Es war wohl einer der interessantesten Schriftwechsel der Verlagsbranche, den Christine Koschmieder unlängst in Ausschnitten in ihrem Autorenschrittmacher-Weblog veröffentlichte. In über einem Dutzend Folgen publizierte sie die Korrespondenz, die der *** Rodja Smolny mit einem seiner Kunden führte. Smolny war Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Mein Buch oHG, einem jener Verlage, bei denen die Autoren nicht unerhebliche Beträge an den Verlag zahlen, um veröffentlicht zu werden. Den naiven »Autoren« wird oft das Blaue vom Himmel versprochen, um sie zur Zahlung zu bewegen. Am Ende bleiben die Kunden meist auf ihren Büchern sitzen und nur der *** verdient an ihrer Eitelkeit. Viele der Verlage gehen daher mit Abmahnungen und anderen rechtlichen Instrumentarien gegen Kritiker vor, um diese mundtot zu machen. Ein schlechter Ruf ist nicht gut fürs Geschäft, zumal es die Branche immer schwieriger hat, seitdem Print-on-Demand Anbieter wie BoD oder Lulu die Veröffentlichung eines selbst finanzierten Buches wesentlich günstiger realisieren.
Umso aufschlussreicher waren die veröffentlichten Originalschreiben von Rodja Smolny aus den Jahren 2005 und 2006 an seinen Kunden, die endlich öffentlich machten, mit welchen Argumenten versucht wurde, den Kunden bei Laune zu halten und ihm weiteres Geld für zusätzliche Leistungen aus der Geldbörse zu ziehen. Reich-Ranicki, Elke Heidenreich, Roger Willemsen – Ihre Fernsehsendungen und Kolumnen haben Kultstatus, sie genießen einen guten Ruf und ihre Empfehlungen haben deutliche Auswirkungen auf den Verkauf. Wir versenden Presse-Rezensionsexemplare an sie und die 40 wichtigsten Feuilletonisten. Welcher Autor sieht sich bei solchen Worten nicht schon auf der SPIEGEL-Bestsellerliste?
Die Welt hatte sich offenbar gegen die Mein Buch oHG verschworen
Doch dann kam es dicke! Verbrecherische Mitarbeiter, Einbrüche und Server-Attacken: die ganze Welt schien sich laut Smolny gegen die Mein Buch oHG verschworen zu haben und verhinderte, dass das Buch des Kunden rechtzeitig auf den Markt kam.
Man wusste nicht, was man bei der Lektüre der Zitate schlimmer finden sollte: die Argumente, die Smolny anführte, oder die Naivität und Geduld des Kunden, der sich all dies gefallen ließ.
Mittlerweile ist Rodja Smolny bei der Literaturagentur Lindbergh & Well tätig, die immerhin im renommierten Autorenhandbuch von Sandra Uschtrin aufgeführt ist. Es ist daher aus Smolnys Sicht durchaus verständlich, dass er seine Zitate nicht mehr im Web lesen mag, zumal sie bei der Google-Suche nach »Rodja Smolny« ganz oben erscheinen und so bereits in einem Webforum auch die Seriosität der Agentur Lindbergh & Well diskutiert wird.
Wie rufschädigend ist eine Frage?
Laut Christine Koschmieder bat Smolny sie daher, die seiner Meinung nach rufschädigenden Texte, die zum Teil von ihm selbst stammten, aus dem Autorenschrittmacher-Weblog zu entfernen. Doch Koschmieder, die in ihrem Blog *** den Kampf angesagt hat, weigerte sich, dies zu tun und verlangte konkrete Belege für eine Rufschädigung. Smolny sieht diese offensichtlich in den oftmals ironischen Kommentaren Koschmieders zwischen den Originalzitaten. Insbesondere das Reizwort »Konkursverschleppung«, das Koschmieder in Folge 10 als Frage formulierte (»Ab wann beginnt eine Konkursverschleppung?«), scheint Smolny ein Dorn im Auge zu sein, und er betrachtet dies nicht als Frage sondern leitet daraus einen rufschädigenden Vorwurf ab. Smolny erstattete Anzeige gegen Koschmieder.
Da Koschmieder ihr Weblog nicht auf dem eigenen Webserver sondern beim zur mokono GmbH gehörenden Dienstleister blog.de betreibt, wandte sich Smolny auch an diesen und verlangte die umgehende Löschung des seiner Meinung nach rufschädigenden Eintrags. Bei blog.de reagierte man promt und setzte diesen auf den Entwurfsmodus, sodass er öffentlich nicht mehr zugänglich war.
Eine eventuelle Mithaftung macht Dienstleistern Angst
Für diese schnelle Reaktion ohne Prüfung der Vorwürfe oder Anhörung der Gegenseite ist blog.de kein Vorwurf zu machen. Es gibt Gerichtsurteile, die in solchen Fällen tatsächlich eine Mithaftung des Blog- oder Forenbetreibers sehen – sogar dann, wenn diese von den Einträgen gar nichts wissen. Sollte Smolny Recht bekommen, könnte – der »richtige« Gerichtsort vorausgesetzt – der Richter blog.de als Mitstörer haftbar machen. Daher kann man blog.de diese Haltung nicht verübeln, auch wenn Kritiker davon sprechen, dass Abmahnungen und Anzeigen immer mehr zu Werkzeugen einer modernen Zensur werden, wie der jüngste Fall der GEZ zeige. Letztendlich ist dies ein weiterer Grund, weshalb das Hosten eigener Beiträge bei Blog- oder Forenbetreibern problematisch sein kann, da diese Dienstleister Beiträge, über die sich ein Nutzer beschwert, im Zweifelsfall sofort löschen. So verschwand rasch auch ein zweiter Beitrag aus dem Autorenschrittmacher-Blog, in dem Koschmieder dieses Verhalten thematisierte.
Den Rest der Geschichte entscheiden nun offenbar wieder die Gerichte.
*** Nachtrag: Hier stand eine Berufsbezeichnung, die Herr Smolny als rufschädigend empfand. Obwohl sich das literaturcafe.de dieser Meinung in keinster Weise anschließt, weil diese Berufsbezeichnung an sich nicht negativ ist, haben wir sie aus diesem Artikel entfernt. Auch der im Artikel verwendete Begriff »mundtot machen«, bezieht sich hier nicht auf Herrn Smolny, sondern auf die im Artikel näher umschriebenen Verlage. Es ist nicht im Interesse des literaturcafe.de Herrn Smolny zu schädigen. Wir haben Herrn Smolny daher gerne das Angebot gemacht, dass er zu den Vorfällen Stellung beziehen kann, um ggf. seine Sicht in einem weiteren Artikel deutlicher zu machen. Wir haben zudem die Kommentarfunktion für diesen Artikel ab sofort deaktiviert, um Herrn Smolny vor Beleidigungen zu schützen.
Die Aufnahme von Lindbergh & Well in das „renommierte Autorenhandbuch von Sandra Uschtrin“ beweist gar nichts. Noch viel weniger, wenn man auf das zweite Werbebanner (von oben) der Homepage von Frau Uschtrin (www.uschtrin.de) klickt: „Bezahlen Sie nicht für Ihre Buchveröffentlichung“ heißt es dort. Und man landet wo? Richtig geraten: bei Lindbergh & Well.
Interessant: Laut Hr. Smolny ist ist Lindbergh & Well eine „international tätige Agentur mit Mitarbeitern in aller Welt“, nur komisch, dass Hr. Smolnys Website, die einzige Filiale dieser Agentur ist die Google listet, und deren „Zentrale in Schweden“, „in Malmö“ auch nicht im Telefonbuch von Malmö zu finden ist… Ob da vielleicht jemand ob seines Rufes einen Türken aufbaut? Wer weiß das schon…
Mittlerweile wird auch jeder weitere Versuch, über diese einer Gerichtsentscheidung vorauseilende Zensurpraxis zu berichten, durch Intervention von Herrn Smolny bei Blog.de unterbunden.
Ich habe einen Vertrag (über die Vermittlung meines MS.) mit Lindbergh & Well. Was heißt das jetzt konkret für mich?
@CarolinH
Meiner Meinung nach…nichts!
Ist Dein Vertrag für Dich okay? Alle Fragen geklärt? Dann würde ich mir keine Sorgen machen. Wenn Du nur einen Vertrag auf Honorarbasis unterschrieben hast, kann Dir nichts passieren, außer, daß Dein MS nicht verkauft wird. Aber dann bekommt die Agentur auch kein Geld!
Ich gestehe, ich verfolge diese ganze Diskussion ein bißchen voreingenommen, da ein Mitglied meiner Familie auch mal im „Brennpunkt der Öffentlichkeit“ stand und ich miterleben durfte, wie sich gewisse Dinge im Web verselbstständigten und trotz inzwischen erwiesener Unschuld, immer noch die Anklage ganz vorne bei Google erscheint.
Außerdem halte ich es eher amerikanisch: Man sollte jedem eine zweite Chance geben! Meistens bemühen die sich mehr, als diejenigen, bei denen im Leben alles rund gelaufen ist.
Hallo Astrid,
danke, dein Kommentar beruhigt mich etwas. Und ich stimme dir auch zu – solange ich selbst keine schlechten Erfahrungen, also zwielichtige Angebote bekomme, werde ich den Vertrag nicht kündigen. Zudem meinte Herr Smolny er wäre auf der Buchmesse in Frankfurt, wo ich auch hingehen werde. Vielleicht klären sich da ein paar Dinge (für mich).
Gruß Carolin