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Offener Brief ans ZDF: Keine literarische Kaffeefahrten mehr

Brief an das ZDFDer Bundesverband der jungen Autorinnen und Autoren (BVjA) hat sich in die Diskussion um die Heidenreich-Nachfolge eingemischt und einen offenen Brief ans ZDF geschrieben. Darin fordert der Verband ein Ende der »spätabendlichen literarischen Kaffeefahrten, in denen Bücher von Prominenten nur in die Kamera gehalten und gelobt werden, wobei insbesondere Bücher aus dem Ausland oder Bestseller in der Heidenreich-Sendung häufig ihren Sendeplatz bekamen.«

Bereits mit der Ersatzsendung im Dezember habe man die Chance vertan »ein frisches Format etwa mit einem Moderator unter 35 Jahren und aufregender junger Literatur anzubieten und stattdessen auf eine lustlose Anpreisung von Büchern« gesetzt. Eine Wortwahl, die uns beim literaturcafe.de durchaus bekannt vorkommt.

Weiter fordert der BVjA »dass in der neuen Sendung wieder Bücher besprochen werden, und nicht nur über sie gesprochen wird«. Von diesem Sendeplatz solle, so der Verband, kein »Starallüren-Charakter« mehr ausgehen.

Ob das ZDF auf diese Forderungen eingehen wird ist fraglich, denn obwohl Bücher und Literatur im Programm der Öffentlich-Rechtlichen nur ein Schattendasein fristen, sind gerade die Promi-Sendungen für die Verlage wichtige Umsatzbringer, sodass die Wirtschaftsunternehmen mit einem gewichtigeren Wort mitreden werden.  Bereits im Oktober verkündete ZDF-Intendant Schächter, dass Gespräche mit mit Branchen-Vertretern, Autoren und Verlegern bereits angesetzt seien.

Der Brief des Bundesverband der jungen Autorinnen und Autoren im Wortlaut

Wir veröffentlichen hier die vollständige und ungekürzte Fassung im Wortlaut:

Innovative Buchbesprechung statt spätabendliche Kaffeefahrt
Eine Forderung für das Nachfolgesendungsformat von »lesen!«

Sehr geehrte Programmleitung des ZDF,

nachdem mit Entlassung von Elke Heidenreich der Sendeplatz ihrer Büchersendung »lesen!« frei geworden ist, bietet sich für das ZDF die einzigartige Gelegenheit, ein junges und dynamisches neues Buchsendungsformat an ihre Stelle zu setzen.

Die Zeit einer spätabendlichen literarischen Kaffeefahrt muss vorbei sein, in denen Bücher von Prominenten nur in die Kamera gehalten und gelobt werden, wobei insbesondere Bücher aus dem Ausland oder Bestseller in der Heidenreich-Sendung häufig ihren Sendeplatz bekamen. Was bei Heidenreich in den ersten Sendungen noch als recht frisch erschien, zeigte sich zuletzt nur noch als eine reine Werbeveranstaltung für bestimmte Bücher mit Starallüren-Charakter. Dies bedauern wir sehr. Wir befürchten gar, dass das neue Format sogar noch flacher, noch weniger analytisch und kritisch mit Literatur umgeht als lesen! und weiterhin Starallüren hervorhebt.

Nachdem das ZDF bereits mit der kurzfristigen Ersatzsendung von Christine Westermann und aspekte-Moderator Wolfgang Herles nach der überraschenden Beendigung der Zusammenarbeit mit Elke Heidenreich die Chance vertan hat, ein frisches Format etwa mit einem Moderator unter 35 Jahren und aufregender junger Literatur anzubieten und stattdessen auf eine lustlose Anpreisung von Büchern wieder durch bekannte Fernsehleute setzte, ist es nun höchste Zeit, endlich ein innovatives Buchsendungs-Format zu entwickeln und wieder mehr Kultur statt schlichte Anpreisung zu wagen.

Denn junge Literatur in Deutschland und Europa ist sehr vielfältig. Sie ist es wert, gelesen und entdeckt zu werden. So ist es z.B. auch wert, etwa anhand von Einspielern auf die vitale und innovative junge Buchszene einzugehen und zu zeigen, dass das Buch ein generationenübergreifendes Kulturmedium darstellt. Literatur lebt von der Begeisterung der Menschen, und nicht allein durch die Anpreisung von Autorennamen und Buchtiteln. Junge Literaten wünschen sich, dass das ZDF von dem Konzept letztlich einer Werbeveranstaltung für bestimmte Bücher wieder wegkommt und dieses Feld demzufolge lieber anderen Sendern überlässt.

Stattdessen soll wieder der ernsthaftere Austausch über Plots und innovative Ideen von Büchern geführt werden. Wir fordern, dass in der neuen Sendung wieder Bücher besprochen werden, und nicht nur über sie gesprochen wird. Der Bundesverband junger Autoren und Autorinnen sieht es an der Zeit an, etwas Neues und Ungewöhnlicheres auszuprobieren und damit junger Literatur auf diesem besonderen Sendeplatz mit einem innovativen, modernen und von Spontaneität überzeugten Format eine Plattform zu bieten.

Wir bitten Sie, die Chance eines innovativen und überzeugenden Sendungsformats nun zu nutzen und nicht wieder zu übergehen. Gehen Sie weg von dem Starallüren-Charakter, der von diesem Sendeplatz in den letzten Jahrzehnten erst durch Marcel Reich-Ranicki und zuletzt durch Elke Heidenreich stets ausgegangen war und setzen Sie z.B. einen unbekannten jungen Moderator mit einem neuen Sendekonzept an ihre Stelle.

Ferner bitten wir Sie, Ihre Praxis der Ausstrahlungsfrequenz und der zuletzt späten Sendezeit zu überdenken und damit Ihrem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zur gebührenden Förderung von Kultur wieder im vollen Umfang nachzukommen.

Für konkrete Anregungen scheuen Sie sich nicht, den Kontakt zu uns zu suchen. Der BVjA steht Ihnen als Diskussionspartner für die Belange junger Autoren und zeitgenössischer Literatur immer gerne zur Verfügung.

Bonn, im Januar 2009
gez.
Bundesverband junger Autoren und Autorinnen
durch:
Vorstandssprecher Tobias Kiwitt

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5 Kommentare

  1. Bemerkenswert, wie sehr der Abgang von Frau Heidenreich immer noch Anlass für Diskussionen bietet. War denn der Protest auch schon so eindringlich, während ihre Sendung lief?
    Grundsätzlich bin ich dafür, dass mehr Bücher von jungen Autoren besprochen werden, wobei ‘jung’ nicht das Lebensalter, sondern das Datum einer Erstveröffentlichung bezeichnen sollte. Ob jetzt ausgerechnet das ZDF da der richtige Ansprechpartner ist, bezweifle ich allerdings. Davon abgesehen, gibt es m.M. nach keine Art der Rezension, die nicht persönlich gefärbt ist,und das ZDF will ja auch kein Literaturseminar ausstrahlen. Zur Ehrenrettung von Elke H. sei gesagt, dass ich auf ihre Empfehlung hin T. Cooper und John Cheever kennengelernt habe. Gute Wahl, wie ich finde.

  2. Das ist eine gute Aktion. Das ZDF sollte sich gerade ihrer Stellung bewusst sein und endlich jungen Autoren auch ein Sprachrohr bieten. Jung meint dabei natürlich nicht nur das Lebensalter.
    Wenn ich die Diskussionen beim ZDF mitverfolge, wo sogar im Gespräch ist, dass Gottschalk die neue Sendung moderieren soll, oder Denis Scheck (von seiner schlechten ARD-Büchersendung), wird mir jedenfalls ziemlich übel. Das ZDF scheint nichts hinzugelernt zu haben.
    Es braucht neue Ideen – und nicht immer nur die ausgeleierten Fernsehpersönlichkeiten. Und es kann auch nicht sein, dass die Verleger einen so starken Druck auf das ZDF ausüben, wie sie es derzeit tun (u.a. auch mit einem Offenen Brief, aber auch durch Lobbyarbeit beim ZDF). Daher finde ich es sehr konsequent und richtig, dass sich junge Autoren auch mit einem Offenen Brief zu Wort melden und ihre Meinung öffentlich postulieren. Übergangen werden sie ohnehin wieder werden. Leider.

    Das ZDF wird nicht hinzulernen und den Marketinginteressen von Verlegern nicht nachgeben.

  3. Ach je,

    sind wir wieder da, wo für’s Radio Quoten für “deutsche” Musik gefordert werden? Muss ich denn wirklich Dieter Bohlen hören, wenn ich doch lieber Eric Clapton hätte?

    Ich weiß, dass Frau Heidenreich die Nation spaltet (häufig übrigens in Männer, die sie nicht leiden können und Frauen, die sie mögen…), aber die Sendung war im ZDF und ist auch jetzt bei LitColony nichts anderes als eine Sendung von jemandem, der sagt: Mir hat das folgende Buch gut gefallen, vielleicht haben Sie auch Lust es zu lesen.

    Es gibt wirklich andere Literatursendungen (und ja, auch ich bin der Meinung, es kann gar nicht genug Literatursendungen geben), in denen klug dreinschauende Menschen über Bücher sprechen, die dann doch kaum jemand liest.

    Und wenn Bücher, die Frau Heidenreich empfohlen hat, auf den Bestseller-Listen landen – na und? Kaufen Sie Ihre Bücher nach der Bestseller-Liste? Dann ist das vielleicht Ihr Problem.

    Und an die “jungen, wilden, deutschen” Autoren, die in Lesen! noch nicht vorkamen: Ihr seid in guter Gesellschaft. Die meisten Bücher, die jedes Jahr herauskommen, hat sie nicht besprochen.

    Und ich werde nicht anfangen, Dieter Bohlen zu hören, nur weil jemand meint, es müsste eine Bevorzugungsquote für junge (was ist das?) deutsche Literatur geben.

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