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Shakespeare als Betrüger: Roland Emmerich über seinen Film »Anonymus« – Buchmesse-Podcast 2011

Hollywood-Regisseur Roland EmmerichRoland Emmerich ist der Spezialist für den Weltuntergang, und in seinen Filmen lässt er es in der Regel richtig krachen. Der deutsche Regisseur hat es in Hollywood zu Ruhm und Ehre gebracht – und uns Filme wie Independence Day, 2012 oder Gozilla.

Nun widmet sich Emmerich der Literatur. In seinem neuesten Film »Anonymus« stellt er Shakespeare als Lügner und trinkenden Schauspiel-Proleten dar, der die ihm zugeschriebenen Dramen und Komödien gar nicht verfasst habe. Der wahre Autor sei der Earl of Oxford, der als Adeliger einen Strohmann suchte, um seine Stücke auf die Bühne zu bringen.

Auf der Frankfurter Buchmesse stellte Emmerich den Film vor. Anschließend hatten wir Gelegenheit, mit dem Erfolgsregisseur zu sprechen.

Dass Shakespeare auch im Hollywood-Format begeistern kann, bewies vor einigen Jahren der Oscar-überhäufte Film »Shakespeare in Love«. Doch Emmerichs Shakespeare-Film »Anonymus« ist Drama statt Komödie. Ein opulentes Werk, das begeistert und Historisches mit Fiktivem gekonnt verwebt. Exzellente Ausstattung und großartige Schauspieler beeindrucken. Tipp: Schauen Sie sich den Film unbedingt im englischen Original an, er läuft ab dem 10. November 2011 in deutschen Kinos. Man kann sich am glasklaren Englisch der Darsteller erfreuen, und die Dialoge sind um einiges intensiver als in der Synchronfassung. Denn trotz mancher Special-Effects-Szene stehen in diesem Emmerich-Film die Dialoge im Vordergrund.

Die zunächst verwirrende Handlung ist geplant

Es darf einem beim Zuschauen nicht frustrieren, dass die Zeit- und Handlungssprünge zunächst etwas verwirren und man sich gerade am Beginn des Filmes oft fragen muss, wer denn nun wer sei. Da beruhigt es, dass selbst Shakespeare Übersetzer Frank Günther mit dem Handlungsverlauf Probleme hatte, wie er nach dem Film bekannte. Er habe dies beabsichtigt, erläutert Emmerich, denn schließlich solle das Historiendrama auch ein Thriller nach heutigen Maßstäben sein, bei dem sich einiges erst am Schluss enthülle.

So durfte man nach der Vorführung des über zweistündigen Werks gespannt sein, wie das Urteil der Shakespeare-Kenner ausfallen würde. Unter der Leitung von Hellmuth Karasek diskutierten neben Emmerich selbst drei von ihnen auf der Bühne: Übersetzter Frank Günther, der Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft Tobias Döring und der Autor und Dramaturg Kurt Keiler.

Und siehe da: Sie alle waren von diesem Film begeistert. Niemand mokierte sich über die historischen Veränderungen, und man ließ den Film als eigenes interpretatorisches Gesamtwerk gelten; insbesondere Döring äußerte sich sehr enthusiastisch.

Schlagabtausch in Sachen Shakespeare: Oxfordianer gegen Stratfordianer

Diskussion über den Film Anonymus: Kurt Kreiler, Roland Emmerich, Hellmuth Karasek, Tobias Döring und Frank Günther (v.l.n.r)
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Hitziger wurde die Debatte, als sie sich vom Film löste und die so genannten »Stratfordianer« Günther und Döring mit dem »Oxfordianer« Kreiler stritten. Die »Stratfordianer« halten tatsächlich William Shakespeare aus Stratford-Upon-Avon für den Autor von Dramen wie Hamlet, Macbeth und Romeo und Julia, während die »Oxfordianer« den Earl of Oxford als eigentlichen Autor vermuten, der Shakeaspeare nur als Strohmann benutzte. Emmerich selbst outete sich mehr als »Oxfordianer«, zumindest sei er kein »Stratfordianer«.

Es war ein unterhaltsamer literarischer Schlagabtausch, den man sich zum Vergnügen des Publikums auf der Bühne leistete. Besser hätte es für Emmerich nicht laufen können, und ist der Film erst in den Kinos, wird diese Diskussion sicherlich noch oft geführt werden. Man stelle sich eine solche Runde am Sonntagabend bei Günther Jauch vor!

Anschließend sprachen wir mit Roland Emmerich über den Film und seine Sicht auf den Shakespeare-Stoff. Dass er sich einmal filmisch eines literarischen Themas annehmen würde, das hätte selbst seine Mutter nicht geglaubt, erzählt Emmerich.

Im Buchmesse-Podcast des literaturcafe.de hören Sie das ausführliche und ungeschnittene Pressegespräch aus dem Kaminzimmer des Hotels Villa Kennedy. Davor gibt es eine kurze Einleitung von Wolfgang Tischer. Viel Spaß beim Anhören – und demnächst im Kino!

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1 Kommentar

  1. Bekannt ist Roland Emmrich ja nicht erst seit “2012” dafür, daß er u.a. den Theorien eines Erich von Däniken und der Prae-Astronautik anhängt. Nun also befaßt er sich mit dem Widerstreit Stratford gegen Oxford. Der läßt sich gewiß amüsant filmisch erzählen.
    Mag sein, im englischen Original sind die Dialoge geschliffener. Mag auch sein, “zunächst verwirrende Handlung” ist geplant. Welcher Zuschauer plant, sich verwirren zu lassen? Wer geht ins Kino, um mit einer “schlechteren” Übersetzung des Originals abgespeist zu werden? Schul-, Business- und IT-English halten mit Literatursprache nicht Schritt.
    Was aber hat der Film mit Literatur zu tun? Emmrichs Mutter hat sich nicht träumen lassen, ihr Sohn würde sich filmisch der Literatur zuwenden. Sie hat die richtigen Träume ausgelassen. Ihr Sohn wendet sich der Biografie eines verstorbenen “Literaten” zu, verpaßt ihr seine persönliche “von Däniken-Version”. Mehr nicht.
    Oxfordianer versus Stretfordianer, auch das kein Literaturstreit., die Diskussion wird zu keinem befriedigenden Ende für eine der Parteien führen. Davon leben Legenden. Die sind aber längst noch nicht Literatur, nur weil ein Literat ihr Gegenstand ist.

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