Mit dem neuen Modell des Kindle Paperwhite (2015) bewirbt Amazon erstmals im großen Stil eine verbesserte Textdarstellung. Hauptelement ist die eigens für die Lesegeräte entwickelte Schriftart Bookerly. Demnächst sollen die typografischen Verbesserungen auch älteren Geräten bereitgestellt werden. Endlich! Denn bislang hatte man den Eindruck, dass am Kindle nur Techniker und Programmierer arbeiten – aber keine Typografen.
Wir zeigen in diesem Artikel, wie die Verbesserungen aussehen – und dass sie nicht immer automatisch bereitstehen, sondern ein Eingreifen des Lesers erfordern.
Aktueller Nachtrag: Seit August ist das hier beschriebene Update nun kostenlos erhältlich. Klicken Sie hier, um zu erfahren, wie Sie Ihr Gerät aktualisieren.
Um die bessere Typografie auf den Kindle E-Ink-Geräten anzuzeigen, muss ein Software-Update aufgespielt werden. Offenbar schafft es Amazon jedoch noch nicht, dieses Update zusammen mit dem neuen Kindle Paperwhite Ende Juni 2015 auszuliefern. Selbst in Amazons gedruckten Werbeflyern ist zu lesen: »Diese neuen Verbesserungen in Sachen Typografie und Layout stehen in einem Monat als Teil eines kostenlosen Updates zum Download bereit.« Bei den Ende Juni 2015 ausgelieferten Paperwhite-Modellen (siehe Testbericht), war zwar schon die Schrift Bookerly installiert, nicht aber die neue Darstellungssoftware.
Um das Update später aufzuspielen, sollte man auf dem Gerät das Menü oben rechts aufrufen, auf Einstellungen gehen, dann erneut das Menü antippen und schauen, ob der Menüpunkt Kindle aktualisieren nicht mehr ausgegraut ist. Ist dies der Fall, kann er angewählt werden, und das Update startet. Es ist ferner davon auszugehen, dass neben den Paperwhites auch der günstige 49-Euro-Kindle dieses Update erhalten wird – und natürlich das Spitzenmodell Voyage.
Aktueller Nachtrag: Seit August ist das hier beschriebene Update nun erhältlich. Klicken Sie hier, um zu erfahren, wie Sie Ihr Gerät aktualisieren.
Wir hatten die Möglichkeit, diese neue Firmware-Version vorab ausführlich zu testen und uns die neuen typografischen Verbesserungen anzuschauen.
Nachtrag: Mittlerweile können Sie hier auch unseren allgemeinen Test zum Kindle Paperwhite 3 des Modelljahres 2015 lesen.
Die neue Schriftart Bookerly
Im Zentrum der Verbesserungen steht die neue Schrift Bookerly. Sie hielt in den letzten Wochen bereits auf den Apps und Fire Tablets von Amazon Einzug und kommt nun endlich auf die E-Ink-Geräte wie den Paperwhite. Bookerly wurde von Amazon speziell für das Lesen auf den Geräten entwickelt. Die neue Schriftart ist wesentlich filigraner als die ursprüngliche Kindle-Schriftart Caecilia und etwas runder als die ebenfalls auf den Geräten zu findende Schriftart Palatino.
Auch auf den älteren Kindles wird Bookerly gut aussehen. So richtig »druckreif« wirkt sie allerdings erst auf dem neuen Paperwhite 2015 mit seinem höher auflösenden Display und dem Kindle Voyage.
Ligaturen und Unterschneidungen
Bookerly spielt erst dann seine Möglichkeiten voll aus, wenn die neue Darstellungssoftware des Paperwhite zum Einsatz kommt. Die Wörter sind dann deutlich enger und harmonischer gesetzt. Buchstaben mit viel Weißraum wie F, W und T werden deutlich vom nachfolgenden Buchstaben unterschnitten. Auch die Unterlänge des y rutscht unter den Buchstaben davor, wie oben im Wort Sony gut zu sehen – besonders im Vergleich mit der Palatino-Schriftart in der Abbildung darüber.
Bookerly enthält erstmals Ligaturen: Das sind abweichende und harmonischere Darstellungen von unruhig aufeinandertreffenden Buchstabenfolgen. Der Klassiker ist die Kombination von f und i. Als Einzelbuchstabe wirkt das i mit seinem Punkt unharmonisch, wenn es leicht unter das f rutscht. Schon beim Bleisatz wurden diese beiden Buchstaben nicht einzeln gesetzt, sondern es gab eigene Bleiletter für diese Kombination, aber auch für andere wie fl oder ff. Der Paperwhite stellt diese Buchstabenverbindungen künftig ebenfalls harmonischer dar.
Für einen ausgewogener ausgefüllten Satzspiegel sorgen erstmals auch Worttrennungen auf dem Kindle Paperwhite. Auf den Kindle-Apps wurden sie schon längst automatisch durchgeführt, die E-Ink-Modelle beherrschten die Worttrennung jedoch bislang nicht. Dadurch kam es zu großen Wortzwischenräumen oder – trotz Blocksatz – zu nicht immer ganz ausgefüllten Zeilen. Die neue Software ist nun so intelligent, dass sie bei größeren Schriftarten automatisch vom Block- auf den Flattersatz umstellt, um auch hier das Lesen angenehmer zu machen.
Anders als auf den Lese-Apps, wo es häufiger zu falschen Trennungen kommt, fiel uns dies beim Paperwhite nicht auf. Der Trennalgorithmus arbeitet gut.
Das Bild oben zeigt in etwa die gleich Textpassage auf dem neuen und alten Gerät. Obwohl hier die Randeinstellung identisch ist, ist dieser auf dem neuen Gerät rechts dennoch etwas breiter.
Die Worttrennung lässt sich nicht ein- und ausschalten. Neben der Schriftart sind auch auf dem neuen Paperwhite von 2015 nur die Einstellungsmöglichkeit von Zeilenabstand und Texträndern verfügbar.
Wer beim Lesen auf den E-Readern schneller ermüdet, sollte durchaus mal etwas mehr Zeilenabstand einstellen. Ein zu enger Zwischenraum macht das Lesen nicht angenehm, denn er strengt Augen und Gehirn zu sehr an.
E-Books müssen neu heruntergeladen werden, um Verbesserungen zu sehen
Bemerkenswert ist, dass die E-Books nicht automatisch Trennungen und Ligaturen anzeigen, wenn das Software-Update eingespielt ist. Amazon muss die Textdaten in seinem Bestand zunächst konvertieren, was bereits bei 50.000 Büchern erfolgt sein soll, aber derzeit noch nicht bei allen, wie unsere Tests ergaben (Ende Juni 2015).
Um in den Genuss der neuen Darstellung zu kommen, müssen die E-Book-Dateien auf dem Gerät gelöscht und dann neu aus Amazons Cloud-Speicher heruntergeladen werden. Warum dies erforderlich ist, konnte oder wollte man uns bei Amazon nicht genau erläutern. Zumindest hat man uns erklärt, dass es keine Rolle spiele, ob die E-Books noch im alten MOBI oder bereits im neueren KF8-Format vorliegen.
Self-Publisher müssen ihre E-Books also nicht neu hochladen, sondern Amazon wird nach und nach für die korrekte Darstellung auf der neuen Gerätesoftware sorgen.
Zudem soll die neue Software auch dafür sorgen, dass beispielsweise Initialen am Kapitelanfang (der erste Buchstabe eines Absatzes, der größer gesetzt ist über zwei oder mehr Zeilen) auch bei unterschiedlichen Schriftgrößen gut aussehen.
Was die neue Darstellungssoftware nach wie vor nicht verhindert, sind so genannte Hurenkinder oder Schusterjungen. Dies derben Ausdrücke aus der Druckersprache bezeichnen aufgrund von Absatzenden und -anfängen nicht ausgefüllte Zeilen gleich am Seitenanfang (Hurenkind) oder Seitenende (Schusterjunge). Selbst komplette Überschriften werden so bisweilen nach wie vor vom darauffolgenden Absatz getrennt.
Es erstaunt, dass Amazon dieses Problem gerade bei kleineren Schriftgrößen nicht schon längst angegangen ist. Es wäre problemlos möglich, einer Seite ein klein wenig mehr oder weniger Durchschuss (d. h. Zeilenabstand) zu geben, um die unschönen Fragmente zu verhindern. Dem Auge dürften diese minimalen Veränderung nicht auffallen, zumal es bei den Readern keine linke und rechte Seite gibt, die solche Variationen offensichtlicher machen würden.
Doch bereits Ligaturen, Unterschneidungen und Silbentrennung sind ein großer Fortschritt auf dem Kindle. Eigentlich sollten sie eine Selbstverständlichkeit sein, und daher erstaunt es, dass sie erst jetzt auf den Geräten Einzug halten – fast 7 Jahre nach dem ersten im Jahre 2007 vorgestellten Kindle-Modell. Allerdings wird guter und stimmiger Typografie im angloamerikanischen Raum weniger Gewicht beigemessen, was sich offenbar auch bei den E-Readern zeigt.
Dabei ist Typografie gerade im Standard-Fließtext kein Selbstzweck, sondern wirkt sich unmittelbar auf das Lesevergnügen aus, auch wenn dies Laien nicht unmittelbar bewusst wird. Die Textdarstellung auf den E-Readern war immer schon ein Rückschrift gegenüber den gedruckten Büchern. Fein, dass Amazon mit der neuen Bookerly-Schrift und einer neuen Software hier wieder etwas aufgeholt hat.
Aktueller Nachtrag: Seit August ist das hier beschriebene Update nun erhältlich. Klicken Sie hier, um zu erfahren, wie Sie Ihr Gerät aktualisieren.
Kindle Paperwhite 2015 / WLAN-Modell
Kindle Paperwhite (Vorgängermodell – 7. Generation) 6 Zoll (15 cm) großes Display, integrierte Beleuchtung, WLAN, Schwarz – mit Spezialangeboten. Elektronik. 2021. Amazon. ISBN/EAN: 0848719056594 » Bestellen bei amazon.de Anzeige
Kindle Paperwhite 2015 / WLAN- und Mobilfunkmodell
Kindle Paperwhite (Vorgängermodell – 7. Generation) 6 Zoll (15 cm) großes Display, integrierte Beleuchtung, 3G + WLAN, Schwarz – mit Spezialangeboten. Elektronik. Amazon. ISBN/EAN: 0848719057027 » Bestellen bei amazon.de Anzeige
Ich verstehe nicht, warum Silbentrennungen von E-Books mit Hilfe einer automatischen Trennroutine gemacht werden müssen. Warum bieten EBUB und MOBI/KF8 keine Möglichkeit, von Verlagsseite weiche Trennungen im ganzen Text vorzugeben? Dann könnte der Verlag bzw. Autor entscheiden, ob er die Tennungen vollautomatisch einfügt (und eventuelle Fehler in Kauf nimmt), oder ob er die Trennungen manuell korrekturlesen lässt (was z. B. ein Verlag als Vorteil bewerben könnte). Auch eine Vermeidung knapper Abtrennungen, die den Lesefluss stören, könnte so vermieden werden.
Oft könnte man sogar auf Trennungen ganz verzichten, wenn das Lesegerät standardmäßig linksbündigen Flattersatz statt des Blocksatzes verwenden würde. (Gut, man könnte als Ersteller den Flattersatz zwangsweise für den gesamten Text vorgeben, aber das verstößt gegen die Veröffentlichungsregeln von KDP.)
Blocksatz ist ja eine rein ästhetische Sache und dem Lesefluss überhaupt nicht dienlich. Warum gerade an diesem Punkt der Schwerpunkt aufs Seitenlayout gelegt wird, wenn an anderer Stelle geschlampt wird (Stichwort Schusterjungen), leuchtet mir nicht ein.
Lustigerweise sind die Kindle-Modelle bei Verwendung des alten MOBI-Formates intelligent genug, automatisch zeilenweise von Block- auf Flattersatz zurückzuschalten, wenn die Lücken zu groß werden. Mit KF8 können sie das komischerweise nicht mehr, und dann bekommt man die üblen Riesenlücken. Dafür hat KF8 (zumindest auf den E-Ink-Modellen) standardmäßig einen größeren Zeilenabstand, der die Lesbarkeit verbessert.
Warum es überhaupt Abweichungen zwischen den Interpretationen der Formate gibt, bleibt ein Geheimnis der Kindle-Entwickler. Der normale Leser, der sich nicht mit den technischen Hintergründen beschäftigt, ist solchen Eigenheiten hilflos ausgeliefert.