In seinem Roman »Der perfekte Kreis« widmet sich Benjamin Myers dem Phänomen der Kornkreise. Zwei ungleiche Freunde machen sich nachts auf den Weg zu südenglischen Getreidefeldern. Wolfgang Tischer steht ebenfalls zwischen den Ähren und bespricht den Roman im Video.
Kornkreise waren das Thema in den späten 1980er-Jahren und bis in die 2000er hinein. Jene merkwürdigen, in Getreidefelder gedrückten Muster, die über Nacht auftauchten und in ihrer Gänze und Schönheit nur aus der Luft zu erkennen waren. Bis heute glauben einige Menschen, dass Kornkreise Zeichen von Außerirdischen seien, da Menschen solche gewaltigen Muster nicht erschaffen könnten. Damals war auch Erich von Däniken sehr populär. Doch es gab auch Stimmen, die meinten, dass die Kornkreise das Werk von Menschen seien.
Benjamin Myers widmet sich in seinem Roman »Der perfekte Kreis« dem Phänomen der Kornkreise.
Die Rezension von Wolfgang Tischer als Video
Wir sind im Jahre 1989, und wir erleben im Roman zwei Männer, die tatsächlich losziehen, um in der Arbeit einer Nacht jeweils eine Formation in die Felder zu »zeichnen«. Sie arbeiten mit Seilen und Brettern, um die Halme niederzudrücken. Sie haben sich ein festes Regelwerk gegeben, um sauber zu arbeiten und unerkannt zu bleiben. So führen sie unter anderem nichts mit sich, was einen Brand verursachen könnte, sie wollen durch ihre Arbeit keine Tiere aufschrecken und die Halme werden nur umgebogen und nicht abgeknickt.
Mit Benjamin Myers verfolgen wir die beiden einen Sommer lang bei ihrer Arbeit. Zu Beginn sind die Halme noch grün, am Ende sind viele Felder bereits abgemäht.
Benjamin Myers wurde hierzulande durch seinen Roman »Offene See« bekannt, der auf der Bestsellerliste stand und mit dem Preis des unabhängigen Buchhandels ausgezeichnet wurde.
Diese beiden Männer, die da nachts mit dem VW-Bus zu den Kornfeldern fahren, sind speziell. Sie sind befreundet, und jeder von ihnen hat seine Aufgabe. Da ist Calvert, ein ehemaliger Elitesoldat, der im Falklandkrieg gekämpft hat und auch nachts stets eine Sonnenbrille trägt. Seine Aufgabe ist es, Felder auszukundschaften, die sich als »Leinwand« eignen. Und da ist Redbone, ein Punkmusiker mit einem leichten Hang zum Esoterischen, der die Entwürfe für die Kornkreise erstellt.
Es ist anzunehmen, dass Benjamin Myers von zwei Künstlern inspiriert wurde, die seinerzeit behauptet haben, sie hätten über 200 dieser Kornkreise in die Felder gezeichnet. Dass dies tatsächlich mit den damaligen Mitteln in einer Nacht möglich war, bewiesen sie schließlich auch vor Journalisten.
Der perfekte Kreis ist ein Roman, der denen nicht so ganz gefallen könnte, die auserzählte Geschichten und Figuren lieben, denn vieles von Calvert und Redbone bleibt uns verborgen. Die beiden wissen nicht alles voneinander, und wir als Leserin oder Leser wissen ebenfalls nicht alles von den beiden, wenn wir sie am Ende des Romans verlassen.
Der Text ist gut gearbeitet, gerade auch in seiner Unperfektion. Er ist bisweilen witzig und absurd – insbesondere aufgrund der Personen, die den beiden nachts begegnen.
Die Kapitel sind nach den Kreisformationen benannte, die die beiden erschaffen, und am Ende steht jeweils ein Zeitungsbericht. Zunächst ist es eine Notiz im regionalen Blatt, irgendwann sind es überregionale Zeitungen und schließlich wird weltweit in den Medien über die Kornkreise spekuliert. Zu den Regeln, die sich die beiden Männer auferlegt haben, gehört aber auch, dass sie keinerlei Verdacht auf sich lenken. Ruhm und Ehre erreichen sie indirekt, und Calvert und Redbone begreifen das Ganze als ihre persönliche höhere Aufgabe. Sie wollen etwas und haben einen Plan. In jeder der Nächte passiert etwas. Nie sind die beiden völlig ungestört. Bisweilen wirkt der Text märchenhaft.
»Manche Dinge bedürfen keiner sprachlichen Äußerung, um zu existieren«, heißt es gegen Ende des Romans. Manchmal hätte man das auch dem Text von Benjamin Myers gewünscht, wenn seine Figuren sich allzu ausladend über ihre Motivation unterhalten.
Ohne dass es im Text erwähnt wäre, hat der Dumont Verlag auf dem Cover das Ensō-Symbol in Goldgelb aufgeprägt. Dieses kreisrunde Zeichen der japanischen Kalligraphie wird oftmals nicht ganz geschossen gezeichnet. Seine Perfektion liegt im Unperfekten. Diese Philosophie scheint sich in der sprachlichen Zeichnung Myers wiederzufinden.
Wolfgang Tischer
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