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Ijoma Mangold im Gespräch: Wozu braucht man noch Literaturkritiker?

Ijoma Mangold und Wolfgang Tischer im Gespräch (Foto: Birgit-Cathrin Duval)
Ijoma Mangold und Wolfgang Tischer im Gespräch (Foto: Birgit-Cathrin Duval)

Ijoma Mangold leitet das Ressort Literatur bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. »Redaktionsarbeit heißt Selektion«, sagt der Literaturkritiker. Und das gilt natürlich auch für besprochene Bücher.

Doch wonach wird ausgewählt? Und hat man als unbekannter Autor oder gar als Self-Publisher überhaupt eine Chance, vom Feuilleton wahrgenommen zu werden?

Hören Sie im Podcast des literaturcafe.de den Mitschnitt eines Gesprächs vom 13. März 2014 auf der Bühne autoren@leipzig auf der Leipziger Buchmesse.

Natürlich sind es zunächst die bekannten Namen, auf die Kritiker schauen. Um die Neuerscheinungen von etablierten Schriftstellern komme man nicht herum. Sodann reisen die Presseverantwortlichen der Buchverlage zu den Zeitungsredaktionen und stellen dort ihre Neuerscheinungen vor. Allerdings, so Mangold, gäbe es da noch das Debüt: Jeder Literaturkritiker sei vom Ehrgeiz besessen, einen neuen Autor zu entdecken. Der entscheidende Faktor sei jedoch auch hier die Vorfilterung durch Verlage. Self-Publisher und andere Einzelautoren werden daher in der ZEIT nicht auftauchen.

Man müsse auch zwischen dem unterscheiden, was die Freunde des Autors gut finden, und dem, was die Allgemeinheit interessiere. Die Verlage selbst verlegen schon viel zu viele Bücher – auch schlechte! -, warum also soll man sich da noch weiter umschauen?

Der Literaturkritiker sei ein Journalist, der versucht, das zu deuten und zu diagnostizieren, was in seiner Zeit passiert. Literatur sei ein Ort, in dem Gegenwart zu fassen ist. »Ich sage mit meiner Kritik auch etwas über unsere Zeit«, so Ijoma Mangold.

Und welchen Stellenwert hat der Verriss? Mangold ist skeptisch, man müsse schon genau überlegen, ob es sich lohne, Platz für ein schlechtes Buch bereitzustellen.

Im Gespräch zwischen Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de und Ijoma Mangold geht es auch um die aktuelle Diskussion zur Gegenwartsliteratur, die von Florian Kessler losgetreten wurde und an der sich auch Maxim Biller beteiligt hat. Es gebe derzeit offenbar das Bedürfnis, im Programmatischen Farbe zu bekennen, was Mangold sehr freut. Es sei die Idee von Journalismus, auch Gegenmeinungen zu veröffentlichen.

Und wie sieht die Zukunft der Literaturkritik aus? Die Nachfrage nach Meinung und Analyse werde nicht zurückgehen, davon ist Mangold überzeugt. Gleichwohl bestehe ein Problem der Refinanzierbarkeit.

Die Stärke einer Zeitung sei ihre Selektionsautorität. Das Netz hingegen sei die Wüste der Selektion, in der es nur Sand gäbe. Allerdings bescheinigt Mangold, dass es auch dort bereits Orte gibt, in denenThemen gesetzt werden. Als Beispiel nennt er das Blog von Stefan Niggemeier, dem dies gelinge. Die Personalisierung des Journalismus nimmt im Netz zu.

Am Schluss des Gesprächs empfiehlt Ijoma Mangold seine Lieblingsbücher des Frühjahrs, und er rät zu einem Blick auf die Shortlist vom Preis der Leipziger Buchmesse, deren Zusammensetzung er in diesem Jahr für sehr gelungen hält.

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4 Kommentare

  1. Mit dem Pillenköfferchen in der Hand
    Wie soll man das nennen, Herr Mangold? Arroganz? Ignoranz? Sind Sie nicht gescheitert mit dem Versuch, Literatur zu den Menschen zu bringen, zumindest was Ihr Fernseh-Format angeht? Schon wieder vergessen? Hat Sie das nicht zum Nachdenken gebracht?
    Und warum so gespreizt und demutsvoll, Wolfgang Tischer? Wozu der Weihrauch? Die Zeit der Großkritiker ist vorbei. Und dass einer Feuilletonchef der Zeit ist, beweist nichts.
    Was sagt er denn? Er unterscheidet (bei der Buchproduktion) zwischen Masse und Klasse, spricht von notwendiger Selektion. So weit, so gut. Doch weiter sagt er, dass er sich ausschließlich auf die Verlagsproduktion und auf die Empfehlungen von Agenten seines Vertrauen stützt. Wie muss man das verstehen? Wie ein Arzt, der seinen Patienten die Pillen verschreibt, die ihm sein Pharmavertreter empfohlen hat? Nein, nicht ganz. Aber im Prinzip schon, wenn auch mit eigenen Worten, man ist ja nicht blöd. So macht er’s, und so machen es vermutlich auch alle anderen.
    Hier hat sich – wenig überraschend – ein System kommunizierender Röhren herausgebildet, das dafür sorgt, dass es auf der einen Seite die Feuilletonliteratur und auf der anderen die Stapelware gibt, elitär Verblasenes und massentauglicher Schrott. Dieses System zeugt sich fort und fort, aber es erneuert sich nicht.
    Innovation findet woanders statt: zwischen den Polen. Das wird von den Herrschaften nicht wahrgenommen. Die Allianz aus Pharmaindustrie und Ärzteschaft, pardon, zwischen Verlagen und angestellten Literaturvermittlern bleibt unter sich, wie jede Glaubensgemeinschaft, der die Grundlage entzogen ist.
    Und was macht der Patient? Wo bleibt der Kunde? Der Leser? Nein, nicht auf der Strecke, aber auch nicht bei diesen Leuten. Das ist die gute Nachricht! Und wenn Sie das nicht wissen, Herr Tischer, wer dann?

  2. De Arroganz, das mit dem”Gefallen finden” und das Selbstpublisher sowieso niemals nicht eine Chance haben werden, hat mir auch sehr mißfallen und auch sehr betroffen. Diese Großkritiker scheinen wirklich schon sehr abgehoben zu sein und sich mit dem anderen, das ja um sie herum sprießt und grünt, nicht beschäftigen zu wollen.
    Sehr schade, eigentlich, finde ich, denn es ist wahrscheinlich nicht so, wie es Herr Mangold sieht, beziehungsweise sehen das sehr viel andere, die ihre Bücher selbst verliegen und dabei nicht so erfolglos sind, anders.
    Schade eigentlich, diese Kluft und dieses sich mit der Realität absolut nicht auseinandersetzen wollen, denn “Was nicht sein darf, kann nicht sein!”,, vielleicht kann das Literaturcafe, das ja das wahrscheinlich ein bißchen anders sieht, ein wenig korrektieren.
    Jetzt habe ich doch wieder einmal kommentiert und mein Messebesuch war sehr schön und heute, bei einer Veranstaltung in der “Alten Schmied” in Wien konnte ich wieder einmal hören, das mein selbstgemachtes “Literaturgeflüster-Texte-Buch” eigentlich etwas ganz Besonderes ist.

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