Wellers Wahre Worte am Café Tisch
Februar 2005 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


»Ich glaube, er sah in mir immer seine Mutter Else«

Daisy Moshammer äußert sich in Exclusiv-Interview erstmals persönlich

Wilhelm Weller


Auf dieser Seite wurden wiederholt Interviews mit Personen der Zeitgeschichte geführt. Nicht das nur Alltägliche stand dabei im Vordergrund, stets ging es um das über den Tag, ja über die ganze gegenwärtige Zeit Hinausweisende.
     Nun aber soll etwas versucht werden, das in seiner experimentellen Kühnheit den hier schon stets sehr weiten Rahmen sprengen könnte.
     Erstmals wollen wir ein Interview führen, das - wie die Vogelgrippe - die Artengrenze überschreitet.
     Unmittelbarer Anlass ist der Mord an dem Münchner Modemacher Rudolph Moshammer. Die Presse, vor allem die bunte, bemüht sich seit der Tat um eine möglichst lückenlose Information der wissbegierigen Allgemeinheit über alle Besonderheiten des Falles (Achtung, Ton!) und des Toten.
     Trotz allen Mitgefühls für die hinterbliebene Daisy - eindrucksvoll demonstriert auf zahlreichen Titelseiten - kam letztlich das verlassene Tier in seinem Schmerz nie wirklich selbst zu Wort.
     Ein Missstand, dem es abzuhelfen gilt. Vielleicht mögen sich die geschätzten Kollegen in ihren Redaktionsstuben ein Beispiel an diesem neuartigen Ansatz nehmen, der die Gleichberechtigung der Geschöpfe nicht nur leer behauptet, sondern voll beherzigt.
     Mit unserer neuartigen, ganzheitlichen Interviewtechnik, die bei Daisy Moshammer zum ersten Mal getestet wurde, stünden wir bei maximal bietender Nachfrage jederzeit bereit, Manpower und Kompetenz etwa von BILD und BUNTE nachhaltig zu verstärken.

Dem nachfolgenden, zugegeben kurzen Interview ging eine 2-tägige Befragung der Yorkshire-Hündin voraus, was den außerordentlichen Aufwand aber eben auch die journalistische Sorgfalt unterstreicht, mit der man hier zu Werke bzw. zu Hunde ging.
     Leider blieben manche Fragen und Ungereimtheiten offen. So war in diversen Publikationen gemutmaßt worden, dass Moshammer, die Insolvenz vor Augen, seine Entführung inszenieren wollte, was durch den Übereifer der Beteiligten dann außer Kontrolle geriet.
     Fragen und Unterstellungen dieser Art wies das dabei sichtlich beleidigt wirkende Tier brüsk und kommentarlos zurück.
     Das Interview wurde in der Wohnung des Moshammer-Chauffeurs Andreas K. geführt, der sich der Yorkshire-Hündin inzwischen angenommen hat.

WW: Auch wenn die Frage pietätlos klingen mag: Sind Sie über den ersten Schmerz hinweg? Also, ich meine, man weiß ja nicht genau, wie lange ein Hund trauert.

Daisy: Bitte, nein. Darauf möchte ich keine Antwort geben.

WW: Nun gut. Eine andere Frage: Steht nun fest, ob und wie Sie testamentarisch bedacht wurden?

Daisy: Kein Kommentar. Mein Anwalt ...

WW: OK. Wir werden uns mit ihm in Verbindung setzen. Ein anderer Punkt: Ist es zutreffend, dass Sie während der Tat im Schlafzimmer eingesperrt waren?

Daisy: Ja, ich wollte helfen, aber ich konnte es nicht. Es war furchtbar.

WW: Es muss für Sie eine schreckliche Situation gewesen sein. Haben Sie Angst, im Gericht wieder mit dem Täter konfrontiert zu werden?

Daisy: Gott bewahre!

Andreas K.: Daisy, moagst Dei Chappi?

Daisy: (Laut) Ja glei, aba nur a Batzerl!

WW: Sie durften als erster Hund einen Münchner Friedhof betreten und bei der Beisetzung von Herrn Moshammer zugegen sein. Machte Sie das stolz?

Daisy: Ich hätte es nicht verstanden, wenn mir der Zutritt verwehrt worden wäre.

WW: Sie beherrschen sogar den Konjunktiv der Vergangenheit. Wo haben Sie Ihr exzellentes Deutsch erlernt?

Daisy: Das liegt in den Genen. Meine Züchterin Frau Nicklis wird Ihnen dazu mehr sagen können.

WW: Ist es zutreffend, dass Sie im Falle Ihres Todes ebenfalls in der Familiengruft beigesetzt werden.

Daisy: Ja, dort ist mein Platz. Auch ich werde dann einbalsamiert sein.

WW: Herr Moshammer hält in seinem Grab Ihre Locke in seiner Hand, auch das ein Zeichen engster Bindung. Deswegen eine letzte Frage: Wie erklären Sie sich die ungewöhnliche Intensität Ihrer Beziehung?

Daisy: Ich glaube, er sah in mir immer seine Mutter Else.

Wilhelm Weller


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