Vom 1. – 5. Juli 2015 finden in Klagenfurt die »39. Tage der deutschsprachigen Literatur« statt. Im Mittelpunkt steht der Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Vierzehn Autorinnen und Autoren aus der Schweiz, Österreich und Deutschland sind eingeladen, einen Prosatext von zwanzig Minuten Lesedauer vorzutragen.
Dass die WettbewerbsteilnehmerInnen sich zuvor in einem dreiminütigen Videoporträt vorstellen, ist Tradition, wenngleich nicht zwingend gefordert. Zwölf TeilnehmerInnen haben ihre visuellen Visitenkarten abgegeben. Die können bereits online angeschaut werden. Frau Brockmann hat das getan und hier und hier schon darüber berichtet. Die noch fehlenden letzten vier Porträts kommentiert sie nun hier.
Michaela Falkner zeigt sich, ohne sich zu zeigen. Keine laufenden Bilder, kein Interview, kein O-Ton. Die Selbstvorstellung per Video entspricht exakt dem, was als Kurzbiographie auf der Bachmannpreis-Autoren-Seite nachzulesen ist – angereichert mit ein paar Standfotos, die uns nach draußen führen. Sie zeigen Steinstufen, Betonwände und einen Rasenplatz: Ein Stadion. Dieses Stadion ähnelt weniger der Schalke-Arena, sondern eher einem Amphitheater. Ob Frau Falkner den Bachmannpreis-Wettbewerb als eine Art Gladiatorenkampf versteht? Wer in die »Klagenfurter Arena« steigt, muss mit strengen »Schiedsrichtern« und einem ebenso strengen wie auch sensationslüsternen Publikum rechnen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Unterhaltsames Hinrichten ist jedoch nicht Ziel der Veranstaltung. Ungerechte Entscheidungen werden im öffentlichen Raum der Wettbewerbsbeobachter erkannt und diskutiert als das, was sie sind. Glückauf, Frau Falkner und Ihren MitstreiterInnen.
Saskia Hennig von Lange sitzt in einem karg möblierten Raum und schaut nach draußen: ihre Ausgangssituation des Schreibens. An einem leeren Platz vor einem leeren Blatt Papier sitzen und die Leere aushalten. Drinnen sitzen und denken, was draußen ist und geschehen könnte. Dann sehen wir Frau Hennig von Lange mit schnellem Schritt Straßen entlangmarschieren, vorbei an Bahngleisen und durch städtisches Gewerbegebiet. Offenbar geht es nicht um ein Schreiben im Elfenbeinturm der Selbstgenügsamkeit frei flottierender Phantasie, sondern um ein Schreiben, das aufgeladen ist mit der Wirklichkeit »da draußen«. Was wiederum nicht bedeutet, Erinnerung zu verwalten. Im Schreiben entsteht etwas, das über das Wirkliche da draußen hinausgeht. Schreiben als Insistieren auf einem eigenen Ort der Wahrnehmung, wahr und wirklich und geschützt: »Ich bin hier, keiner kann mich sehen.«
Für Katerina Poladjan ist Schreiben Auflehnung gegen das Schicksal, keine private Angelegenheit, vielleicht »eine Art Forschung und ich bin neugierig, was dabei herauskommt. Es ist ein Abenteuer, dass man am Ende anderswo stehen kann als zu Anfang.« Don Quijote, der tapfere Ritter von der traurigen Gestalt, galoppiert als Animationsfigur durch das Videoporträt, begleitet von einem ebenso gleichmütigen wie beschwingten »Juppi-du, Juppi-du, Juppi-du, Juppi-du-bi-du, Juppi-du«. Er steht als gebrochene Hoffnungsfigur für das Gute und gegen die Verzweiflung und Resignation. Zugleich werden Fotos aus dem Familienalbum von Frau Poladjan gezeigt und zwei biographische Details mitgeteilt. Erstens: Der Satz der Deutschlehrerin, dass die deutsche Sprache »biegsam« sei, habe die 1979 aus Moskau nach Deutschland gekommenen Autorin »gewissermaßen gerettet«. Zweitens – und nun geht es wieder nach draußen – waren Pilze immer wichtig für Frau Poladjan: »Eines der schönsten Gefühle, die ich kenne, ist im Wald einen dicken Pilz zu finden.« Ich bin sehr gespannt darauf, ob im Wettbewerbstext der Autorin auch Pilze vorkommen werden.
Doris Brockmann
ist (bzw. war) passionierte Fernsehstudentin der »Tage der deutschsprachigen Literatur«. Bis 2013 bloggte und twitterte sie über den Bachmannpreis immer im angenehm kühlen Arbeitszimmer, 2014 war sie erstmals live im aufgeheizten Klagenfurt dabei, um sich mal alles vor Ort anzuschauen. 2017 wird sie zum vierten Mal nach Kärnten reisen. Ansonsten widmet sie sich der angewandten Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung auf
walk-the-lines.de
Doris Brockmann