Bücher von Wolf Haas werden gemeinhin in »Brenner-Krimis« und »andere Romane« eingeteilt. Sprachlich auffällig sind alle. Das 157-Seiten-Bändchen »Eigentum« zählt zu den anderen Romanen. Darin findet sich die Lebensgeschichte der Marianne Haas, Mutter des Erzählers Wolf Haas. Auffällig und doch stellenweise zu normal für einen Roman.
Wieder so ein Buch, in dem die Hauptperson wie der Autor heißt und das als »Roman« bezeichnet wird. Der Schutzumschlag gestaltet wie ein Pappkarton mit »EIGENTUM VON WOLF HAAS«-Stempel, was an »Das Paket« von Sebastian Fitzek erinnert, das jedoch 432 Seiten umfasst und einem anderen Genre angehört.
Die Erzählfigur Wolf Haas besucht die fast 95-jährige Mutter im Altersheim. Sie wird, so weiß es der Erzähler bereits, noch drei Tage zu leben haben. Die Mutter bittet ihren Sohn, er möge doch bitte zum Handy greifen und – »wo die jetzt sind, ich weiß nicht, wie es da heißt« – ihre Eltern anrufen, um ihnen zu sagen, dass es ihr gut gehe. Haas schreibt das natürlich im ersten Satz des Romans wesentlich haashafter.
Der Sohn überlegt, was er am nächsten Tag der Mutter antworten soll, und obwohl er es selbst als ungebührlich betrachtet, erzählt er seiner Mutter, er habe angerufen. Auch ihren Eltern gehe es gut. Nur der Vater habe einen Schnupfen, sei aber auf dem Weg der Besserung.
Dieser kleine Scherz, den der Sohn sofort bereut, wird Folgen haben und die Mutter in alte Litaneien verfallen lassen. Eine Situation, die uns Leserinnen und Leser natürlich freut, erleben wir doch die haas’schen Sprachspielereien und -betrachtungen.
Wir bekommen nun in Rückblicken das Leben der Mutter erzählt, wobei wir die Stimme ihres Sohnes, aber auch die der Mutter hören. Und Stimme ist bei Haas natürlich geschriebene Mündlichkeit.
Der Autor Haas, so ist zu spüren, will mit diesem Buch seiner Mutter ein literarisches Denkmal setzen, indem er sich und sie zu Romanfiguren werden lässt.
Das hat im vorletzten Teil des Buches ein paar erzählerische Durchhänger und Durststrecken, denn das Leben der Mutter war kein aufregendes und gibt gar nicht so viel her. Immer wieder legt sich der Autor Haas ins Zeug, um die Sprachhumormaschine anzuwerfen, um das viel zu normale Leben der Mutter aufzupeppen.
Wolf Haas will ihr nichts Böses. »Deine Mutter war ein schwieriger Mensch. Sie hat fast jeden im Dorf einmal beleidigt«, lässt er stattdessen »eine gutmütige Frau aus dem Dorf« berichten.
Am Schluss werden wir dann wieder bei einem alten Nokia-Handy und beim Anrufen landen. Das Leben der Mutter und die Form vollendet. Ein ungewöhnlich anrührender Haas-Roman.
Wolfgang Tischer
Wolf Haas: Eigentum: Roman Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024. Gebundene Ausgabe. 2023. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783446278332. 22,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
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