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Schwarzer Wald: Von blässlichen Beamten und strengen Schwestern

Holger Montag: Schwarzer Wald (Coverausschnitt)Der Schwarzwald ist bekannt für Schwarzwälder Kirschtorte, Schwarzwaldmädels in Tracht mit roten Bollenhüten und für seine unverwechselbare Landschaft, die das Herz eines jeden Wanderers höher schlagen lässt.

Einen ganz anderen Schwarzwald bekommt man in Holger Montags Roman »Schwarzer Wald« zu Gesicht. Der Klappentext verspricht einen »außergewöhnlichen Thriller abseits von genreüblichen Krimiplots« der in einer »typisch Schwarzwälder Winterlandschaft« spielt. Das klingt vielversprechend, bietet der Schwarzwald doch allerlei Mythen und Sagen und interessante Schauplätze.

Vor 2000 Jahren war der Schwarzwald alles andere als romantisch. Die Römer fanden ihn düster und unheimlich, einen Ort, in den sich niemand hineinwagte. »Silva Nigra«, »Schwarzer Wald« nannten sie die finsteren Wälder, in denen, wie sie glaubten, Hexen, Teufel und Trolle ihr Unwesen trieben.

Für die fünf Freunde, die Paare Sara und Tim, Judith und Armin und Erzähler Thorsten wird der Schwarzwald Ziel eines Kurztrips, weil dort »die Unterkünfte billig und die Loipen früh und regelmäßig gespurt« werden. Doch bald nimmt die Fahrt ein abruptes Ende. Vom Fahrer eines Geländewagens werden sie von der Straße gedrängt, das Auto bleibt im schneebedeckten Straßengraben hängen. Zwei von ihnen machen sich im Nachtdunkel auf den Weg, um einen Abschleppdienst zu organisieren. Als sie mit dem Bauern vom nächstgelegenen Hof zurückkehren, sind die anderen spurlos verschwunden.

Eine Geschichte, die durchaus spannend beginnt. Doch irgendwie will der Plot nicht so recht in Fahrt kommen.

Der Leser erfährt über die Winterlandschaft, dass sie »finster« und »abweisend« wirkt, der Nadelwald wird als »dicht« und »gespenstisch« beschrieben. Es gibt düstere Bauernhöfe, »in denen niemals Licht brennt«.

Das sind bloße Beschreibungen. Doch sie erzeugen keine Atmosphäre, ziehen den Leser kaum in den Bann.

Im Roman berichtet der Ich-Erzähler, in weiter Ferne den Feldberg zu erkennen. Wo um Himmels Willen mag er sich da wohl befunden haben? Denn die Ortschaften heißen »Finkenrain«, »Moorach«, »Weisbeuren« und »Großgemünd«. Allesamt Orte, die der Schwarzwaldbesucher vergebens sucht, schon gar nicht in der Umgebung des Feldbergs. Nun gut, es ist ja ein Roman. Und die dürfen lügen. Aber dabei sollte wenigstens glaubhaft gelogen werden.

Als zwei der Freunde in einem Gasthof Leberknödel und Sauerkraut bestellen, schüttelt der schwarzwaldkundige Leser mit dem Kopf. So ein Gericht mag im Bayerischen Wald zu bestellen sein, aber zum Schwarzwald passt das nun ganz und gar nicht.

Spätestens hier stellt sich die Frage, ob der Autor überhaupt einen Fuß in den Schwarzwald gesetzt hat.

Freilich – als Romanschreiber muss man das nicht. Aber eine etwas gründlichere Recherche hätte nicht geschadet, wenn man seinen Lesern einen Roman in einer typischen Schwarzwälder Landschaft verspricht.

Eine Nachfrage bei der Schwarzwald Tourismus GmbH bestätigte übrigens, dass es sich bei Leberknödel und Sauerkraut um kein Schwarzwald-typisches Gericht handelt. Freundlicherweise wurde gleich ein Link angegeben mit einem Schwarzwälder Küchen ABC, die regionale Schwarzwälder Gerichte auflistet. Der Autor hätte wählen können zwischen Brägele oder Bibeliskäs, Leberle oder Ochsenmaulsalat.

Die Beschreibung der Einwohner fällt genauso einfallslos aus. Statt echte Charaktere in die Story einzubinden lesen wir von einem »schwergewichtigen Wirt«, der sich »schwerfällig setzt«, ein »blässlich aussehender Beamter« und Krankenschwestern, die entweder »streng« oder »rundlich« beschrieben werden.

Echter Schwarzwald? (Foto: Birgit-Cathrin Duval)
Echter Schwarzwald? (Foto: Birgit-Cathrin Duval)

Leider fehlt dem »Schwarzen Wald« vor allem eines: Worte, die eine Atmosphäre erzeugen, die den Leser in die Handlung hineinziehen. Worte, die nicht nur von einem finsteren Wald sprechen, sondern uns die Finsternis so darstellt, dass sie uns beim Lesen durch die Venen kriecht. Die Personen nicht nur plump beschreiben, sondern ihnen durch Handlungen Leben verleihen.

Da hilft auch leider nicht, dass das Buch ein »überraschendes wie rätselhaftes Romanende, welches zum nochmaligen Lesen herausfordert« – so der Klappentext – bereithält.

Zurück bleibt der Eindruck, dass der Schwarze Wald ein erster Rohentwurf ist, der noch gründlich überarbeitet werden muss.

Birgit-Cathrin Duval

Holger Montag: Schwarzer Wald. Taschenbuch. 2011. mandarin-verlag. ISBN/EAN: 9783980932523
Holger Montag: Schwarzer Wald. Kindle Ausgabe. 2013. mandarin-verlag. 2,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Der Roman kann auf der Website des Verlags kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.

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2 Kommentare

  1. Hallo,

    ich habe mir „Schwarzer Wald“ aufs iPhone geladen und den Roman während einer langen Zugfahrt gelesen. Der oben stehenden Kritik der Rezensentin kann ich mich nicht anschließen. Sicher, die Charaktere werden ebenso wie die Landschaft nicht in allen Einzelheiten beschrieben, aber ein bisschen Platz für die Phantasie sollte bei einem guten Buch ja schließlich auch noch bleiben. Jedenfalls konnte ich mir auch ohne überflüssige Beschreibungen à la „Der Mann war 1,85 groß, hatte blaue Augen und trug eine „Diesel“-Jacke“ durchaus ein Bild von den handelnden Personen machen.

    Auch die Atmosphäre fängt Holger Montag gut ein, ich fand es sehr beklemmend, mich in die Lage der Protagonisten Thorsten und Sara hineinzuversetzen, die nachts auf der Suche nach ihren Freunden umherirren und diese schließlich auf rätselhafte Weise verletzt wiederfinden. Der beschauliche Schwarzwald und seine Einwohner wandeln sich im Laufe des Romans zu einer unerklärlich befremdlichen und bedrohlichen Umgebung, ohne dass es eines Axtmörders oder ähnlich plakativer Elemente bedarf.

    Weshalb die schwarzwälder Rezensentin so wild auf Bollenhüte, Schwarzwälder Kirschtorte und „echte“ Orte ist, erschließt sich mir nicht so recht. (u übrigens, dass sie Fiktion nicht als Futter für die Phantasie, sondern als „Lüge“ empfindet – wo genau in England liegt nochmal Hogwarts? – und den Autor wegen seiner mangelnden kulinarischen Kenntnisse rügt, gleichzeitig aber erst die örtliche Touristenzentrale befragen muss, ob Leberknödel mit Sauerkraut ein Ur-Schwarzwälder Gericht sei. Ist es natürlich nicht, aber das weiß der Autor bestimmt auch.

    Ähnlich wie die oben erwähnten Personendetails finde ich es eher nervig, wenn z.B. in Italien-Romanen eine Latte macchiato auf dem Markusplatz bestellt wird, um die Klischees zu bedienen und zwanghaft zu demonstrieren, wo man sich gerade befindet. Holger Montag geht einen anderen Weg und beschränkt sich bei seinem Thriller aufs Wesentliche: Die Erzeugung von Spannung. Und das gelingt sehr gut, wenn man seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich der Suche nach Trachten oder vertrauten Ortsnamen widmet (um dann womöglich zu bemängeln, dass es in demunddem Ort gar keinen Mähdrescherverkäufer gibt?).

    Schade, dass die Rezensentin sich dadurch um den Lesespaß gebracht hat. Mir hat der Roman im Gegensatz zu ihr sehr gut gefallen.

    Katharina Selig

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