Das Jahr 2017 möge gut beginnen – und daher vergibt unser Textkritiker Malte Bremer die Höchstwertung von fünf Brillen für ein kleines feines Gedicht.
und alles was ich an dir fände
und alles was ich an dir fände
bleibt ein unerwünschtes rempeln
in der menge
und wenn ich dich küsste
(ich wüsste schon wohin)
wenn ich dich liebte
es bleibt auch nur beim »wenn«
Zusammenfassende Bewertung
Feines Gedankenspiel, das sich aus einer zufälligen Berührung entwickeln könnte.
Die Kritik im Einzelnen
Das und zu Beginn weist darauf hin, dass davor schon etwas geschehen sein muss, denn das lyrische Ich wendet sich an eine andere Person, mit der es sich bereits duzt. Und es bringt einen Einwand vor, was im Irrealis fände deutlich wird. zurück
Das war also der Anlass: In einer Menschenmenge haben sich zwei Personen (versehentlich? Oder absichtlich?) angerempelt. zurück
Das Spiel geht weiter: Das lyrische Ich erwägt eine intimere Kontaktaufnahme als das Anrempeln, es stellt sich vor, die andere Person zu küssen! Das heißt, die andere Person hatte das lyrische Ich schon beeindruckt! zurück
Das Küssen wird jetzt sehr konkret in der Vorstellung vom lyrischen Ich, aber es behält die Details für sich, denn das geht niemanden etwas an, vor allem nicht die betreffende Person! zurück
Das lyrische Ich weicht wieder zurück, bändigt seine Fantasie: Es darf die andere Person nur küssen, wenn (oder falls?) es die andere Person lieben würde. Offen bleibt, ob es die andere Person bereits liebt (die berüchtigte Liebe auf den ersten Blick) oder sich dagegen wehrt. zurück
Der schöne Augenblick ist vorüber, die Begegnung ist vorbei, die Fantasie ist ins Leere gelaufen, denn es bleibt beim »wenn«. zurück
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