StartseiteLiterarisches LebenWie sich Eichborn-Autor Frank Müller ein Buch zusammenkopierte

Wie sich Eichborn-Autor Frank Müller ein Buch zusammenkopierte

Nicht vermisst, sondern rasch gefunden: Autor Müller hat die Texte seines Buches ohne Quellenangabe zusammenkopiert.Lesenswert und ein erschreckendes Beispiel dafür, wie sorglos ein namhafter Verlag mit Plagiaten umgeht, ist dieser Weblog-Eintrag des Druckers Martin Z. Schröder. Der bekam nämlich vom Eichborn-Verlag ein Rezensionsexemplar des Buches »ß. Ein Buchstabe wird vermisst« des Autors Frank Müller zugeschickt. Schröder glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Passagen des Buches waren aus einem Artikel abgeschrieben, den Schröder ein Dreivierteljahr zuvor für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hatte. Eine Quellenangabe fehlte.

Schröder recherchiert und stellt fest, dass weitere Passagen des Buches ebenfalls ohne Quellenangabe aus der Fachzeitschrift SIGNA entnommen waren. Schröder macht die Sache öffentlich und berichtet von diesem dreisten Textdiebstahl in seinem Weblog. Nun erhält Schröder eine eMail des Autors Frank Müller, in der dieser die fehlenden Quellenangaben mit »technischen Versehen« und »Zeitdruck« begründet.

Doch Kommentatoren in Schröders Blog legen nach: Es wird offenbar, dass Müller Texte des Buches aus der Wikipedia und aus anderen Quellen entnommen hat. Auch Rechtschreibreform-Gegner Theodor Ickler meldet, dass weitere Passagen des Buches ohne Quellenangabe aus seinem Werk »Falsch ist richtig« stammen.

Ein Peinlichkeit ohne Grenzen für Autor Müller, ein Desaster für den Verlag. Am 24. Februar hat Schröder die Sache in seinem Blog öffentlich gemacht, am 26. reagiert Eichborn und zieht das Buch zurück, das am 3. März 2008 hätte erscheinen sollen. »Technisches Versehen« und »Zeitdruck« reichten nicht mehr als Entschuldigung. Müllers Plagiat im großen Stil war aufgeflogen.

Doch anstatt dass der Eichborn Verlag die Situation durch eine offene und ehrliche Entschuldigung entspannt, macht er genau das Falsche: Mit lockeren Sprüchen und PR-Deutsch versucht man beim Verlag, die Sache herunterzuspielen. »Dieser Text aus dem Hause Eichborn ist, mit Verlaub, nun doch eine krasse Unverschämtheit«, so ein Kommentator in Schröders Weblog. Ein anderer findet sie »naßforsch, jämmerlich, obszön und so gequält humorig, daß sie wie eine schlechte Parodie des bekannt schlechten Stils des Verlages wirkt«.

Das PR-Desaster des Verlags weitet sich aus und schließlich ändert der Verlag den Text auf seiner Website in einen neutralen Ton und entschuldigt sich bei »den Autoren der nicht kenntlich gemachten Quellen«. Dabei kann der Verlag noch froh sein, dass offenbar keiner der Autoren juristische Schritte gegen den Verlag veranlassen will.

Nachtrag: Einen ganz anderen Weg, mit unliebsamen Autoren umzugehen, beschreitet die Website literaturkritik.de, für die Müller geschrieben hat. Sie hat die Eigenrezension Müllers und sein Autorenprofil einfach kommentarlos gelöscht. Nur im Google-Cache finden sich noch Spuren Müllers.

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5 Kommentare

  1. Bin mal wieder froh, im Jahr 2003 meinen Namen Frank Müller durch Verpartnerung abgeschafft zu haben. Mir tun indes die Tausenden Frank Müllers Leid, darunter mir bekannt mehrere Journalisten und Autoren, die nun verwechselt werden können. Dieser Name ist ein Handycap. Heiratet ihn am besten weg !

  2. Ja, und was füllt heute die Seite 18 des “Süddeutsche Zeitung Magazin”? Genau: ein Beitrag mit dem Titel “UNVERGEßEN” des Autors Frank Müller, in dem er über das Eszett schreiben und sein Buch anpreisen darf. Ist so viel journalistische Eselei – oder sollte man sagen: Chuzpe? – eigentlich polizeilich gestattet?

  3. Wenn ich mal eben zwei Dinge loswerden dürfte?

    Einmal: Das fragliche launige und respektlose PR-Geseier, das Eichborn zunächst auf seiner Seite brachte, ist – falls es wen interessiert – hier auf meinem Blog dokumentiert:

    http://www.thilo-baum.de/lounge/die-wunderbare-welt-der-medien/entschuldigung/#comment-8952

    Dann: Hat irgendjemand die Geschichte in irgendeinem klassischen Printmedium gesehen? Meines Wissens wussten mindestens Tagesspiegel und Berliner Zeitung davon. Nun lese ich beide nicht ständig. War’s drin? Ist es mir entgangen? Haben klassische Medien darüber geschrieben? Falls jemand was weiß … – danke.

  4. Nicht in der gedruckten Version, aber zumindest im SPIEGEL Online ist heute (04.03.2008) die Geschichte nochmal nacherzählt, wobei dort nichts Neues zu lesen ist. Dass Eichborn den ersten locker-flockigen Erklärungstext nach Protesten geändert hat, wird dort nicht erwähnt.

    Interessant der Eintrag einer Kommentatorin im Fontblog, die berichtet, dass das Buch noch nach Bekanntwerden des Plagiates und vor dem eigentlich geplanten Erscheinungstermin von Amazon ausgeliefert wurde.

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