StartseiteLiterarisches LebenStreit um Valentin-Zitate eskaliert im Internet

Streit um Valentin-Zitate eskaliert im Internet

Wurden Zitate berechtigt oder unberechtigt verwendet?Weil der Betreiber der Website »Sehr erfahrene Menschen«, Holger Jass, für die Verwendung dreier Zitate von Karl Valentin keine Erlaubnis hatte, wurde er durch die Valentin-Erben abgemahnt. Jass versieht die Zitate mit witzigen und zum Teil recht aufwendigen Animationen. Da jedoch – wie Jass selbst schreibt – von den 169 Zitategeber auf seiner Website 80 Prozent noch leben oder noch nicht 70 Jahre tot sind, sieht er die Gefahr weiterer Abmahnungen und Kosten auf sich zukommen. Als Konsequenz bleibe Jass nur die Schließung seiner Website. Erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers sind dessen Werke nicht mehr geschützt, sodass sie ohne Erlaubnis verwendet werden dürfen.

Insbesondere nachdem auch das ZDF über diesen Fall berichtet hat, schien für viele klar zu sein, dass Jass der Gute und die Erben Valentins die Bösen sind. Nach Angaben von Karls Valentins Erbinnen und des Nachlassverwalters, die die offizielle Website www.karl-valentin.de betreiben, häuften sich daraufhin die kritischen und zum Teil beleidigenden Einträge im Gästebuch. In einer auf der Website platzierten »Richtigstellung aus gegebenem Anlass« schreiben die Betreiber, dass sie u. a. als »geldgierige Schmarotzer« dargestellt würden, die »das Andenken an Karl Valentin angeblich in den Dreck ziehen«.

Die Erben sparen ihrerseits nicht mit harscher Kritik – auch am ZDF-Beitrag. »Die völlige Verdrehung der Sach- und Rechtslage in dem ZDF-Bericht verdummt wiederum das interessierte Publikum und zeugt von grundlegender Unkenntnis des Verfassers. Dem ZDF sollte die Verbreitung eines solchen Unsinns eigentlich peinlich sein.« heißt es dort.

Außerdem wehrt man sich seitens der Erben gegen Behauptungen, dass ein juristisches Vorgehen gegen die Verwendung von Valentin-Zitaten nicht im Sinne des Münchner Schauspielers und Kabarettisten sei. So schreiben die Erben: »Es ist nämlich verbürgt und überliefert, dass Karl Valentin bei ungenehmigten Nutzungen seines geistigen Eigentums fuchsteufelswild reagiert hat. Es gibt Briefe von ihm, in denen er sich gegen das kulturzerstörende Kopierunwesen” wendet und die seinerzeit von ihm festgestellte geübte verbrecherische Nachsicht gegen die Räuber und Diebe am geistigen Eigentum” heftig kritisiert.«

Nachwievor sind im Gästebuch von www.karl-valentin.de kritische Einträge von Besuchern zu lesen.

Jass selbst wiederum hat auf seiner Website eine »Richtigstellung der Richtigstellung« platziert, die er u.a. auch in den Kommentaren zu einem Bericht im literaturcafe.de eingestellt hat. Darin bedauert Jass, dass es im Internet zu Beschimpfungen und Beleidigungen der Erben kam. Jedoch fühlt auch er sich durch die Entgegnung der Valentin-Erben beleidigt, da seine Animationen als »mehr oder weniger peinliche und dümmliche Bilder« bezeichnet werden.

Zitate dürfen ohne Einwilligung des Urhebers nicht verwendet werden

Unabhängig von diesem Schlagabtausch muss festgehalten werden, dass Zitate bis 70 Jahre nach dem Tod des Verfassers urheberrechtlich geschützt sind. Wer sie verwenden will, benötigt das Einverständnis des Urhebers bzw. des Rechteinhabers.

Zwar gibt es Ausnahmen für wissenschaftliche und künstlerische Zwecke und im Pressebereich, doch setzt man sich hier stets der Gefahr aus, dass nicht alles von allen als Wissensschaft und Kunst gesehen wird. Letztendlich müsste auch im Streitfall um die Valentin-Zitate ein Gericht entscheiden, ob die Bilder auf www.sem-net.de nun »wunderbare und witzige Animationen« oder »mehr oder weniger peinliche und dümmliche Bilder« sind, um zu klären, ob für Jass die Ausnahmeregeln gelten.

Die Frage der Verhältnismäßigkeit und die Machtlosigkeit des bestohlenen Urhebers

Offen bleibt natürlich auch die Frage, ob es verhältnismäßig war, Jass für die Verwendung von drei Zitaten gleich abzumahnen. Andererseits werden Urheberrechtsverletzungen wie Text- und Bildklau gerade im Internet von vielen immer noch als Bagatelldelikt angesehen.

Aus eigener Erfahrung können wir vom literaturcafe.de berichten, dass oftmals urheberrechtlich geschützte Texte mit einer Naivität und Dreistigkeit kopiert werden, die unfassbar ist. Spätestens wenn mit krimineller Energie kopiert wird, überkommt einem als Urheber oder Rechteinhaber ein Gefühl der Machtlosigkeit. Was also tun? Was mache ich, wenn ich mein Gedicht auf einer anderen Website entdecke? Wer soll Urheberrechtsverletzungen prüfen und wie dagegen vorgehen? Was ist verhältnismäßig? Wann liegt eine berechtigte, wann eine unberechtigte Nutzung vor? Und spätestens dann, wenn sich die Kopierer auf eine freundliche aber bestimmte Bitte hin einfach nicht melden und die unrechtmäßig übernommenen Inhalte nicht entfernt werden, muss man irgendwann generell zu anderen Maßnahmen greifen.

Schade, wenn es dann auch arglose Website-Betreiber wie Holger Jass erwischt. Und schade auch, wenn der Streit und die Beschimpfungen so eskalieren.

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7 Kommentare

  1. Eine Frage; wenn ich das Gedicht einer noch lebenden Person, mit Angabe des Names auf meiner Homepage veröffentliche, schlicht und einfach, weil ich es schön finde, mache ich mich dann strafbar? Kann mir sowas auch passieren?
    Muss ich das Gedicht raus nehmen?

    Carolin

  2. Liebe Carolin,

    die Antwort auf alle deine Fragen ist uneingeschränkt: ja.

    Du musst die Erlaubnis des Autors haben. Hat dieser die ausschließlichen Nutzungsrechte am Gedicht an einen Verlag übertragen, muss der Verlag zustimmen. Um die Zustimmung nachweisen zu können, ist es immer gut, wenn diese schriftlich erfolgt.

    Die häufigsten urheberrechtlichen Irrtümer im Netz sind immer wieder:

    Es genügt, wenn ich den Namen des Autors und die Quelle angebe oder einen Link zur Website des Autors setze.
    Falsch! Es muss explizit die Erlaubnis des Autors bzw. des Rechteinhabers (Verlag, Erbe, ) vorliegen.

    Es genügt, wenn ich den Autor darüber informiere, dass ich sein Gedicht verwende. Wenn er was dagegen hat, wird er sich ja melden.
    Falsch! Es muss explizit die Erlaubnis des Autors bzw. des Rechteinhabers (Verlag, Erbe, ) vorliegen.

    Bei Gedichte bis zu x Wörtern oder y Zeilen ist keine Erlaubnis notwendig.
    Falsch! Es gibt keine diesbezügliche »Längenregelung«.

    Unsere Empfehlung zu diesem Thema ist das Buch »Urheberrecht im Alltag«, das wir hier vorgestellt haben.

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