Aktuelles, Politisches und Gesellschaftskritisches – oft verleitet dies Menschen zu Gedichten. Und ebenso oft kommen diese Werke dann so moralisierend daher, dass es in Kitsch oder Langeweile endet, weil der Autor allzu plump das ausspricht, was der Leser ohnehin schon weiß.
Das heute von unserem Textkritiker besprochene Gedicht macht dies nicht. Es ist gut, weil es dem Leser Raum lässt.
Rauch
dörfer brennen wie
zeitungspapier
bäume genug
um einen wald voll
zu verbrennen
menschen noch mehr
so viel schon
brennt
und tiere erst
knistern in der luft
wie babys
oder spielzeug
als zigarrenrauch
in der luft
all das obst
und ähren und felder
selbst der fluß
kaffeeheiß
steigt empor
wie brennen dörfer
herr ober
lieber einen tee
und die neueste ausgabe
die hier ist
von gestern
Zusammenfassende Bewertung
Kurz, böse und ehrlich
Was dieser scheinbar beliebige Übergang von brennendem Zeitungspapier zu anderem Brennenden wie Wald, Tiere, Babys, Spielzeug auslöst, das spielt sich im Leser ab, damit muss er ganz allein fertig werden: Was geht da ab? Was geschieht? Woher kommen diese irritierenden Bilder?
Angedeutet wir es schon in der zweite Zeile: Die Zeitung mit ihren Sensations-Meldungen steht am Anfang, sie kommt jeden Morgen frisch auf den Tisch.
Die Meldungen informieren, aber stumpfen auch ab, wie z. B das lyrische Ich, das beiläufig alles zur Kenntnis nimmt und dann feststellt: Kenn ich doch, ist doch von gestern! Gibt es denn nichts Neues? Immer diese brennenden (oder ertrinkenden) Babys …
Die Kritik im Einzelnen
(entfällt)
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