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Wie Nina George und der VS unser Internet kaputt machen

Nina George im Gespräch auf der Leipziger Buchmesse 2016
Nina George (Archivbild)

Das EU-Parlament hat für eine dubiose Urheberrechtsreform gestimmt, und ich finde es ziemlich scheiße, weil es komplett gegen meine Vorstellung von einem freien Internet und von Kreativität geht. Noch viel schlimmer aber ist die Freude von Nina George und des Verbands der Schriftsteller (VS).

Vor zwei Jahren hielt Nina George eine Rede bei den Leipziger Buchtagen, die extrem polemisch und problematisch war und tatsächlich nur dazu diente, Menschen Angst zu machen. Seitdem wird Frau George in Schriftstellerkreisen als Sprachrohr der armen und ausgebeuteten Schriftsteller gesehen und ist in dieser Funktion Mitglied des Bundesvorstandes des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) und Beauftragte für das Ressort Urheberrecht. Wie im oben verlinkten Artikel ausgeführt, finde ich ihre Argumentation sehr gefährlich.

»Seit siebzehn Jahren warten Europas Kreativschaffende und ihre Branchenpartner auf eine rechtliche Grundlage für gerechte Vergütungen bei der Nutzung ihrer Werke im Internet. Die Entscheidung des Parlaments ist ein dreifaches Ja: zur Verantwortung, zur Kulturvielfalt im Internet, aber auch zum Schutz und zur Freiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher«, so Nina George, Mitglied des Bundesvorstandes und Beauftragte für das Ressort Urheberrecht.
Aus der Pressemitteilung des VS

Die Urheberrechtsreform wird hier als große Neuerung und Verbesserung angepriesen, und scheinbar gibt es besonders unter den schreibenden Menschen die Hoffnung, endlich von ihren Werken leben zu können. Ich glaube, dass Nina George genau deshalb so viel Zustimmung erfährt. Jeder will endlich für seine Werke gerecht entlohnt werden, und diese Reform soll das richten. Aber das wird nicht passieren.

Wir brauchen nicht darüber reden, dass Diebstahl und Piraterie illegal sind und nicht passieren sollten und wir Wege finden müssen, diese zu unterbinden oder wenigstens für Nutzer unattraktiv zu machen. Aber die Lösungen, die in der aktuellen Reform angesprochen werden, werden nicht funktionieren.

Die »gerechte Vergütung« soll einerseits über das Leistungsschutzrecht erreicht werden, andererseits über die Inpflichtnahme der sozialen Netzwerke und Plattformen, die von Usern hochgeladenen Dateien vorab auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen und die Veröffentlichung zu unterbinden. Im folgenden Uploadfilter genannt.

Uploadfilter sollen also verhindern, dass illegale Dateien verbreitet werden. Ein Algorithmus entscheidet, ob die hochgeladene Datei eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Ähnliche Filter setzen YouTube, Instagram und Facebook schon länger ein, um beispielsweise Bilder von weiblichen Nippel zu unterbinden. Problem ist: Bisher gibt es keinen Algorithmus, der das richtig kann. Stattdessen bremst YouTube eine Kampagne gegen Sexismus aus, und Facebook löscht nicht nur »echte« Nippel, sondern weist auch Bilder von Kulturgütern wie alten Gemälden ab, sodass es Museen erschwert wird, sich in den sozialen Medien und nah an einer jungen Zielgruppe zu vermarkten.

Es wird noch lange keinen Algorithmus geben, der zwischen einem Zitat, eine Parodie, einem Remix oder eben einer wirklichen Verletzung unterscheiden kann. Angesichts der hohen Strafen für die Plattformen bei Verletzung des Gesetzes werden diese ihre Filter eher schärfer einstellen und lieber zu viel filtern. Das bedeutet vielleicht weniger illegale Kopien geschützter Werke in den sozialen Netzwerken. Das bedeutet aber auch, dass beispielsweise gifs nicht mehr hochgeladen werden können, wir im Zweifelsfall keine Bilder von schönen Buchcovern mehr machen können, mit denen wir unsere Instagramkanäle füllen und Frau George keine Werbung mehr für schreibende Kolleginnen unter dem Hashtag #Autorinnenzeit machen kann, weil diese Screenshots als Urheberrechtsverletzung gedeutet werden könnten.

Gewiss, auf einigen Plattformen könnten weniger illegale Kopien zu finden sein. Aber eben auch alles andere, das unsere Art, zeitgemäß zu kommunizieren ausmacht. Und es bedeutet nicht, dass es keinerlei Piraterie mehr gäbe. Weil die Verteilung über diese Plattformen nur einen Teil der Vertriebswege ausmacht. Die Portale, die schon jetzt nur für die illegalen Kopien existieren, werden sich nicht an dieses weitere Gesetz halten. Und wenn jemand etwas illegal und kostenlos haben will, wird er einen Weg finden.

Das Leistungsschutzrecht, welches nun EU-weit eingeführt werden soll, gibt es schon seit 2013 in Deutschland. Es sollte dazu führen, dass Verlage und Autoren besonders von Google an den Werbeeinnahmen beteiligt werden, die Google durch die Verwendung von Textabschnitten (Snippets) und Verlinkungen generiert. Schon damals wurde davor gewarnt. Es wurde dennoch durchgesetzt. Google drohte damit, keine Links mehr zu den Medienhäusern und Verlagen zu setzen. Dann:

Kurz vor Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts wurde am 30. Juli 2013 bekannt, dass viele der stärksten Befürworter des Gesetzes, darunter die Verlage Axel Springer, Burda und FAZ, durch Annahme des von Google geforderten „Opt-In“ einer weiteren unentgeltlichen Listung in Google News zugestimmt haben.
Aus dem Wikipediaartikel

Heißt: Der Schaden für die Verlage wäre größer, wenn sie gar nicht bei Google auftauchen würden, als dass sie es kostenlos tun. Und dieses neue Gesetz soll nun in der ganzen EU dafür sorgen, dass die Verlage und Autoren mehr Geld bekommen? Meine Vorhersage: Google bekommt wieder seine Gratislizenz der meisten Verlage, weil sie es sich nicht leisten können, nicht von Google gelistet zu werden. Aber die Verschärfung führt dazu, dass kleinere Anbieter nicht mehr auf die Verlage verlinken werden. Im schlimmsten Fall kann ich bei einer Buchbesprechung nicht mehr auf den Verlag verlinken, weil ich nicht dafür zahlen kann und möchte. In meinen Augen verlieren die Verlage dadurch mehr, als sie verdienen könnten. Und selbst, wenn sie etwas verdienen sollten, gingen knapp zwei Drittel aller Einnahmen im deutschen Raum an die Axel-Springer-Gruppe. Es sind also mitnichten die kleinen (Buch-)Verlage und Autoren, die durch diese Regelung besser bezahlt werden würden. Eine von der EU-Kommission zurückgehaltene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das bereits existierende Leistungsschutzrecht der deutschen Medienlandschaft schadet und die Ausweitung desselbigen all das nicht besser macht.

Seit Monaten versuchen mehrere Gruppen, unter anderem unter dem Begriff #savetheinternet, auf genau diese Probleme hinzuweisen und zu warnen.

Der VS und Nina George nennen diese Aufklärung »Desinformationskampagne« und »von Techgiganten inszenierte Meinungsmache« und stellen diese »als Gefahr für demokratische Prozesse« dar. Dabei ist es genau andersherum! Vielleicht werden ein paar illegale Vertriebswege gesperrt. Die »Anbieter« werden sich neue suchen. Gleichzeitig aber wird vieles kaputt gemacht, was Teil des Internets ist, in dem ich mich gerne aufhalte und einen signifikanten Teil meiner Art zu kommunizieren darstellt. Dieser demokratische Dialog wird gestört.

Nicht falsch verstehen: Auch ich bin für eine Veränderung des Urheberrechts, für eine Unterbindung illegaler Aktivitäten und sehe die Macht großer Firmen kritisch. Es gibt viele verbesserungswürdige Dinge, Dinge für und gegen die wir uns einsetzen müssen. Aber nicht auf die Art und mit dem Kollateralschaden, den diese Reform mit sich zu bringen droht.

Die Buchbranche hat seit Jahren Angst um ihre alten und eingefahrenen Vertriebswege, und sie wiederholt die Fehler der Musik- und Filmindustrie. Sie klammert sich an jeden Versuch, auf irgendeine Art noch mit alten Strukturen Geld zu verdienen, statt sich der Aufgabe zu stellen, in unserem neuen Alltag Wege zu finden, das Buch zu vermarkten.

Die Freude von Nina George und des VS scheint mir ein Teil dieses Festklammerns zu sein. Das macht mich sehr traurig, weil ich mir von einem Verband schreibender Menschen mehr erhofft habe.

Fabian Neidhardt

Dieser Kommentar erschien erstmals im Original am 14. September 2018 auf Fabian Neidhardts Website mokita.de. Wir veröffentlichen ihn im literaturcafe.de mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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9 Kommentare

  1. Was für ein peinlicher Text! Falls der Autor die am Mittwoch abgestimmte Fassung der Richtlinie gelesen hat und seine Informationen nicht nur von Julia Reda oder Netzpolitik bezieht, dann hat er sie nicht verstanden. Das ist ja auch schwer. Ich kenne mich zwar aus, aber auch ich lese das nicht einfach mal schnell so runter. Tatsache ist: Das EP fordert keine Uploadfilter. Die umstrittenen Absätze, die so gedeutet wurden, sind gestrichen (Abänderungen 145 und 146).
    Wenn ich das ignoriere, wenn nach wie vor meine, eine bestimmte Person oder Organisation mache “das Internet kaputt”, was ja keine Bagatelle ist, gebe ich aber doch hier nicht öffentlich die Drama Queen. Sondern ich frage diese Person oder Organisation, warum sie das tut, was sie tut, und ziehe in Erwägung, ich könnte mich vielleicht irren. Ich würde mich auch bei der Initiative Urheberrecht umhören, die immerhin 35 Autoren- und Künstlerverbände vertritt. Wenn ich dann immer noch der Meinung bin, jetzt gehe das Internet kaputt, nenne ich wenigstens die wichtigsten der 34 anderen Verbände und nicht nur den VS.
    Nina George, die sich für die Autoren ins Zeug legt wie kaum eine andere, an den Pranger zu stellen, ist ein unsägliches Verhalten.

    • Sie haben Recht – ein “Uploadfilter” wird nicht explizit in Artikel 11 gefordert. Er wird trotzdem kommen und zwar aus einem sehr einfachen Grund:
      Es wird ein Automatismus benötigt, der Material auf mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht prüft, damit die Websites sich selbst absichern und vor möglichen Klagen schützen können. Die Datenmengen sind allerdings viel zu groß, als das das irgendwie anders als über einen Filter geschehen kann. Allein auf Youtube werden zum Beispiel pro Realer-Minute 450 Minuten Material hochgeladen. Wie soll das geprüft werden, wenn nicht durch einen Filter?
      Die einzige Alternative wäre es, Uploads überhaupt nicht mehr zuzulassen. Keine Option für eine Plattform wie Youtube, Instagram und Konsorten.
      Und wo liegt da dann der Vorteil für die Urheber? Buchcover dürfen nicht mehr hochgeladen werden, Textausschnitte ebenfalls nicht, Rezensionen oder Kritik wird nur noch sehr eingeschränkt möglich sein und vermutlich auch nur von Plattformen, die die entsprechenden Lizenzen erworben haben. Die Software-Piraten wird das überhaupt nicht interessieren und tangieren – deren Server sitzen eh außerhalb der EU und wer illegal herunterladen möchte findet den Weg dorthin genauso einfach wie vorher.

      Rein menschlich kann ich verstehen, dass die Verbände so agieren. Die Zeitungsverlage sehen seit Jahren ihre Felle davon schwimmen und haben es scheinbar noch nicht geschafft, wirksame digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und ich verstehe jeden Kreativen, dessen Herz blutet wenn das neue Buch, in dem eventuell Jahre an Zeit und Arbeit stecken, auf einer illegalen Downloadplattform findet. Der Wunsch, diese Illegalität zu beenden ist Legitim. Ich sehe da allerdings eine krasse Überschätzung der digitalen Machbarkeit solcher Konzepte und darin, dass diese Lösungen wirklich den erwünschten Effekt erzielen.

      Um nur einmal beim Beispiel Uploadfilter zu bleiben. Etwas zu entwickeln, dass Pixel für Pixel prüft ob ein bestimmtes Bild Urheberrechtlich geschützt ist ist an sich kein Problem. Wer aber wirklich betrügen will, muss nur einen Pixel ändern (kleiner grauer Balken, das Bild spiegeln öä) und schon versagt der Filter – weiß ich also um die Unrechtmäßigkeit meines Tuns ist die Umgehung relativ trivial, nutze ich aber zB Filmausschnitte um eine Filmkritik zu unterlegen, werde ich trotz legitimer Verwendung gesperrt (ein Filter kann nicht wissen, in welchem Rahmen ich das Material nutze) und darf dann ggf darauf warten, dass ein vollkommen Ãœberarbeiteter Youtube Mitarbeiter meinen Fall prüft und dann Tage bzw Wochen später freischaltet. Großartig.

      Zusammenfassend: Ich kann Herrn Neidhardts Beitrag nur voll unterschreibe und würde mir auch innerhalb des Verbandes einen differenzierteren Umgang mit dem Thema wünschen. Das einfache “Google ist Böse, Amazon der Teufel und das Internet macht uns unsere Arbeit kaputt” ist kein angemessener Umgang mit den wirklich relevanten Fragen, nämlich wie das Urheberrechts wirklich an die digitale Zeit angepasst werden kann, ohne sich hilflos hinter rechtlichen Mauern vor den “übermächtigen Techfirmen” zu verstecken.

        • Sie bringen da das Leistungsschutzrecht und die Regeln für Plattformen durcheinander. Im Zusammenhang mit dem LSR (Art. 11) war nie von Uploadfiltern die Rede, es wäre auch unlogisch. Statt dessen geht es da um Art. 13 und YouTube. Dort sind aber die beiden Absätze, in die man etwas Uploadfiltriges hätte hineininterpretieren können, gestrichen worden.
          Das Anliegen von Art. 13 besteht darin, sowohl den Interessen der Urheber als auch der Nutzer Rechnung zu tragen. Youtube, Instagram & Co. müssen dann zwar einen gewissen Anteil an den erzielten Werbeeinnahmen an die zuständigen Verwertungsgesellschaften bezahlen. Im Gegenzug sind dann aber auch die hochgeladenen Werke lizensiert. Das heißt, die User, die ein Remix oder eine Video hochladen, sind auf der sicheren Seite. Die derzeitige Situation ist die, dass Nutzer in vielen Ländern gegen das Urheberrecht verstoßen und das Risiko, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, bei ihnen liegt. In einigen Ländern hat Youtube zeitlich befristete Lizenzverträge für Musik abgeschlossen, aber es gibt keine konsistente und dauerhafte Regelung für Europa. Inwieweit die Plattformbetreiber für die Uploads ihrer “Mitglieder” (User) haften, ist bis heute nicht höchstrichterlich geklärt. Einen Fall hat gerade der BGH dem EuGH vorgelegt.
          Die RL schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten und erfordert KEINE Uploadfilter, sondern nur die Beteiligung der Urheber an den Erträgen aus dem Werbegeschäft der Plattformen.
          Youtube & Co. haben ein vitales Interesse daran, dass die User weiterhin Content hochladen, der klickt. So einen Dienst auf die Funktion einer Abspielplattform für Werbevideos von Firmen und für selbstkomponierte Lieder zu degradieren, würde das eigene Geschäftsmodell zerstören. Die Nutzerzahlen brächen ein und der Umsatz weg. Da ist es klüger, zu bezahlen. Und da sie nicht dumm sind, sondern kluge Geschäftsleute, werden sie früher oder später bezahlen. Täten sie es nicht, würden sie nur den Weg bereiten für einen Newcomer, der mit dem Geschäftsmodell Urheberbeteiligung arbeitet und sie ablöst. So werden sie noch eine Weile pokern, intrigieren, Influencer bezahlen, um die Kosten möglichst zu minimieren. Aber sie werden sich nicht selbst kastrieren. Dafür ist Europa ein zu wichtiger Markt.

  2. Ich kann Ulf J. Froitzheim nur zustimmen. Und: Plattformregulierung ist eine wichtige Aufgabe, bei der es nicht nur um das Einkommen von Künstlern, Verlagen, Zeitungen geht, sondern um Jugendschutz und Verbraucherschutz, in letzter Konsequenz sogar um Meinungsfreiheit. In einer Zeit, in der diese “Techgiganten” soviel Erträge erwirtschaften, dass sie die größten deutschen Konzerne aus der Portokasse kaufen könnten, in einer Zeit, in der das Internet genutzt wird, von rechtsnationalistischer und nicht nur rechtsradikaler Seite die Demokratie und Meinungsfreiheit zu bedrohen, die Formulierung “Unser Internet” zu benutzen – das klingt für mich wie naiver und deswegen blind-gefährlicher Techno-Populismus. Die Fallhöhe “Kommunikationsverlust” soll Angst machen. Aber: Plattformen müssen Verantwortung übernehmen. Jeder weiß, dass alle Richtlinien, Gesetze im digitalen Bereich relativ in ihrer Wirkung sind. Wir müssen trotzdem um sie kämpfen, ausprobieren, überprüfen, sie schrittweise verbessern.

  3. Ich schließe mich meinen beiden Vorredner an. Unabhängig davon, ob man der Argumentation von mehr als dreißig Fachverbänden folgt oder nicht, finde ich diesen ad-hominem-Angriff gegen eine Schriftstellerkollegin ausgesprochen unappetitlich.

    Die Diskussion wurde lange überaus emotional geführt und sicher ist Nina George nicht davon freizusprechen, zuweilen überspitze Formulierungen einzusetzen. Wer ihre Literatur kennt, weiß wie leidenschaftlich ihre sprachlichen Ausdrucksformen sind. Fabian Neidhardt ist jedoch mit seiner polemischen Überschrift und auch im Folgenden meiner Meinung nach deutlich zu weit gegangen.

    Ich finde es schade, dass das Literatur-Café einen solchen Beitrag unkommentiert übernimmt. Alles Weitere zum Thema wurde hier und auf der Website des Verfassers bereits gesagt.

  4. Da macht also jemand »unser« Internet kaputt. So was! Reißt da einer im Sandkasten die mühsam von anderen aufgebaute Sandburg ein? Allein schon an der Formulierung sieht man, wie mit Nebelkerzen agiert wird. Das Internet gehört also “uns”. Wir haben es also gebaut, wir halten es instand, wir entwickeln es weiter? Und da kommen Spielverderber und reißen es ein?! Ich meine, Leute die so argumentieren, wissen wenig, was das Internet eigentlich ist und wie es funktioniert.

    Auch der Begriff “Freiheit” im Zusammenhang mit Internet fördert dieses vernebeln. Freiheit ist ein positiv besetzter Begriff. Man muss ihn nur richtig platzieren, schon hat man Viele hinter sich. Dass diese angebliche Freiheit im Internet schon besetzt ist, interessiert da kaum jemanden. Regelungen? Warum Regelungen? Man darf dann viel weniger als vorher! Auch ein ganz falsches Vorgehen. Und überhaupt machen ja alle, die irgendwelche Regelungen fordern etwas falsch, haben etwas nicht verstanden – kann man zumindest schnell behaupten. Das digitale Zeitalter fordere etwas ganz anderes. Aber was? Das konnte schlüssig und nachvollziehbar leider keiner von den Nebelkerzenanzündern bisher erklären. Objektivität ist ja auch letztendlich nicht gefragt, was man sogar in manchem Impressum der “Netzgemeinde” lesen kann.

    Uploadfilter sind nicht mehr vorgesehen. Es war schon abzusehen, welche Argumentation nun kommt. “Es geht ja gar anicht ohne!” Eine Verdummungsargumentation. Damit kann man alles widerlegen auch wenn faktisch nichts damit widerlegt werden kann, bei genauem Hinschauen. Und tatsächlich existieren sie schon, diese Uploadfilter. Apple, Google & Co. haben sie längst eingeführt. Gefiltert wird aber auch ohne Uploadfilter, und zwar im Interesse der großen Plattformen, doch das scheint die “Freiheit im Internet” nicht einzuschränken. Zumindest diejenigen, die laut über die Gefährdung der “Freiheit” schreien, behaupten dieses steif und fest.

    An diesem tendenziösen Artikel gibt es nichts, was unterschrieben werden kann. Er bringt keine Klarheit – geht nicht mal gesamt auf die Urheberrechtsreform ein -, bietet keine nachvollziehbare Kritik und bringt keine Alternative ins Spiel. So wie es jetzt beschloissen wurde ist es schlecht? Wie es besser gehen könnte, das wäre anzumerken, bleibt aber aus.

  5. Von alledem Unfug wird es rein gar nichts geben, denn niemand kann vor Gericht oder sonstwo eindeutig darlegen, das er der Inhaber der Rechte ist. Wer sich auf solchen Blödsinn einlässt, hat die Grundlage des Rechtsstaates nicht erkannt und sollte sich unverzüglich zu Nachhilfestunden anmelden.

    Beispiel: Ein armer Selfpublisher hat ein Buch auf den Markt gebracht, ganz ohne Betrug und Gaunerei, alles echte eigene harte Arbeit. Ein richtig großer Drecksack aus der Rechtsabteilung eines großen Verlages klagt, indem er behauptet der Selfpublisher hätte geklaut. Der Verlag meldet seine (nicht existierenden) Rechte bei wem auch immer an, Google, Facebook und bei allen anderen auch… Oder was glauben sie, wie das funktionieren soll? Hier hat jemand nicht zu Ende gedacht. Den kompletten Schwachsinn kann man ad acta legen. Das es in Deutschland seit 2013 Recht und Ordnung sein soll, solchen Unfug rituell zu begehen, halte ich für einen schlechten Witz. Beziehungsweise, der 1. April war vor etwas mehr als 5 Monaten.

  6. Ich bin geradezu erschrocken (schon als ich die Ãœberschrift las), dass das Literaturcafé einen derart deplatzierten Meinungsbericht unkommentiert übernimmt bzw. veröffentlicht, der nicht nur sprachlich (“scheiße”) sehr unqualifiziert daherkommt, sondern auch inhaltlich geradezu unqualifiziert und m.E. schon peinlich ist. Das bin ich vom Literaturcafé nicht gewohnt.

    Um vielleicht vorab auch einmal nur ein klein wenig polemisch darauf zu antworten:
    Ich wünschte mir, Nina George und der VS hätten überhaupt die Macht, “unser” (wessen überhaupt?) Internet “kaputt machen” zu können. Das hört sich ja schon fast nach Allmacht an. Die Tatsache ist doch, dass die Autorenlobby stets die schwächere Lobby vor der Lobby der Wirtschaftskonzernen, Intermediären und der Verlage ist. Insoweit freut es mich, wenn die Ãœberschrift dem Schriftstellerverband eine derart starke Macht einräumt, sofort sogar das ganze Internet kaputt machen zu können, selbst gegen den Willen des übergeordneten Kollektivs, für den der Beitragsverfasser Fabian Neidhardt sich zu sprechen wähnt (“unser Internet”).
    Aber diese Spitzfindigkeit einmal beiseite: Es ärgert mich schon und erscheint mir sehr leichtfertig, Verbänden und der Politik Leichtfertigkeit zur Lösung komplexester Fragestellungen im Sinne der Verbesserung des europäischen Urheberrechts vorzuwerfen, gleichsam sich aber nicht dazu konstruktiv zu äußern, wie Gesetzesreformen denn aussehen könnten und komplexe Lebenssachverhalte geregelt werden könnten.

    Wie es Ulf J. Froitzheim (dem ich mich nur anschließen kann) oben so schön und treffend ausgeführt hat: Die Urheberrechtsreform gibt endlich Rechtssicherheiten. Das Teilen und Liken etwa bei Facebook wird freier, weil Facebook dafür auch ab sofort zahlt. Momentan bedient sich Facebook & Co. als Dienstleistungserbringer unentgeltlich an den Werken von Urhebern. Künftig werden sie dafür an die Verwertungsgesellschaften zahlen. Gleichzeitig wird der einzelne User geschützt, der sich ansonsten nicht selten der Abmahnindustrie ausgesetzt sieht.
    Eine Einschränkung der Freiheit des Einzelnen im Internet kann ich beileibe nicht sehen. Im Gegenteil. Das Internet wird also in Wirklichkeit freier und verliert gerade nicht seine Freiheit.

    Konstruktive Vorschläge und Verbesserungen sind immer erbeten. Diese ersehe ich jedoch in dem Meinungsbeitrag nicht.
    Mit konstruktiven Vorschlägen kann ich besser umgehen, als auf andere Personen (scheinbar blind) einzudreschen.

    Dass es sich das EU-Parlament auch nicht einfach macht und leichtfertig irgendetwas beschließt, dürfte doch auch spätestens nach der Abstimmung vom 20. Juni deutlich geworden sein. Endlich nun befindet sich das Reformvorhaben im Trilog des Europaparlaments und wird sodann hoffentlich im nächsten Frühjahr nach sicherlich weiterer konstruktiver Auseinandersetzung (bei der es zu ein und der anderen kleineren Anpassung sicherlich unweigerlich noch kommen wird) beschlossen werden.

    Ganz sachlich:
    Über 30 Urheberverbände engagieren sich in der Initiative Urheberrecht, darunter der VS. Statt auf einzelne Personen, wie die großartige Nina George, die extrem viel für Autorinnen und Autoren tun, im Sinne eines Affronts draufzuhauen, wünschte ich mir eine versachlichte Debatte, die dem wichtigen Thema sodann auch gerecht würde.

    Es ist sehr zu begrüßen, dass sich endlich im europäischen Urheberrecht etwas tut. Seit dem Jahre 2001, der letzten Urheberrechtsreform, warten wir auf Reformen. Die starke Macht von Google, YouTube und Facebook waren damals noch Zukunftsmelodien.

    Auch sämtliche im Netzwerk Autorenrechte (www.netzwerk-autorenrechte.de) organisierten Verbände begrüßen, dass die Urheberrechtsreform jetzt endlich vom Europaparlament angenommen worden ist, um sich nun im Trilog einer weiteren sachlichen und kontruktiven Debatte zu unterziehen.

    Insoweit ist es schlichtweg auch nur unfair, auf einzelne Personen hin oder gegen VS hin zu polemisieren. Es trägt in jedem Fall nicht zu einer versachlichten Debatte bei und trifft im Zweifel immer die Falschen: Nämlich die eigene Lobby, d.h. diejenigen, die sich aufopferungsvoll für alle Autorinnen und Autoren engagieren. Und es nützt denjenigen, denen es nicht nützen soll: Den Konzernen, die an den Urhebern verdienen und sich an den Leistungen der Urheber unentgeltlich bedienen und sich wünschen, dass sich im europäischen Urheberrecht nichts ändert.

    Zudem lese ich keinen Satz zu der Frage, wie das Urheberecht denn sonst verändert werden soll. Fabian Neidhardt erkennt selbst an, dass das Urheberrecht verändert werden muss. Aber wie denn sonst? Konstruktive sachliche Vorschläge wären gefragt, statt das polemische “Draufschlagen” auf die eigenen Verbände und zugleich auf die Mehrheit des Europaparlaments, die sich mit sehr viel Fachexpertise dem Thema angenommen haben und weiter annehmen.
    Eine Gesetzesreform abzulehnen geht immer leichter, als konstruktiv die Veränderung des Urheberrechts auf die Wege zu bringen.

    Ich hätte mir stattdessen im Literaturcafé statt einer Polemik eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem konkreten Gesetzentwurf gewünscht, die z.B. sachlich die Pro und Contra-Argumente gegenüberstellen könnte. Dies käme auch der momentanen Situation, nach der sich der Gesetzentwurf im Europarlament im Trilog befindet, gerecht.
    Das erfordert jedoch viel Arbeit, eine sehr vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung und letztlich eine gewisse Expertise. Eine Expertise, die die Urheberverbände und die Politik bereits leisten und dabei alles andere als leichtfertig “unser Internet” zerstören. Sondern ganz im Gegenteil. Durch den Gesetzentwurf wird die Freiheit der Urheber und des einzelnen Internetusers gerade geschützt und damit auch das Internet und ein faires Zusammenleben gefördert.

    Im übrigen schließe ich mich Horst-Dieter Radtke mit seiner treffenden Äußerung und Jeanine Krock an.

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