare Polizist, bleiben diese Charaktere schemenhaft und ohne Substanz, sie hinterlassen mir keinen Eindruck.
Auch die politische Situation wird immer wieder nur am Rande gestreift, es wird nicht wirklich erklärt, keine echten Verbindungen hergestellt.

Am besten finde ich hier noch die Darstellung der Mafia, die den Untergang der „Emporkömmlinge“ voraussieht, wie er dann auch eintrifft, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Einfluss und auch die Duldungsgrenze so gering gewesen sein könnten.
Stilistisch finde ich allerdings die reduzierte Form der Dialoge besonders gut gelungen, die fast schon dramaturgisch wirken und somit mir als Leser die Möglichkeit gegeben haben, eine Atmosphäre zu spüren.
Ansonsten empfinde ich als besonders unangenehm einige Wörter, die immer wieder erscheinen, wie „Zigaretten ausdämpfen“ oder „Strafen ausfassen“.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Erwähnung von Eros Ramazzoti, den Fall der Berliner Mauer und Rolex Uhren kein wirkliches Bild einer Zeit zeichnen können, und das Buch auf mich ein wenig uninspiriert wirkt.

Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Gebundene Ausgabe. 2010. Folio. ISBN/EAN: 9783852565088. 24,90 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo de Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Mafiathriller. Taschenbuch. 2012. Aufbau Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783746627977. 14,08 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Kindle Ausgabe. 2012. Folio Verlag. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Nichts für schwache Nerven

Eine Buchbesprechung zu »Roamanzo Criminale« von Susanne Meiß

Ich liebe dicke Schmöker, vor allem, wenn sie spannend sind. Deshalb hatte ich mich aus als Testleserin beworben.

Dann kam das Buch an. 537 Seiten stark, ziemlich schwer, da könnte dem einen oder anderen beim Lesen der Arm schwer werden. Den Einband fand ich nicht besonders ansprechend.

Nicht übermäßig auffällig, im Regal einer Buchhandlung hätte er mein Interesse sicherlich nicht geweckt.

Und dann ging es endlich los. Und ich bekam einen ersten Schreck, denn zu Beginn wurden die handelnden Personen kurz benannt. Es waren 63 Stück. Wie soll man die innerhalb einer Handlung nicht durcheinanderbringen und auch noch den unterschiedlichen Gruppen zuordnen können, ohne den Überblick zu verlieren?

Da war diese Übersicht schon überaus hilfreich. Im Verlauf des Lesens habe ich mehrmals zurückgeblättert, um noch einmal nachzuschauen, wer denn jetzt zu wem gehört. Insbesondere deshalb, weil die italienischen Spitznamen mit vom Sprachempfinden nicht so eingängig waren.

Trotzdem, ich empfinde es schon als eine außerordentliche Leistung, so viele Personen logisch in die Handlungsstränge einzubinden.

Neugierig fing ich an die ersten Seiten zu lesen und tat mich schwer damit. Nicht vom Inhalt her, sondern vom Stil.

Für mich wirkte der Stil seltsam gefühlskalt, irgendwie abgehackt. Insbesondere bei den Dialogen, die aneinandergereiht wurden, fiel es mir nicht immer ganz leicht, die einzelnen Sätze den jeweiligen Personen zuzuordnen. Normalerweise lese ich ein Buch alleine um der Handlung willen, hier stellte ich mir allerdings schon nach kurzer Frage, woran es wohl liegen möge, dass ich so eine Distanz zu den handelnden Personen verspürte. Es lag für mich eindeutig am Stil. Ergänzungen wie »…sagte xy« oder »…entgegnete zz«  fehlten und machten es mir schwer, mich in die Atmosphäre hineinzulesen. Mir fehlte sie zunächst und das änderte sich erst nach vielen Seiten, als ich mich an den für mich ungewöhnlichen Stil gewöhnt hatte.

Was die Handlung an sich betrifft: Mit schonungsloser Deutlichkeit wird dargestellt, wie Kriminalität in Rom zunächst von Jugendbanden geprägt wird, dann weiterentwickelt unter dem Einfluss mafiöser Strukturen und wie die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft mit in diesen Sumpf verwickelt sind.

Der Autor gibt immer wieder Hinweise auf aktuelle Ereignisse zur damaligen Zeit in Italien. Dies mag den italienischen Lesern wohl noch im Gedächtnis haften geblieben sein. Bis auf die Ermordung Aldo Moros konnte ich mich an kaum ein Ereignis in Italien zur damaligen Zeit erinnern. Da hätte ich mir einen kurzen geschichtlichen Abriss für internationale Leser als Anhang gewünscht.

Trotzdem, das Buch war spannend und machte deutlich, wie sehr Wirtschaft und Politik von Kriminalität durchzogen sind. Dies gibt es sicherlich nicht nur in Italien.

Das Buch trennt nicht zwischen Gut und Böse, die Linien sind fließend. Mitunter empfand ich sogar Verständnis für die Kriminellen, was mich selbst überraschte.

Die Handlung bleibt lebendig und die vielen hinzutretenden Akteure tragen ihr Übriges dazu bei. Da war meine Sorge unbegründet.

An manchen Stellen ist die Handlung recht brutal und nichts für schwache Nerven, aber wer einen Kriminalroman liest, muss auf so etwas gefasst sein.

Je stärker der Einfluss der Bande im Rahmen der Handlung wird, desto mehr wird bestochen. Hier wird nicht vor Beamten und Richtern haltgemacht. Ich frage mich, wie weit diese durchaus realistischen Hintergründe auch für andere Länder Europas gelten mögen, wovon der Normalbürger nur nichts ahnt.

Die Darstellung der polizeilichen und gerichtlichen Abläufe und Hintergründe sind sehr detailgenau und zeugen von einer großen Fachkenntnis des Autors. Mich hat das beeindruckt, so wie das Buch insgesamt.

Es ist schade, dass es, obwohl es schon verfilmt wurde, erst jetzt in Deutschland veröffentlicht wird.

Jüngere Leser werden vielleicht nicht so viel mit dem Buch anfangen können, weil ihnen einfach die geschichtlichen Hintergründe, vor denen die Handlung stattfindet, fehlen.

Und auch davon lebt das Buch.

Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Gebundene Ausgabe. 2010. Folio. ISBN/EAN: 9783852565088. 24,90 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo de Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Mafiathriller. Taschenbuch. 2012. Aufbau Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783746627977. 14,08 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Kindle Ausgabe. 2012. Folio Verlag. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Schweig oder du bist »Schnee« von gestern!

Eine Buchbesprechung zu »Roamanzo Criminale« von Julia Schart

De Cataldos Romanzo Criminale – ein Roman den man in der Tat, unabhängig von persönlichen Präferenzen, als mehr oder weniger größeres episches Meisterwerk betrachten kann und auch sollte!

Lediglich dem Titel nach zu urteilen könnte man meinen, dass es sich hierbei um eine eher herkömmliche Lovestory handelt, gepaart mit einer gewissen kriminalistischen Komponente. Doch wenn man einen ersten Blick auf das Buchcover wirft, fällt einem der Begriff »Politthriller« ins Auge. Ausgeträumt! In Wirklichkeit haben wir es hier mit einer brutalen Mafiaerzählung rund um die Protagonisten Libanese, Freddo, Dandi und Konsorten zu tun.

Schon allein das Titelbild verspricht knallharte, krumme und obskure Machenschaften der Italo-Bande. Mit dunklem halblangen Haar und racheerfülltem, entschlossen wirkendem Blick richtet er Ihnen eiskalt die Pistole entgegen! Wen auch immer es als Nächstes trifft –

Silenzio Ragazzo!

Schweig oder du bist »Schnee« von gestern!

Wer sich nicht haarklein an die Pläne und Anweisungen der obersten Bosse hält, bleibt auf der Strecke und wird schon bald nur noch Geschichte sein. Doch nicht nur kleine erpresserische Machtspielchen, sondern ebenso Prostitution und Koks sind bedeutende Inbegriffe dieses Werkes, das den Mafiosi-Alltag wahrscheinlich in all seinen Facetten widerspiegelt. Zurecht wurde der gesamte Stoff daher bereits einige Male verfilmt und vielfach in andere Sprachen übersetzt!

Aufgrund eines relativ zügigen Erzähltempos wird der Leser recht schnell durch die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts katapultiert. Dabei erstreckt sich die Erzählzeit auf 572 Seiten, wobei die erzählte Zeit einen zeitlichen Rahmen von 15 Jahren umfasst.

Dennoch gibt es einige persönliche Kritikpunkte bezüglich dieses Romans. Natürlich sollte man vorab von Haus auf beim Kauf eines Buches ein individuelles Interesse für ein bestimmtes Thema mitbringen, ansonsten würde man im literarischen Dschungel hoffnungslos untergehen. Während sich der eine lieber fantastischen Stoffen wie Science-Fiction oder Märchen widmet, greift der andere lieber zu Krimis oder blutrüstigen Erzählungen und der Dritte setzt sich vermutlich noch lieber mit irgendwelchen politischen Streitfragen auseinander. All diese Genres haben in der Tat ihre Daseinsberechtigung und natürlich auch ihre treuen Anhänger, die sich immer wieder aufs Neue dafür interessieren. Ich für meinen Teil befasse mich jedoch gerne mit mir bisher noch unbekannten Themenkreisen, denn nur so können sich einem neue Interessengebiete eröffnen.

Den noch etwas unentschlossenen potenziellen zukünftigen Lesern von Romanzo Criminale würde ich trotz allem zunächst raten sich den Stoff in filmischer Variante zu Gemüte zu führen, da das Buch für meine Begriffe doch sehr trocken und Mafioso-lastig beginnt. Dem eingefleischten romanischen Kriminalisten mag dies womöglich anders ergehen, da er sich brennend für dieses Gebiet erwärmen kann und bereits weiß, worauf er sich dabei einlässt. »Newcomer« dieser Sparte, die nur kurz ihr gewohntes Terrain verlassen wollen, um mal eben über den Tellerrand hinauszublicken, brauchen demnach andere Ansätze zur Annäherung an derartige Gangstergeschichten.

Kurzum, sollte man sich dennoch sofort für De Cataldos ausgedehntes Schriftstück interessieren ist Durchhaltevermögen angesagt, da ich selbst erst nach 100 Seiten das Gefühl hatte einigermaßen in der Geschichte angekommen und integriert zu sein. Alles, was zuvor auf einen unvoreingenommenen Leser einprasselt, sind enorme Wogen an – trotzallem – wohlklingenden italienischen Eigennamen, die einem schnell das Gefühl vermitteln hilflos inmitten einer Bande Mafiabosse gelandet zu sein. Man kann direkt spüren wie sie den Leser mit in ihre schmutzigen Pläne miteinbeziehen – diese teils alternden, machtbesessenen und schmierigen Anführer des südlichen Untergrundes.

Wer also glaubt, ein unterhaltsames Entspannungsbuch für kalte Wintertage in Händen zu halten ist hier fehl am Platze. Dieser sogenannte Politthriller ist meines Erachtens zunächst unübersichtlich, verworren und komplex. Bis man sich Schritt für Schritt in die Materie eingearbeitet hat, wird dem Leser höchste geistige Präsenz abverlangt. Jene Perfektionisten, die es bevorzugen das Geschehen und seine Protagonisten von Anfang an zu überblicken und zu kontrollieren sind bei »Schneewittchen und den sieben Zwergen« guten Gewissens besser aufgehoben. Da in etwa jedem dritten Kapitel ein neuer Nebendarsteller hinzukommt, fällt es einem mit der Zeit schwer den jeweiligen Namen mit der richtigen Geschichte dahinter zu verbinden. Dies rührt daher, dass es keinen einheitlichen zusammenhängenden Plot gibt, sondern mehrere Handlungsstränge nebeneinander beschrieben werden und so ein häufiger Szenenwechsel stattfindet. Ein weiterer Grund dafür ist ebenso, dass die direkten Reden nicht explizit durch Sprecher und Anführungszeichen angegeben werden, sondern alleinig durch Spiegelstriche am Zeilenanfang. Anders als in anderen Werken, in denen die Überschriften als wichtige Gedächtnisstützen fungieren, werden in Romanzo Criminale die einzelnen Kapitel, mit meiner Meinung nach nur »schwammigen« Titeln bzw. Datumsangaben eingeleitet.

Im Zusammenhang mit der Kapitellänge gibt es meinerseits jedoch auch sehr positives zu erwähnen, nämlich die Tatsache, dass deren gegliederte Sinnabschnitte im Durschnitt nicht mehr als 3-4 Seiten umfassen. Das heißt, dem Leser wird es dadurch ermöglicht auch kurz mal eben vor dem Schlafengehen in der Handlung voranzuschreiten, ohne mitten im fortlaufenden Text unterbrechen zu müssen, was bei dieser Handlung auch »Gift« wäre.

Mein Fazit dieser Rezension lautet daher, Romanzo Criminale ist ein vielfach bekannter Roman. Er wird geliebt, geschätzt und gehasst – wer einen Hang zu jenem Genre besitzt, sollte unbedingt einen Blick in das Buch werfen. All diejenigen die mutig genug sind sich auf ein derartiges Abenteuer einzulassen werden ihre Freude daran haben. In anderen Worten ausgedrückt, De Caldos kreatives Schaffen brachte einen lohnenswerten »Schinken« hervor, der leider meiner Auffassung nach nicht ganz Mainstream tauglich ist!

Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Gebundene Ausgabe. 2010. Folio. ISBN/EAN: 9783852565088. 24,90 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo de Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Mafiathriller. Taschenbuch. 2012. Aufbau Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783746627977. 14,08 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Giancarlo De Cataldo; Karin Fleischanderl (Übersetzung): Romanzo Criminale: Politthriller. Kindle Ausgabe. 2012. Folio Verlag. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Weitere Beiträge zum Thema

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein