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Stewart O’Nan: Westlich des Sunset beginnt die Langeweile

Steward O'Nan: Westlich des Sunset

Stewart O’Nan ist ein Meister des Ungesagten. In seinen vermeintlich simplen Beschreibungen liegt unglaubliche Tiefe, lauern Abgründe und die Melancholie des menschlichen Lebens.

In »Westlich des Sunset« beschreibt O’Nan die letzten Lebensjahre des Schriftstellers F. Scott Fitzgerald. Eine Geschichte des Niedergangs, die leider an der Traumwelt Hollywoods scheitert.

Bislang kreisten die Geschichten von O’Nan um die Welt der Mittelschicht, um Familien und Ehepaare. Richtig Action und Verbrechen gab es in seinem Buch »Speed Queen«, aus dem Jahre 1997, danach fand O’Nan die ergreifenden und erschütternden Augenblicke in der Beschreibung fast beiläufiger, alltäglicher Momente.

Die Hauptfigur seines Romans »Westlich des Sunset« ist weltbekannt. Jeder kennt das Buch »Der große Gatsby« des amerikanischen Schriftstellers Francis Scott Key Fitzgerald. Heute markiert dieser Roman aus den 1920er-Jahren das erste Werk einer neuen Zeit. Als das Buch erschien, war es eher ein Flop. Und dennoch waren F. Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda die angesagten Personen der New Yorker Society.

Später lief es nicht mehr so gut. Zelda wurde psychisch krank, verbrachte ihr Leben in unterschiedlichen Heilanstalten. F. Scott Fitzgeralds Ruhm und Ruf waren fast dahin. Die gemeinsame Tochter lebte im Internat. Um Nervenklinik und Schule zu bezahlen, arbeitete F. Scott Fitzgerald für Hollywood. Doch er war kein angesagter Drehbuchautor, sondern jobbte als das, was man heutzutage wohl »Script Doctor« nennen würde. Zusammen mit anderen Schreibknechten versuchte er, misslungene Drehbücher anderer zu retten oder aufzupeppen. Eigentlich ein Handwerkerjob, denn hier zählte nicht die künstlerische Freiheit, sondern das, was der Produzent verlangte.

Stewart O’Nan beschreibt die letzten Jahre des Schriftstellers, der 1940 mit 44 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Sein F. Scott Fitzgerald träumt vom nächsten großen Roman und ist dennoch nur Textarbeiter, der oft nicht einmal im Nachspann der Filme erwähnt wird. Er ist alkoholkrank und trinkt dennoch eifrig Cola – soweit es geht.

Dass die Traumwelt Hollywoods keine ist, ist längst ein Plot-Klischee. Doch indem O’Nan die Welt der Textdoktoren und Drehbuchschreiber herausgreift, eröffnet er durchaus neue Einblicke. Der ernüchterndste mag der sein, dass sich für die Hollywood-Bosse in den 1930er-Jahren selbst die berühmtesten Schriftsteller verdingten wie Dorothy Parker und Ernest Hemingway. Die Büroetage, in der die Textarbeiter werkeln, wird von ihnen die »Eiserne Lunge« genannt. Beim Mittagessen sieht man die bekannten und berühmten Schauspieler am Nebentisch sitzen. F. Scott Fitzgerald freundet sich mit Humprey Borgart an und beginnt eine Affäre mit einer angeblich aus adeligem britischen Hause stammenden Klatschkolumnistin. Regelmäßig verlässt der Schriftsteller diese Welt und besucht seine Frau in der psychiatrischen Klinik. Oft ist der Zustand ihrer Zähne das Erste, das F. Scott Fitzgerald wahrnimmt und Stewart O’Nan beschreibt. Danach beginnt ein oft verstörendes Miteinander.

In diesen Szenen erreicht O’Nan wieder seine Hochform. Es sind die ergreifendsten seines Romans, da hier so viel nicht Gesagtes und so viel Tragik zwischen den Zeilen stehen. Die Übersetzung ins Deutsche stammt von Thomas Gunkel.

Doch den Großteil von »Westlich des Sunset« machen Dialogszenen aus, die Beschreibung des Lebens in Hollywood, das sarkastisch-ironische Geplänkel zwischen den Autoren und Schauspielern. Der Roman ist durchsetzt mit bekannten Namen der damaligen Zeit, von Marlene Dietrich bis Spencer Tracy.

O’Nans Stärke sind die Dinge, die hinter seinen Beschreibungen lauern. Doch das sich hinter den inszenierten Hollywood-Lebensläufen Abgründe auftun, das wissen wir zu genüge, da fördert leider auch O’Nan wenig Ergreifendes zutage. Hinzu kommt, dass wir das vermeintlich echte Leben von F. Scott Fitzgerald nur so erfahren, wie es sich O’Nan für uns ausdenkt. Indem O’Nan das Gebiet verlässt, das ihn so stark macht – das normale Leben normaler Leute – und uns stattdessen das Leben der damaligen Hollywood-Promis zeigen will, langweilt er über große Strecken. Die starken Szenen mit Zelda können den Roman nicht wirklich retten.

Wolfgang Tischer

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