Von Barbara Fellgiebel – Am letzten Septemberwochenende fand das Women’s Fiction Festival in Matera im Süden Italiens zum 14. Mal statt. Vor neun Jahren war ich zum ersten Mal an diesem magischen Ort, und seitdem ist viel geschehen – bzw. auch nicht.
Mit dem Wiederkommen ist es immer so eine Sache: Was sich in jahrelanger Erinnerung verklärt hat, ist hier und heute zum Teil erschreckend. So z.B. die bauliche Situation Materas. Was vor neun Jahren pittoresk und atemberaubend wirkte, ist nach neun Jahren Witterungseinflüssen und null Renovierung in betrüblichem Zustand. Matera hat eine Altstadt, die Sassi heißt. Das sind grottenartige Katakomben, die teilweise viele Meter tief in das zerklüftete Tal führen. Pasolini war der erste Regisseur, der diese naturgegebene Kulisse 1964 in seinem Film Die Matthäuspassion benutzte, 2004 filmte Mel Gibson hier seine blutrünstigste Bibelversion, und dazwischen (1993) erhielt der spektakuläre Ort die UNESCO-Weltkulturerbe Auszeichnung.
Seitdem hat sich die Stadt leider auf ihren Lorbeeren ausgeruht und nichts für den baulichen Erhalt dieses einzigartigen Labyrinths getan. 2019 soll sie europäische Kulturhauptstadt werden, und das scheint den Verantwortlichen fünf Minuten vor Zwölf aufgegangen zu sein. An vielen Ecken und Enden wird nun getüftelt und gespachtelt, abgetragen und aufgebaut. Dass viele Kulturhauptstädte mit ihrem Kulturprogramm nicht pünktlich im Januar des jeweiligen Jahres beginnen, ist bekannt. Wenn Matera zum Sommer 2019 in Gang kommt, darf man froh sein und staunen.
Doch nun zum eigentlichen Grund meines Hierseins: Es ist das trotz schwersten ökonomischen Bedingungen seit 2005 alljährlich stattfindende Literaturfestival von Frauen für Frauen. 2005 von der amerikanischen Dolmetscherin Elizabeth Jennings aus der Taufe gehoben und dank der großartig funktionierenden Zusammenarbeit mit Maria Paola Romeo und Mariateresa Casinho jedes Jahr im September stattfindende Festival, bei dem ein hochkarätiges Programm die Teilnahme an Workshops, individuellen Buch-Pitchings und professionelle Beratung ermöglicht. Abgesehen davon, dass sich unter den Anwesenden interessante Begegnungen, Bekanntschaften und Freundschaften entwickeln.
Grundvoraussetzung: Die interessierte Teilnehmerin muss Italienisch und/oder Englisch beherrschen, sonst hat sie wenig von den vielen guten Tipps und Ratschlägen, die die Agenten, Verlagslektoren und Autoren großzügig und offenherzig von sich geben.
Wer ein fertiges Manuskript und eine faszinierende Präsentation auf Englisch oder Italienisch mitbringt und beim Pitch den/die entsprechende Person überzeugen kann, hat reelle Chancen, ihr Buch auf dem internationalen Markt nach Italien, England, USA oder Frankreich zu verkaufen. Hier und jetzt.
Am Festival nehmen in diesem Jahr knapp 100 Personen teil, eine überschaubare Größe, die spontane, persönliche Kontaktaufnahme sehr erleichtert.
Das Programm ist abwechslungsreich: Vorträge arrivierter Autoren wie James Dallessandro und Jane Corry lösen Podiumsdiskussionen über verschiedenste Literaturaspekte ab. Gregory Messina gibt einen Überblick über den französischen Buchmarkt, und Sabine Erbrich vom Suhrkamp Verlag schildert die Buchsituation aus deutscher Sicht. Alles simultan übersetzt und mit Kopfhörern zugänglich. Dann ist es Zeit zu individuellen Pitch-Terminen und Beratungsgesprächen mit einem Pro(fi).
Jane Corry bietet an zwei Tagen Brainstorming an: »Mutige« Teilnehmerinnen setzen sich neben Jane auf den »heißen« Stuhl und schildern ihre Buchidee. Im Nu werden die Charaktere zerpflückt, entwickelt, Ideen fliegen durch den Raum, und die Phantasie der Teilnehmerinnen ist konstruktiv, spontan und variationsreich.
Auch das Abendprogramm spricht an: Am ersten Abend kann man im Keller eines italienischen Restaurants lernen, Pasta zu machen – nach 1 ½ Stunden weiß man ALLES über Mehl und Teigbeschaffenheit, hat sich mit Eifer und voller Konzentration in die Pastaproduktion gestürzt – und darf am Ende nicht mal das eigene Werk verspeisen …
Wer möchte, kann am zweiten Abend eine Führung auf Italienisch durch die Eigenheiten und Schätze der Sassi mitmachen, am dritten Abend das Gleiche auf Englisch.
Am Samstagabend findet in der Casa Cava die alljährliche Verleihung des Literaturpreises La Baccante statt. Die Casa Cava ist ein imposant restauriertes Veranstaltungslokal, das Hoffnung macht, nämlich Hoffnung auf weitere so gelungene Renovierungen. Preisträgerin ist in diesem Jahr Beatrice Masini, Verlegerin und Kinderbuchautorin. Für die musikalische Bereicherung sorgt Antonello Fiamma – ein Gitarrist ganz großer, ganz spezieller Klasse.
Danach klingt der Abend bei einem köstlichen Buffet und ebensolchen Weinen im benachbarten Ristorante San Pietro Barisano aus.
Arrivederci Matera!
Barbara Fellgiebel
Ein super Bericht, knapp und doch vollständig.
Danke!
Helga Murauer
Dieser Bericht motiviert, selbst einmal das Festival aufzusuchen:Danke!
podiumsdiskussionen, pasta machen. pitch-termine mit profis … das muss eine tolle veranstaltung gewesen sein. die berichterstattung von barbara fellgiebel ist wie gewohnt beides: sehr informativ und überaus kurzweilig … mille gracie!