StartseiteBuchkritiken und TippsZahlende Autoren: Hamburger Abendblatt wird scheinbar zum Zuschussverlag

Zahlende Autoren: Hamburger Abendblatt wird scheinbar zum Zuschussverlag

Screenshot: 699 Euro kostet ein Buch in der »Norddeutschen Reihe«Warum sollen Autoren, die keinen Verlag finden, der ihnen ein angemessenes Honorar zahlt, immer nur bei teuren Zuschussverlagen landen, die sich das Versprechen auf einen Bucherfolg vom Autor schon mal mit 15.000 Euro bezahlen lassen?

»Das können wir billiger!«, hat man sich offenbar beim Hamburger Abendblatt gedacht. Die zum Springer-Konzern gehörende Zeitung tritt scheinbar selbst als Pseudoverlag auf, bei dem Autorinnen und Autoren für ihr Buch zahlen müssen. Als besonderer Anreiz wird von den Hamburgern ein »Vermarktungspaket« angeboten.

Kleinster Nenner: nicht in irgendeiner Weise negativ

Die Bücher werden in der so genannten »Norddeutschen Reihe« veröffentlicht. Der kleinste inhaltliche Nenner besteht darin, dass die Manuskripte laut FAQ nicht »diskriminierend, gewaltverherrlichend, pornografisch oder in sonst irgendeiner Weise negativ sind«.

699 Euro will das Hamburger Abendblatt vom Autor »für einen Buchumfang ab 100 Seiten« haben. Dafür muss der Autor jedoch fast alles selbst machen und sein Manuskript zum Beispiel als Word-Datei über die Website hochladen und sich ein Cover aus Vorlagen zusammenklicken. Lektoriert wird der Text nicht. Wer Hilfe benötigt, dem wird Zugriff auf ein »Literatur-Netzwerk« angeboten, das »individuell unterstützt«. Was das zusätzlich kosten kann, darüber ist auf der Website norddeutschereihe.de nichts zu lesen.

Vergleichbare Dienstleistungen sind günstiger zu haben

In der Autorenzahlung enthalten sind u. a. eine ISBN, die Anmeldung bei der Deutschen Nationalbibliothek und die Listung im Verzeichnis der lieferbaren Bücher.

Wer als Autor der »Norddeutschen Reihe« ein Buch verkauft, erhält den üblichen Tantiemensatz, der sich pro Exemplar irgendwo zwischen 1 und 2 Euro bewegen wird. Die Bücher sind in Buchhandlungen und Online-Shops bestellbar.

Einen vergleichbaren Dienstleistungsumfang gibt es bei Print-on-Demand-Dienstleistern bereits für um die 50 Euro.

Natürlich lockt man Autorinnen und Autoren mit dem Namen »Hamburger Abendblatt« und damit, dass die Bücher »innerhalb der ersten 12 Monate nach Veröffentlichung 3x im Hamburger Abendblatt beworben« werden. Näher ausgeführt ist dies nicht, jedoch dürften es eher Hinweise im Kleinanzeigenformat sein, wenn man nicht das Glück hat, ein wirklich gutes Manuskript abzuliefern, aus dem die Springer-Zeitung mehr machen kann.

Redaktioneller Beitrag im Hamburger Abendblatt?

Denn während seriöse Feuilletons Zuschussbücher in der Regel nicht mal mit der Kneifzange anfassen, geschweige denn rezensieren, lockt das Hamburger Abendblatt auch mit der Möglichkeit eines redaktionellen Beitrags.

Auch das sonstige Instrumentarium ist bei Zuschussverlagen üblich: So veranstaltet man zur Manuskriptgenerierung einen Schreibwettbewerb »Belletristik/Roman«. Wer gewinnt, bekommt die Veröffentlichung in der »Norddeutschen Reihe« umsonst.

Schade, dass man auch auf die üblichen Floskeln und Sprüche, mit denen normalerweise nur die schwarzen Schafe werben, nicht verzichtet. So verwendet man den Begriff »Lektorat« für die Eignungsprüfung der Manuskripte und die von anderen Pseudoverlagen bekannte Floskel »Ausgewählte Titel werden auch auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert«. Ebenso wird in einem Artikel des Hamburger Abendblattes das Lied vom bekannten Autor gesungen, dessen Potenzial die »echten« Verlage nicht erkannten.

Kein Vertrag mit dem Hamburger Abendblatt

Tatsächlich schließt man jedoch keinen Autorenvertrag mit dem Hamburger Abendblatt ab, sondern mit dem Dienstleister tredition.de, der hinter dem Angebot steckt. Ein durchaus seriöser Anbieter, der Autoren gegen Geld die Veröffentlichung ermöglicht, wenn sich kein richtiger Verlag findet, der den Text auf eigenes wirtschaftliches Risiko veröffentlichen und vermarkten will. Ebenso steckt Tredition als sogenannter »White-Label-Diensteister« auch hinter den Verlagsaktivitäten anderer Zeitungsverlage.

Geht man nicht über das Hamburger Abendblatt, so kostet die Dienstleistung einer Selbstveröffentlichung bei tredition.de direkt 150 Euro – dann ohne »Marketingpaket« des Hamburger Abendblattes.

Rechte werden für mindestens 3 Jahre ausschließlich abgetreten

Apropos Vertrag: Obwohl man als Autor für sein Buch zahlt, tritt man bei dieser Kooperation laut Autorenvertrag sämtliche Nutzungsrechte ausschließlich an den Dienstleister Tredition ab. Das schließt z.B. auch die E-Book-Rechte ein, sodass der Text vom Autor nicht z.B. bei Amazon selbst als E-Book angeboten werden darf.

Und die Mindestvertragslaufzeit beträgt zunächst satte drei Jahre! Erst danach kann er mit einer Frist von 30 Tagen zum Ende eines Monats gekündigt werden.

Fazit

Natürlich könnte man sagen: Bevor Autoren, die keinen richtigen Verlag finden, in die Hände von fiesen Abzockern geraten und dort schon mal 15.000 Euro hinblättern müssen, sind sie mit 699 Euro beim Hamburger Abendblatt besser aufgehoben.

Die Mindestvertragslaufzeit von drei Jahren, während der die Nutzungsrechte ausschließlich abgetreten werden, ist jedoch unserer Meinung nach unverhältnismäßig lang.

Denn auf der anderen Seite bieten Print-on-Demand-Dienstleister wie BoD oder epubli ähnliche Dienstleistungspakete bereits ab 40 Euro an. Gerade bei epubli sind die Kündigungsfristen kurz und es gibt keine Mindestlaufzeiten. Auch dort sind die Bücher über Buchhandlungen und Online-Shops erhältlich.

Bleiben die drei Anzeigen und der »Angeberfaktor« in der Norddeutschen Reihe des Hamburger Abendblatt zu veröffentlichen. Ob das die Mehrkosten Wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Allzu viel Hoffnung sollte man darauf nicht setzen. Und: Ist die »Norddeutsche Reihe« wirklich ein Angebot des Springer-Blattes? Eigentlich nicht. Schon jetzt zeigt ein Blick auf die Website, dass die Reihe gar nicht so sehr mit der Zeitung verknüpft wird. Die Reihe wird relativ autark beworben. Aktuell findet sich dort nicht das Logo des Hamburger Abendblatts und im Impressum steht Tredition und eben nicht Axel Springer bzw. das Hamburger Abendblatt.

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11 Kommentare

  1. Ein ziemlich ähnliches Angebot findet sich seit einiger Zeit auch bei anderen Zeitungen, z.B. hier in OWL bei einer größeren Tageszeitung. Die Preise scheinen ähnlich, auch hier wird gelockt mit Werbeanzeigen in der hauseigenen Presse. Ob sich der gleiche Dienstleister dahinter verbirgt, weiß ich nicht. Die Frage, warum sich gerade Presseverlage an der gemeinhin prophezeiten Auflösung der bisherigen Verlagslandschaft innerhalb der nächsten 5 – 10 Jahre auf diese Art und Weise beteiligen, könnte wahrscheinlich besagter Dienstleister beantworten, wenn er wollte. Im Casting-Zeitalter rennen halt so viele Genies herum, dass der normale Mensch sprich Durchschnittsverleger sie gar nicht mehr erkennen kann. Könnte so eine Akkumulation von genialen und kreativen Kräften nicht mal forciert werden, um die Probleme unserer Gesellschaft und der Erde zu retten?

  2. es ist ja nur rechtens wenn eine Zeitung eine White-Label-Sache nutzt. Bei bod musste man – jedenfalls früher – auch jährlich einen Betrag für die Datenerhaltung zahlen, ansonsten ist das bod-Buch nicht mehr lieferbar. Koeingedrucktes Hin oder Her und das ist auch wichtig. aber epubli gehört zu Holtzbrinck und ob ich es denen in den Rachen werfen möchte, bleibt fraglich. Dann lieber alles selbst machen.

  3. @WD Baehrland: das finde ich auch! Die Regenwälder sollten geschützt werden. Dennoch kommen aber auch bei dieser publizistischen Aktion, wie von Herrn Tischer beschrieben, Bücher heraus, nicht? Hab ich überlesen, dass diese in Stein gemeißelt werden? Und überhaupt, der Strom regnet als Tautropfen von exotischen Blättern?

  4. epubli schreckt mich seit ich den Verlauf des dort derzeit laufenden Autorenwettbewerbs “Der neue Buchpreis” verfolge mehr als ab. Das Ganze hat mit dem Wert eines Buches nichts mehr zu tun, sondern der Autor wird als Mittel epubli bei Facebook mehr Bekanntheit zu verleihen benutzt. Man muss nicht mal wissen, wie das Buch aussieht, für das man stimmt – wie krank ist das denn. Gezählt werden einfach nur Klicks auf den “gefällt mir” Button von Facebook. Das ist übelst. Man schaue sich die ersten 5 Plätze in der jeweiligen Rubrik an undund staune was durch diesen Humbuk der Wertung an der Spitze liegt und bilde sich dann ein Urteil über Seriösität und den Sinn eines solchen Buchpreises. Ob sich die Jury (seriös besetzt) nicht doch ein “wenig” merkwürdig dabei vorkommt?

  5. @Aleta Das ist leider bei allen Abstimm-“Wettbewerben” so: wer die meisten “Freunde” gefügig machen kann, ist der “Beste”. Fernsehformate wie z.B. DSDS hinterlassen Spuren. Am Ende gewinnt oftmals derjenige, der am besten den mainstream bedient. Letztendlich sind solche Abstimm”wettbewerbe” schlaue Marketingstrategien, um ein ‘Produkt’ oder den ‘Hersteller’ eines ‘Produktes’ bekanntzumachen. Man kann nur hoffen, dass es auch da noch Menschen gibt, die die Spreu vom Weizen zu trennen vermögen …

  6. Franzi mag sein, aber hier wird ein Buchpreis vergeben, ohne dass das Buch gelesen werden muss, das macht kein seriöser Verlag oder in diesem Fall eine Plattform mit Verlagscharakter – zumindest nicht ein seriöser, der an seinen Autoren ehrlich interessiert ist. Der stellt sich vor sie – nicht wie in diesem Fall hinter sie zum Eigenzweck. Doch lassen wir das lieber, das passt wohl nicht so recht zum Thema, aber über ebpubli findet man nicht allzuviele Meinungen im Net, die nicht von epubli selbst kommen.

  7. Aleta, ja, das ist natürlich noch eine Nummer mehr, für etwas zu stimmen, was man nicht einmal kennt. Das zeigt auch, welchen Stellenwert manche Preise haben. Wahrscheinlich ist es das Ziel, dass man sich am allerbesten natürlich die Bücher erst mal kostenpflichtig downloaded? Wie auch immer, man kann es so wie von dir geschildert nicht gutheißen …

  8. Hinzufügen möchte ich noch, dass man bei epubli aufpassen muss, wo man beim Preis für sein Buch z. B. in der Bellestrik landet. Ein Kinderbuch kostet da schnell mal 25 Euro – wer soll das kaufen. Das müsste doch selbst epubli klar sein, dass das ein Hohn ist. Auch bei Taschenbüchern kommt man schnell in eine Preiszone, die niemand mehr zu bezahlen bereit ist. Also aufpassen – epubli ist zwar bequem, aber nicht das empfehlenswerteste. Für Autoren wird dort nichts getan. Gewinn macht nur epubli, der Autor wird ausgenutzt. Einfach bevor man sich drauf einlässt nochmal genau prüfen, ob man sich nicht eher damit schadet als nutzt.

  9. Bei BoD zahlt man für die Datenhaltung 1,99 Euro pro Monat und verpflichtet sich für fünf Jahre. Will man vor dieser Zeit aussteigen, kostet das ein paar hundert Euro.Für die erwähnten 40 Euro wird das Buch lediglich bei Libri und amazon gelistet. Das Design des Buches muss der Autor selbst erstellen.

    Es gibt viele schwarze Schafe in der Literaturszene. Mir sind Zuschussverlage bekannt, bei denen man sehr schnell 4.000 bis 10.000 Euro los wird – ohne nennenswerte Gegenleistung. Ein Verlag zahlt erst ab dem 301. verkauften Buch dem Autor eine Tantieme.

    Ich finde es grundsätzlich absolut nicht verwerflich, den Autor an den Lektorats- und Produktionskosten zu beteiligen – aber die Gegenleistung muss stimmen. Aus diesem Grund habe ich vor einem Jahr einen kleinen Verlag gegründet – einen dieser verrufenen “Zuschussverlage”. Meine Autoren bekommen seriöse Dienstleistung, bei der Vermarktung berate und unterstütze ich sie und bei wenn ein Autor alles “richtig” macht, amortisieren sich die Kosten relativ bald.

    Ich arbeite mit seriösen Druckereien zusammen, die engagiert sind und professionelle Druckergebnisse liefern. Meine Autoren sind mit meiner Dienstleistung sehr zufrieden – und so haben alle Beteiligte was von meiner “Zuschuss”-Dienstleistung.
    Ich mache auch keine falschen Versprechungen, sondern weise ausdrücklich darauf hin, dass die Vermarktung eines Buches “Eichhörnchen”-Arbeit ist und viel Zeit in Anspruch nimmt. Dazu gehört unter anderem eine Homepage (besser ein Blog) und zeitaufwändige Pressearbeit.

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