Ein Mann von fast 70 Jahren verfilmt ein Kinderbuch aus den 1980er-Jahren und hat keine Angst vor sexistischen Interpretationen und Furzwitzen. Das ist gut so. Denn Steven Spielberg hat Roald Dahls Klassiker »BFG – Big Friendly Giant« werkgetreu umgesetzt – wozu durchaus Mut gehört.
Ein Mensch mit eher durchschnittlichem Humor- und Ironieempfinden könnte sich im Kino reichlich deplatziert vorkommen, wenn er sich einfach so den neuen Steven-Spielberg-Film »BFG – Big Friendly Giant« anschaut, die Verfilmung eines Buches, das im Deutschen seinerzeit den harmlosen Titel »Sophiechen und der Riese« erhalten hat.
Ein alter Riese entführt darin ein kleines Mädchen aus dem Waisenhaus, schenkt ihm schöne Kleider und wird ihr bester Freund. Wenn man das so erzählt, klingt das ein klein wenig nach Fritzl oder Priklopil.
Aber so darf man diesen Film nicht erzählen und betrachten!
Sie müssen auch Spaß an Furzwitzen haben, sich wie ein kleines Kind freuen können, wenn die englische Königin und sogar ihre Corgis pupsgetrieben durch den Buckinghampalast schlittern. Wenn Sie das albern finden, sind Sie definitiv kein Kind mehr, und Sie werden bei diesem Film naserümpfend im Kino sitzen, weil Sie Angst haben, sich unter Ihrem Niveau zu amüsieren.
Deutscher Filmtrailer
Zu pazifistisch sollten Sie auch nicht veranlagt sein, denn wenn Sie der Meinung sind, ein Militäreinsatz – gleich welcher Art – kann nie die Lösung der Probleme sein, dann sollten Sie sich »BFG – Big Friendly Giant« wohl auch nicht anschauen.
»Sophiechen und der Riese« ist ein Kinderbuch aus den 1980er-Jahren. Sophie war der Name von Roald Dahls Enkelin, für die er das Buch als Gutenachtgeschichte schrieb. Gewidmet hatte Dahl das Buch seiner Tochter Olivia, die 1962 im Alter von 7 Jahren an Masern gestorben war.
Erwachsenen dürfte Roald Dahl (1916-1990) vielleicht auch durch seine bitterbösen Kurzgeschichten bekannt sein, die 1960 unter dem Titel »Kiss Kiss« (Küsschen, Küsschen!) erschienen sind.
Doch man könnte eher seine verfilmten Kinderbücher kennen wie »Charlie und die Schokoladenfabrik« oder den Trickfilm »James und der Riesenpfirsich« – beides Adaptionen von Tim Burton, der das Groteske so liebt.
Nun hat sich Steven Spielberg an den BFG gewagt. Glücklicherweise hat er so gut wie nichts an der Geschichte geändert. Und schaut man sich die Zeichnungen an, die Quentin Blake seinerzeit zur Illustration der Geschichte angefertigt hat, so zeigt es sich, dass Spielberg sie 1:1 fürs Storyboard verwendet hat. Lediglich Spielbergs Kammerzofe ist etwas schlanker. Zudem belässt Spielberg das bewusst künstlich-verklärte, sehr britische England auch im Film als solches bestehen, ja er transferiert die Geschichte nicht einmal in die Neuzeit, sondern belässt sie in den 1980ern, als Ronald Reagan noch amerikanischer Präsident war.
Die Optik des Film besticht durch ein gelegentlich unwirklich künstliches Licht, das dazu beiträgt, dass reale, computergenerierte und computerveränderte Schauspieler gut zusammenfinden. Spielberg setzte eine Echtzeittechnik ein, die es ermöglicht, dass Mark Rylance als Riese und Ruby Barnhill als Sophie gemeinsam spielen und interagieren konnten, obwohl später im Film ihr Größenunterschied enorm ist. Dennoch erstaunt es, dass Menschen in filmischen Riesenhänden immer noch künstlich wie eine Puppe wirken, aber vielleicht mag das ja auch eine von Spielberg bewusst eingesetzte King-Kong-Reminiszenz sein. Dass Spielberg in BFG die Figuren nicht ins Dauergelaber verfallen lässt, sondern Raum für Momente ohne Worte lässt, ist ebenfalls wohltuend.
So kommt mit »BFG – Big Frindly Giant«, bei dem nun leider der schön unspektakuläre deutsche Titel »Sophiechen und der Riese« eliminiert wurde, eine wunderbare, werkgetreue Verfilmung in die Kinos. Ein Knackpunkt der deutschen Fassung bleibt nicht nur der Titel, sondern auch die Riesensprache, im Dahlschen Original »Gobbelfunk« genannt, die »Human Beings« zu »Human Beans« werden lässt oder den Furz zum »Whizzopper«. Die leider doch sehr erwartbare Synchronkinderstimme und die im Deutschen weniger nuschelige Riesenstimme machen den Film hierzulande zumindest akustisch etwas glatter und weniger britisch, und der von Adam Quidam ins Deutsche übertragene GuRie bleibt ein titelkompatibler BFG.
Roalds Dahls Kinderbuch mit den technischen Mitteln des Jahres 2016, mit der Naivität der 1980er-Jahre und dem kindlichen Gemüt eines 70-Jährigen zu verfilmen ist gelungen. Wer da die Nase rümpft, ist kein Kind mehr und auch im Geiste keines mehr geblieben.
Wolfgang Tischer
https://literaturgefluester.wordpress.com/2016/07/19/sophiechen-und-der-riese/
An Sexualität und Kindesmißbrauch habe ich dabei gar nicht gedacht, eher, daß der GURI, die Menschen und die Königinnen ja auch Fleisch beziehungsweise Bratwürstchen essen und gegen Militäreinsätze bin ich natürlich auch
Uje, jetzt habe ich schon wieder den „Punkt“ bei meinem obigen Kommentar vergessen. Die Kritiker mögen es mir nachsehen.