Eindrücke vom 1. Schreibkurs des Literatur-Cafés
am 20. März 2004 in Stuttgart

Persönliche Impressionen eines literarisch kreativen Tages.

Texte eines kreativen Tages

Der Kurs im Überlick

Wann?

Samstag, 20.03.2004
9:30 bis 17:30 Uhr

Wo?

Kulturzentrum Merlin
Augustenstraße 72
70178 Stuttgart

Für wen?

10 Schreibanfänger,
die für Leser schreiben wollen

Kursleiter

Malte Bremer
Wolfgang Tischer

Ein kreativer, interessanter, unterhaltsamer und lehrreicher Tag ist vorbei. Die Premiere ist gelungen, und zum ersten Mal hat das Café einen eigenen Schreibkurs in der »realen Welt« veranstaltet!

Nichts ist wichtiger an einem literarischen Text als der Anfang. Der erste Satz, der erste Absatz, die erste Seite entscheidet in den meisten Fällen, ob der Leser weiter liest oder das Buch kauft. Daher ging es am 20. März 2004 hauptsächlich um Textanfänge, also somit um Prosatexte. Anhand verschiedener Methoden wurden Anfänge und Techniken vorgestellt und ausprobiert. Auch die kurze Skizzierung eines Plots war dabei wichtig, denn kein Anfang steht allein. Die Texte wurden gemeinsam besprochen und konstruktive Tipps und Hinweise zur Verbesserung gegeben. Auch Kritik üben und annehmen will gelernt sein, denn nur konstruktive Anmerkungen helfen weiter.

Um all denen, die nicht dabei sein konnten, einen Eindruck zu vermitteln, worum es da am März 2004 in Stuttgart sonst noch ging, haben wir die Teilnehmer gebeten - sofern sie Lust und Zeit haben -, ihre persönlichen Eindrücke von diesem Tag festzuhalten.

Wird es einen weiteren Kurs geben? Sehr wahrscheinlich! Auf jeden Fall wird er im Café angekündigt werden und mit Sicherheit werden die Abonnenten unseres Newsletters mit die ersten sein, die davon erfahren. Also schnell Ihre eMail-Adresse eingeben, falls Sie noch kein Abonnent sind.

Die Quintessenz des Schreibens. Oder: Literarischer Trester

von Gordana Matusan

Ich lebe. Das erste, was mir 50 Minuten nach Beendigung des ersten Schreibkurses des Literatur-Cafés einfällt. Unbegründet – die schlaflose Nacht. Unmotiviert – die nervösen Schübe bei der ersten Tasse Kaffee des Morgens. Unnötig – die zahllosen Zigaretten davor.

Es hat Spaß gemacht. Die literarischen Kollegen waren super. Wolfgang und Malte keine Hannibal Lectors, die sich an unsere blutjungen Satzfetzen festbeißen und sie bis auf die Knochen herunternagen.

Menschlich war es. Und konstruktiv. Und lehrreich. Denn niemals wieder werde ich durchs Fenster schauen. Und Gott bewahre mich davor durch einen Blick in fremde Augen in dazugehörige Seele blicken zu wollen. Diesen Weg betrete ich zukünftig nur noch durch den Rachen. Ungewöhnlich ist das Stichwort hierzu. Nie wieder werde ich vom Schwarzen Nichts im Schwarzen Raum reden, die Ewigkeit lasse ich auch gleich hinter mir. Es gibt kein »Plötzlich« und auch keine Adjektive mehr. Nichts wird mehr kläglich enden, jämmerlich vergehen und dramatisch getötet. Höchstens schlechte Anfänge.

Aber was passiert anstelle dessen? Nun ja, mit dem obligatorischen Plot ist das so eine Sache. Ich werde ihn zwar suchen, aber ob sich dieser so einfach finden lässt, ist eine andere Frage. Die Geschichten werden fließen, so viel ist jetzt schon sicher, denn – man erinnert sich – ich lebe, auch literarisch gesehen. Und wer weiß, vielleicht hält es eine Erzählung auch mal bis zum Ende aus, dem bitteren. Und damit wäre eigentlich auch schon viel geschafft. Die Unvollendete gibt es schließlich bereits schon.

In diesem Sinne – noch einmal herzlichen Dank. Es war ein toller Samstag.

Anfänge

von Daniel Rosner

Letzten Samstag bei der Flashback Party im H20 stellte ich mir krampfhaft die Frage, wie das Mädchen im roten Top mit den schwarzen Haaren ansprechen. Am heutigen Samstag, beim ersten Schreibkurs der Literatur-Cafes in Stuttgart, ging es darum, wie mein wartendes Millionenpublikum mit einem Text ansprechen. Der erste Satz ist entscheidend. Beim Text und beim Ansprechen des Mädchens.

In knackigen Aufgaben ging es darum, einen zum Weiterlesen einladenden Anfang für einen Text zu finden. Jeder Text war der kreativen und hilfreichen Kritik der anderen Kursteilnehmer, sowie den Leitern Wolfgang Tischer und Malte Bremer ausgesetzt. Es wurde viel und herzlich gelacht.

Jeder hat dazu gelernt, und ich hoffe, dass ich es nächste Woche bei der H20 Flashback Party schaffe, einen knackigen Anfang zu finden, um das Mädchen mit dem roten Top und den schwarzen Haaren anzusprechen.

Über den 1. Schreibkurs und erste Sätze

von Kathrin Rohwedder

Das ist ein erster Satz, und ich frage mich, ob es eine Geschichte mit Plot oder ohne wird. Doch, einen Plot gibt es – denn allein der Tag gibt mir mit seiner in sich abgeschlossenen Struktur einen vor. Heute fand der erste Schreibkurs des Literatur-Cafés statt, und bis auf eine Person waren alle anderen neun pünktlich da. Oder waren sie pünktlichst da? Ja, auch um solche sprachlichen Differenzierungen ging es. Und um vieles mehr. Darum, dass man einfach drauflos schreiben kann und darf. Darum, dass man oft genug danach aber einen Großteil des Drauflos-Geschriebenen wieder wegwerfen soll und muss. Darum, dass ein Plot wichtig ist, man aber auch experimentieren kann, ohne zu wissen, wo es danach mit der Geschichte hingehen wird. Es ging um Klischees und abgenutzte Bilder, und wer ungeduldig ist, darf schon jetzt bis zum letzten Satz springen, um zu erfahren, welches Klischee unser Favorit war.

Der Schreibkurs fand in entspannter und arbeitsfreudiger Atmosphäre statt. Die meisten Teilnehmer hatten latente Befürchtungen wegen des zwar hoch geschätzten, deswegen aber auch heftig gefürchteten Kritikers Malte Bremer. Die konnten wir aber sofort über Bord werfen, denn er entpuppte sich als ein begeisterter, mit Texten liebevoll umgehender Wortmensch, der niemanden von uns niedermachte und auch keinen der Texte. Im Gegenteil: er versuchte uns immer wieder zu zeigen, wie man auf den ersten Blick nicht ganz überzeugende Anfänge noch retten kann, indem man zum Beispiel Sätze umstellt oder einfach den ersten Absatz streicht. Für diesen Text möchte ich das allerdings nicht empfehlen...

Angesichts der zeitlichen Begrenztheit eines Tages ging es um Anfänge von Geschichten und darum, was diese interessant macht. Ist es die Dynamik des ersten Satzes oder die implizit stattfindende Charakterisierung des Erzählers? Ist es eine handlungsreiche Szene oder doch eher ein witziger oder paradoxer Widerspruch? Solche Fragen wurden diskutiert und dann erprobt an drei zu schreibenden Anfängen. Diese wurden sodann sachlich und konstruktiv in der Gruppe kritisiert.

Der erste Schreibkurs des Literatur-Cafés war auf jeden Fall ein Erfolg, und beiden Kursleitern gebührt großer Dank.

Dem Leser, der zum Ende dieses Textes noch etwas über die eingangs erwähnten klischeehaften Anfänge erfahren möchte, sei dies gesagt: die beliebte Fenster-Metapher hat im Laufe des Tages immer wieder zu heftigen Lachanfällen geführt und sollte tunlichst vermieden werden. Und damit schließe ich diesen Text – und Sie nun auch gerne das dazugehörige Fenster.

Für alle, die diesmal noch nicht dabei waren

Mit Anspielungen, die nur die verstehen, die dabei waren
von Natalie Schäfer

Die dunkle Nacht tastet sich wie ein maulwurfschwarzer Schatten mit Blindenstock und Armbinde zum Fenster herein… Jetzt sitze ich schon seit geraumer Zeit im fast völlig rabenschwarzen Nichts vor meinem möwenweißen Blatt mit drei Zentimetern Rand.
     Aber nicht mehr lange! Denn ich habe ja einiges vom ABC, wie das Blütenweiß bestens zu füllen ist, gelernt. Nie wieder aufdringliche Schreibblockaden, nie wieder düsterste Blackouts, nie wieder gebogene ??? in meinem Kopf - weder drei, noch vier, die Fünf scheidet völlig aus.
     Denn zumindest was den Anfang betrifft gilt: Dieser ist nun nicht mehr so schwer wie der Volksmund annimmt. Vielleicht entdecke ich ja sogar zusätzlich irgendwo irgendwann plötzlich ein paar Kinderschuhe, in denen ein Plot steckt.
     Und Schreibanlässe finde ich jetzt genug, auf diesem Krisengebiet habe ich dank Wolfgang und Malte vieles gelernt.
     Ich bespanne zur Inspiration einfach die ballonseidenen Nachbarn, melde mich zu einer Kaffeefahrt mit 40 Rentnern ins Siebengebirge an oder miete mich im aussichtsreichen Schloss Lindeck ein.
     Wer weiß, wer weiß… oder ich entdecke schon morgen nach dem ungewollten Aufstehen beim ausschweifenden Blick durch mein verbotenes Fenster einen bedeutungsvollen Teich hinter unserem mysteriösen Haus, der meinem nun hoch motivierten Füller einige übersprudelnde Ergüsse entlockt… Die unbegrenzten Möglichkeiten sind schier unendlich!
     Hach! – ich habe so viele Anregungen erhalten, dass ich jetzt gar nicht weiß, wo und vor allem wie ich anfangen soll!
     Doch bevor ich nun trotzdem zum Griffel greife, mich vielleicht Fenstersims, Fensterrahmen und Rollladen widme und so richtig ausführlich fad werde, möchte ich den sympathischen Fensterputzern recht herzlich danken, die dafür gesorgt haben, dass wir nun keine Insektensülze mehr vor den Augen haben, sondern durch glasklare Gläser unsere Texte besser zu analysieren und redigieren wissen (woran ich mich auch bei diesem Exemplar nach dem Abschicken versuchen werde).
     Vielen Dank - die Zeit verging wie im rasenden Rausch, es hat wunderbar gemenschelt und eines steht fest: Dieser leicht verregnete, wunderschöne Tag soll für immer in meinem Gedächtnis bleiben und entlockt mir Tag und Nacht unaufhörlich und immer und immer wieder bei aller angebrachten Zurückhaltung Entzückensrufe wie ah! und oh!. ;-)


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