Mit ihrem Debütroman »Ein Kind namens Hoffnung« hat es Marie Sand auf eine vordere Position im Verlagsprogramm des Droemer Verlags geschafft. Wie hat sie das erreicht? Was war das Ausschlaggebende? Welchen Tipp kann sie anderen Autorinnen und Autoren geben? Marie Sand ist sich sicher: Ausschlaggebend war das Exposé zum Buch.
Ja, es ist mein Debütroman. Und nein, weder Glück noch Vitamin B waren die Begleiter.
»Ein Kind namens Hoffnung« nahm den steilen Weg vom Exposé bis zur Veröffentlichung. Ohne Rast und Umwege kletterte es dorthin, wo ein Autor, eine Autorin den Erstling sehen will: auf eine vordere Position im Verlagsprogramm. Rückblickend markierten Seitenstechen und Zweifel diesen Weg. Seitenstechen mahnte zur nötigen Langsamkeit, um den Text immer wieder zu schleifen. Zweifel boten sich an, um geduldig den Erzählbogen zu hinterfragen, Linien neu zu ziehen, das Augenmerk auf Details zu richten. Wenn ich auf dieser Schreibstrecke von zwei Jahren eines gelernt habe, dann ist es, keinen einzigen Gedanken an einen möglichen Erfolg zuzulassen.
Während des Schreibens leitete mich Demut, trat jede Eitelkeit zurück. Einzig den Figuren gehörte der Denk- und Handlungsraum, denn sie sollten ihre Choreografie gestalten, sollten einen unverwechselbaren Tanz wagen, Beziehungen knüpfen, Schicksale erfahren, und zwar vom ersten bis zum letzten Schritt. So erzählte ich es Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de – er hörte zu, nickte – und fragte: »Wie lautet der konkrete Tipp, den Sie geben können? Was hat einen publikumsstarken Verlag wie Droemer überzeugt?« Meine Antwort kam spontan: »Es lag, da bin ich sicher, am Exposé.«
Aber der Reihe nach.
Nachdem ich meine Recherche beendet, Notizen ausgewertet, Interviews geführt, alles sortiert und in einen zeitlichen Zusammenhang gebracht hatte, begann erst die Figurenarbeit, dann das Plotten. So weit, so klassisch. Die Regel habe ich mit dem Exposé gebrochen. Hier habe ich in mir den Mut gespürt, mehr zu liefern als üblich, mehr als den Dreiklang aus kurz, prägnant, sachlich zu bedienen. Statt der üblichen 6.000 Zeichen schrieb ich 22.000 Zeichen. Statt einer Grobskizze fertigte ich eine fast feingezeichnete Handlung. Damit habe ich die Richtlinien übertreten, habe die Empfehlungen von Schreibberater*innen ignoriert.
Mit der Unverblümtheit einer Debütantin habe ich gedacht: Es werden jährlich, so schätzt man, über zwei Millionen Skripte konzipiert und teils geschrieben, nur 80.000 Bücher werden gedruckt. Welche Kriterien will ein Verlag erfüllt wissen? Nun gut: Die Geschichte. Die Figuren. Der Konflikt. Die Erzählweise. Der Sound. Der Trend. Die Autor*innen-Persönlichkeit. Das mögen die markanten Agentur- und Verlagskriterien sein, um sich für oder gegen ein Exposé zu entscheiden.
Doch ich denke, da gibt es noch etwas, das man mit einem zauberhaften Moment umschreiben könnte. Denn das Lesen eines Exposés ist wie eine Begegnung im wahren Leben. Treffen sich zwei. Umwirbt der eine den anderen. Sagt einer einen Satz, der den anderen berührt, der nachschwingt, vom Ohr ins Herz geht, der zum Hall wird, zum Flirt. Man liest weiter, liest tiefer und lässt sich reinziehen in die Story, will zwischen die Zeilen sinken, will sehen, was sich unter dem Glanz der Worte verbirgt, und die Ahnung festhalten, dass diese eine Geschichte anders daherkomme als eine flüchtige Begegnung.
Es sind Sekunden, die über solch ein Gefühl entscheiden, Sekunden von ungeheurer Tragweite! Warum, bitte sehr, sollte ich auf solch einen Moment verzichten und meine Geschichte hinter Standards verstecken?, dachte ich. Mir fiel der Satz ein, den ein Lektor in einer Textwerkstatt einmal hinter vorgehaltener Hand verriet: Wer die Regeln kennt, der darf sie brechen, wenn es den Texten dient. Das war mein Glaubenssatz für diese Seiten im Exposé.
So habe ich zunächst Genre, Prämisse, Intention genannt, habe mit wenigen Sätzen den Roman umrissen.
Dann aber habe ich meine Lieblingsmusik sehr laut gedreht, die Augen geschlossen und mir meine Heldin vorgestellt. Ganz nah herangezoomt habe ich sie, ihre Verletzlichkeit, ihre Courage, ihren Eigensinn gegriffen: Niemand rettet ein Kind vor den Nazis unter Einsatz seines Lebens – und bleibt dabei kurz, prägnant und sachlich. Damit wäre ich dem kristallinen Charakter meiner Heldin nicht gerecht geworden. So hätte das Exposé nicht funktioniert!
Deshalb habe ich mich gedanklich von den Anleitungen gelöst, habe mit meiner Heldin auf diesen Seiten gelitten, gehofft, geweint, habe ihre Stimme nicht unterdrückt. Sie ist es, die meinem Roman trägt und im Exposé durfte sie nicht schweigen. Dialoge flossen ein, Konflikte flackerten auf, der Zeitgeist legte sich über die Seiten, und ein Foto meiner Heldin fügte ich hinzu. Und ich habe später erfahren, dass tatsächlich Sätze berührten, aufhorchen ließen.
So lautet mein Tipp: Blende aufs Exposé und Mut zum Regelbruch. Denn ein Exposé ist mehr als eine Zusammenfassung des geplanten Buchs. Es ist ein erster Eindruck, für den es keine zweite Chance gibt. Und damit wird es zu einem Meilenstein auf der Schreibstrecke. Es folgen Leseprobe, hoffentlich ein Vertrag und das Skript.
Ich bin angekommen. Der Schlusspunkt ist gesetzt, das Buch gedruckt und ausgeliefert. Seitenstechen und Zweifel sind einem Hauch Stolz gewichen. Doch am Ende, und für diese Wahrheit gibt es kein Konzept, entscheiden die Leser*innen über die Stimme der Heldin, über die Prosa im Buch.
Marie Sand
Marie Sand: Ein Kind namens Hoffnung: Die Geschichte einer heimlichen Heldin. Broschiert. 2022. Droemer TB. ISBN/EAN: 9783426309094. 15,99 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Marie Sand: Ein Kind namens Hoffnung: Die Geschichte einer heimlichen Heldin. Kindle Ausgabe. 2022. Droemer eBook. 12,99 € » Herunterladen bei amazon.de Anzeige
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Live-Webinar mit Marie Sand über ihr Exposé
Am Mittwoch, 26. Oktober 2022 von 19 bis 21 Uhr analysieren wir gemeinsam mit der Autorin Marie Sand das Exposé ihres Buches »Ein Kind namens Hoffnung«. Was macht das Exposé so besonders?
Ein schöner Artikel, der Mut macht. Das auch Debutautorinnen eine Chance haben.
Was mich interessieren würde: Hat Marie Sand eine Literaturagentur oder hat sie selbst ohne Agentur ihr Exposé an den Verlag geschickt? Wenn sie es ohne Agentur gemacht hat, dann ist es wirklich der Hammer. Auf jeden Fall: Hut ab vor der Autorin und viel Erfolg mit dem Debutroman.
Beim Googeln stößt man auf die Agentur AVA.
Ja, Marie Sand wird von AVA vertreten.
Ein wirklich grandioser Text, hier horcht man auf, eine Stimme, die gehört werden will, die man hören will. Der Text lässt ahnen, warum sich der Verlag das Manuskript genauer angesehen hat. Und natürlich möchte man jetzt gerne das Exposé lesen.
Toll, dass diese Autorin so burschikos war, so mutig und so auf ihre Bauchgefühle hörte. Mich hat der Text sehr neugierig gemacht. Dieser Artikel ist eine tolle Werbung für das Buch.
Die Autorin sagt es selbst: Es ist das Paar, das zusammen kommt. Der Augenblick zwischen Verlag und Autor sind dem Augenblick geschuldet. Allerdings wird nicht aus allen ein so starker Halt wie offenbar in diesem Fall.
Das ist ja interesdsant! Ja, ein Exposé ist auch eine Geschichte. Und wenn die packt, überlegt niemand, ob sie den „Regeln“ gehorcht.
Kann man das Exposé irgendwo lesen? Ich glaube, das würde vielen Nachwuchsautoren helfen, erfolgreiche Exposés studieren zu können.
Herzliche Grüße und viel Erfolg mit dem Buch,
Hans Peter Roentgen
Das wäre ein tolles Projekt / wie sehen erfolgreiche Exposés aus / so unterschiedlich können sie sein!
Wie soll man die Worte der Autorin nachvollziehen – ohne das blumig gepriesene Exposé zu kennen?
Auf mich wirkt dieser Beitrag leider nicht als Information für das bessere Verfassen von Exposés, sondern als Werbung für das Buch.