Der Mummelsee liegt im Nordschwarzwald in einer Höhe von 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Unter der grün schimmernden Wasseroberfläche sollen Wassergeister herrschen, und der See sei ein Zugang zu einem unterirdischen Höhlensystem, das alle Seen und Meere dieser Welt verbindet.
So beschreibt es im 17. Jahrhundert bereits Jakob von Grimmelshausen, der seinen Simplicius Simplicissimus in das unterirdische Reich des Seekönigs hinabsteigen lässt. Der tiefe See findet sich in den Märchen der Gebrüder Grimm, und Eduard Mörike beschreibt in seinem Gedicht die »Geister am Mummelsee« einen Leichenzug hinab in den See.
Von Baiersbronn aus hat sich Wolfgang Tischer zu Fuß auf den Weg durch den nebelverhangenen Schwarzwald gemacht, um die literarischen Geister des Mummelsees zu besuchen.
Der Mummelsee liegt am Ende der 3. Etappe des sogenannten Seensteigs. Dieser gut 85 km lange Rundwanderweg beginnt in Baiersbronn und umfasst insgesamt 5 Etappen. Man kann sie am Stück laufen, da am Ende jeder Etappe eine Übernachtungsmöglichkeit besteht, oder als Einzeletappen wandern.
Die Geister am Mummelsee
Vom Berge was kommt dort um Mitternacht spät
Mit Fackeln so prächtig herunter?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
Mir klingen die Lieder so munter.
O nein!
So sage, was mag es wohl sein?
Das, was du da siehest, ist Totengeleit,
und was du da hörest, sind Klagen.
Dem König, dem Zauberer, gilt es zu Leid,
Sie bringen ihn wieder getragen.
O weh!
So sind es die Geister vom See!
Sie schweben herunter ins Mummelseetal –
Sie haben den See schon betreten –
Sie rühren und netzen den Fuß nicht einmal –
Sie schwirren in leisen Gebeten –
O schau,
Am Sarge die glänzende Frau!
Jetzt öffnet der See das grünspiegelnde Tor;
Gib acht, nun tauchen sie nieder!
Es schwankt eine lebende Treppe hervor,
Und – drunten schon summen die Lieder.
Hörst du?
Sie singen ihn unten zur Ruh.
Die Wasser, wie lieblich sie brennen und glühn!
Sie spielen in grünendem Feuer;
Es geisten die Nebel am Ufer dahin,
Zum Meere verzieht sich der Weiher –
Nur still!
Ob dort sich nichts rühren will?
Es zuckt in der Mitten – o Himmel! ach hilf!
Nun kommen sie wieder, sie kommen!
Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
Nur hurtig, die Flucht nur genommen!
Davon!
Sie wittern, sie haschen mich schon!
Eduard Mörike (1804 – 1875)
Von Baiersbronn aus geht es hinauf auf die Höhen des Norsdchwarzwaldes mit seinen mystischen Hochmoorebenen. Vom Schliffkopf aus gelangt man – mit einem Abstecher zum Wilden See – nach knapp 20 Kilometern zum Mummelsee. Am Anfang der 4. Etappe geht es von dort aus dann hinauf auf die Hornisgrinde, die mit 1.164 Metern der höchste Berg des Nordschwarzwalds ist.
Die Streckenführung des Seensteigs ist grandios, und besonders auf der dritten und vierten Etappe hat man einen wunderbaren Blick hinunter in die Rheinebene, wo man das Straßburger Münster erkennen kann – so man denn gutes Wetter und gute Sicht hat.
Als Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de im Spätherbst 2012 zum Mummelsee wanderte, war das Wetter alles andere als ideal. Es war kalt, und gerade als es den »Weg für Trittsichere« hinab zum Wilden See ging, regnete es in Strömen.
Ein nebliger, unwirklicher Tag – der dennoch für die literarische Expedition zum Mummelsee wie geschaffen war!
So paradox es klingt: Eine Ahnung von der Magie des Sees, wie sie Wanderer und Literaten vor vielen hundert Jahren erlebt haben könnten, hat man nur bei weniger gutem Wetter. Trotz des Berghotels hat man den Eindruck, den See allein für sich zu haben. Nebelschleier ziehen über die Wasseroberfläche, und es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass man dereinst glaubte, Geister lautlos über den See huschen zu sehen.
Jakob von Grimmelshausen, der Autor des Simplicius Simplicissimus, lebte nach seiner Soldatenzeit im 30jährigen Krieg unweit des Sees und war dort Gastwirt und später Bürgermeister. Kein Wunder also, dass er die Sagen des Sees in seinen Roman einbaute und seine Hauptperson Bekanntschaft schließen lässt mit dem Seekönig und seinem Gefolge, die ihn hinab in die unterirdische Welt führen. Hierzu teilt sich die Wasseroberfläche des Sees und legt ein Treppe frei. Ein Gedenkstein am Ufer des Mummelsees erinnert an den großen Dichter.
Würfe man einen Stein in den See (so berichten viele Sagen), zögen sofort Wolken auf, und ein Unwetter bräche los. Die Steine selbst werden von den Seewesen wieder zurück ans Ufer geschleudert. Fische sollen im dunklen Wasser nicht überleben können, und als ein König samt Gefolge dereinst die Tiefe des Sees ergründen wollte, konnte er sich nur mit Mühe lebend ans Ufer retten, nachdem sein Floß plötzlich auseinander gebrochen war. Bereits die Gebrüder Grimm haben viele dieser Märchen und Sagen vom Mummelsee gesammelt.
Damals musste man von der Rheinebene auf über 1.000 Meter hinaufsteigen, um an das seltsame Gewässer unterhalb der noch etwas höheren Hornisgrinde zu gelangen.
Heute führt die Schwarzwaldhochstraße (B500) direkt am See vorbei, und an sonnigen Tagen wird der Mummelsee zum Rummelsee. Unzählige Reisebusse und Autos stehen sich auf den großen Parkplätzen selbst im Weg. Das Heulen der Motorräder dröhnt über dem Schwarzwald, und die Andenkenläden bieten den üblichen Schwarzwaldkitsch von der Kuckucksuhr über den Schinken bis zur Kirschtorte feil. Auf dem See, der plötzlich klein und unscheinbar neben dem gewaltigen Berghotel anmutet, plätschern die touristenbefüllten Tretboote.
Vorbei der Zauber, denn Berichte von untergegangenen Tretbooten gibt es nicht.
Unsere literarisch-mystische Wanderempfehlung gilt also für die schlechten Tage, die nebelverhangenen Herbststunden, die den Schwarzwald tatsächlich wieder zur silva nigra, zum schwarzen Wald werden lassen.
Gute Wanderschuhe und Kondition sowie regendichte Kleidung sind Pflicht. Wanderstöcke sind zu empfehlen.
Besser als auf der wunderbaren Website heilige-quellen.de von Klaus Kramer kann man sich über den literarischen Mummelsee nicht informieren, und bei der Reiseplanung hilft Touristinfo Baiersbronn gerne weiter, die sogar direkt im Bahnhof ein spezielles Wanderinformationszentrum betreibt. Auf der Website zum Seensteig kann man sich Karten und GPS-Tracks herunterladen.
Auf dass es bei Ihrer Seensteigwanderung nicht das beste Wetter hat!
Größere Kartenansicht
Wen sehe ich da? So sage, wer mag es wohl sein?
Oh nein! Wolfgang Tischer! Alle Achtung!
Ich wusste gar nicht, dass auch Sie käfermäßig unterwegs sind.
Alle Achtung, für diese Leistung: Wanderung und Lesung, toll!,
sagt eine Wandersfrau, die vor vielen Jahren einmal einen Becher vom Literaturcafé bekam, den sie noch immer in Ehren hält.
Hallo Herr Tischer!
Also das nenne ich mal gelungen! Eine tolle Idee, vor allem mit der Lesung am See, da kriegt man richtig Lust, die Tour selbst mal zu laufen. Aber wo ist denn am Schluss Ihr Rucksack geblieben? Geklaut von den Mummelsee-Geistern? 🙂
Lieber Wolfgang Tischer,
eine tolle Idee, habe den Film sehr genießen können. Ich bin die Tour vor einiger Zeit mit einem Freund gelaufen. Bitte mehr davon.
Wie wäre es mit Eduard Mörike rund um Urach?
Georg Mehling
Idylle pur. Ich selbst wandere, wenn es die Zeit zulässt, sehr gerne. Da ich aus dem hohen Norden komme, mache ich viele lange Strandspaziergänge und habe dabei immer meine kleine Outdoorausrüstung dabei. Wo ich mir in den Pausen eine kleine Mahlzeit oder einen Tee zubereiten kann. Doch bei uns ist es leider relativ flach. Daher nutze ich die Urlaubszeit um mein Hobby auch in anderen Regionen auszuüben. Denn die Berge und die stillen Waldlandschaften sind aus meiner Sicht ein wenig interessanter als die flache Ostseelandschaft. Klar ist es an der Ostsee auch schön, nur gibt es dort auch nicht soviele Quellen und Bäche, wo man unterwegs sein Trinkwasservorrat auffüllen kann. Deshalb liebe ich es auch so sehr in Bayern und Baden-Württemberg zu Wandern. Viele Grüße Sebastian
ist gut gemacht,
hab auch gelacht
war schon mal da
jetzt wird mir klar
was ich verpasst
das Wetter machts