Nach all den bisherigen Sendungen wird es Zeit, sich einmal die Frage zu stellen, warum man sich das Literarische Quartett am späten Freitagabend im ZDF überhaupt anschauen sollte.
Für den Rezensenten ist die Antwort klar: um darüber einen Artikel fürs literaturcafe.de zu schreiben, da die Abrufzahlen stets aufs Neue belegen, dass viele Leute zumindest lesen wollen, wie der Rezensent die Sendung fand.
Der Rezensent ertappt sich jedoch seit geraumer Zeit dabei, während der recht handlungsarmen und wenig bildgewaltigen Sendung eher das Publikum zu betrachten und zu schauen, ob er dort Personen aus Verlagen sitzen sieht: Wolfgang Ferchl (Knaus/Penguin), Thomas Rohde (Hanser Berlin), Jo Lendle (Hanser) oder diesmal Thomas Zirnbauer (dtv) wurden schon gesichtet.
Aber warum soll man sich eine Sendung wie die gestrige anschauen? Man muss sich auch fragen, worüber reden die Vier da eigentlich immer? Logisch, über Bücher. Aber warum geht es viel zu selten um die Fragen: Was will der Autor? Wie macht er das? Welche Mittel setzt er dafür ein (Motive, Sprache, Figurenzeichnung, Handlung …)? Wie gut ist ihm die Umsetzung gelungen? Stattdessen beißt man sich mit einem »Ich meine, ich finde« zu häufig an der Frage der glaubhaften Umsetzung von Details fest, die für den Nicht-gelesen-Habenden uninteressant ist.
Wenn, dann sind es bisweilen und leider zu selten kleine Feststellungen, die wie Brotkrumen vom langweiligen Erwachsenengespräch der Kritiker abfallen. Beim Kronauer-Buch, so schien man ableiten zu können, kommt man als Sprachliebhaber auf die Kosten, konnte doch Frau Westermann mit manchen scheinbar veralteten Worten und Wörtern gar nichts anfangen, was in der Gesamtbewertung für das Buch spricht.
Und wieder einmal sind wir bei Frau Westermann, die wieder einmal ein Buch »empfohlen« hat (so hat sie es selbst ausgedrückt), dem Volker Weidermann wieder einmal sofort eine gewisse »Coelhohaftigkeit« attestierte und bei dem auch die Einwände von Frau Dorn und dem diesmaligen Gast Svenja Flaßpöhler deutlich machten, dass Frau Westermann offenbar wieder ein Buch mit viel Kitsch- und wenig Literaturanteil ausgesucht hat. Wieder einmal muss man sich fragen, warum redet ihr niemand aus der Redaktion solche Titel aus? Oder labert man sie womöglich in solche Titel rein, um den Unterhaltungswert zu steigern? Brotkrumen dieser Diskussion war die schöne Beobachtung von Svenja Flaßpöhler, dass es offenbar nur Männer sind, die eigene Erkrankungen zu stark autobiografisch geprägten Büchern werden lassen.
Die Diskussion über das Buch von Norbert Gstrein rauschte recht folgenlos vorbei, obwohl zumindest über die Glaubwürdigkeit und Tiefe der Figurenzeichnung gesprochen wurde. Zum Lesen hat es nicht angeregt.
Ganz anders beim letzten Buch: »Am Tag davor« von Sorj Chalandon, bei dem auch die Übersetzerin Brigitte Große erwähnt wurde. Hier erzeugte die Diskussion und die einhellig und deutlich heraushörbare echte Begeisterung der Vier durchaus den Wunsch, sich den Titel einmal anzuschauen, wenngleich man sofort Angst bekam, ob der drohenden Spoilergefahr der Diskussion noch länger zuzuhören.
Die wichtigste Brotkrumenerkenntnis dieser letzten Diskussion (von Thea Dorn benannt): Der Wunsch, das Buch zu lesen, mag auch darin begründet sein, dass hier ein Autor etwas erzählt, das nicht an der eigenen Lebenswirklichkeit orientiert ist, bei dem nicht die Gefahr besteht, Autor und Erzähler zu verwechseln oder gar gleichzusetzen.
Aber sonst? Schauen Sie sich noch das Literarische Quartett an? Oder lesen Sie nur diesen Text?
Wolfgang Tischer
Link ins Web:
- Das Literarische Quartett vom 09.08.2019 in der ZDF-Mediathek
Die in der Sendung vom 09.08.2019 besprochenen Bücher:
- Brigitte Kronauer: Das Schöne, Schäbige, Schwankende: Romangeschichten. Gebundene Ausgabe. 2019. Klett-Cotta. ISBN/EAN: 9783608964127. 26,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Martin Simons: Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon: Roman. Gebundene Ausgabe. 2019. Aufbau. ISBN/EAN: 9783351037888. 20,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Norbert Gstrein: Als ich jung war: Roman. Gebundene Ausgabe. 2019. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783446263710. 23,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
- Sorj Chalandon; Brigitte Große (Übersetzung): Am Tag davor: Roman. Gebundene Ausgabe. 2019. dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783423281690
Hallo Herr Tischer,
ich schaue mir mittlerweile das literarische Quartett nicht mehr gezielt an, nur wenn`s der Zufall will. Warum das so ist vermag ich nicht genau zu definieren. Ich möcht` mal sagen die Spannung/ Neugierde ist weg und die Anregung unbedingt eines der besprochenen Bücher kaufen zu wollen um mir selber ein Bild zu machen.
Womöglich hat das auch persönliche Gründe. Der Buchmarkt ist dermassen überschwemmt mit Büchern die man eigentlich nicht zu lesen braucht….
Und, Sie haben recht, ich schreibe diese Zeilen weil ich Ihren Artkel hier sehr interessant bzw. aufschlussreich finde.
Freundliche Grüsse
Elisabeth Rütsche
Ich schaue mir die Sendung an, weil ich immer auf der Suche bin nach interessanter „aktueller“ Literatur und weil ich spannend finde, wenn Leute über Bücher reden. Sowas hab ich im privaten Umfeld nicht. Insofern war das gestern ergiebig, da ja tatsächlich das letzte Buch sehr schmackhaft gemacht wurde. Christine Westermann in der Sendung finde ich eine Beleidigung meines Verstandes. Aber das ist ein bisschen das Prinzip „Frau aus dem Volke“, fürchte ich. Dem Publikum wird nicht zugemutet, sich beim Zuhören und Denken ein wenig anzustrengen. Sehr sehr traurig. Thea Dorn und Svenja Flasspöhler fand ich eigentlich ok, die find ich allgemein politisch furchtbar, aber das schien nicht so durch in der Sendung. Weidermann hingegen schien mir betrunken oder sonst irgendwie derangiert.
Ich habe mir die Sendung auch angeschaut, auch wenn man sagen muss, dass es irgendwie nicht so flutscht.
Laut Maike wirkte Volker Weidermann derangiert. Ich finde der wirk immer so, ich finde es sehr anstrengend ihm zuzuhören, weil er irgendwie immer außer Atem zu sein scheint.
Dazu diese jugendlich verwuschelte Frisur, irgendwie sehr merkwürdig. Christine Westermann ist die Schlaftablette der Runde, muss man nichts mehr zu sagen.
Ich finde einfach, dass man solche Sendungen wesentlich besser besetzen könnte, gibt oder gab doch z.B. den Leseclub oder die Leserunde im SWR mit Denis Scheck.
Aber ich lese dann gerne auch nach, was andere von der Versnataltung halten, insofern: weiter so 😉
Christine Westermann war bei „Zimmer frei“ ok, beim literarischen Quartett kann sie einem nur leid tun.
Ich habe die Sendung zwar immer eingeschaltet, merke aber nur manchmal auf, hier bei Brigitte Kronauer und Sorj Chalandon.
Annemarie, ich kann Ihrer Äußerung zu Christine Westermann zustimmen. Sie wirkt als Rezensentin sehr blass und unterqualifiziert und ihre Beiträge zu den Büchern wirken auf mich immer sehr blass und langweilig.
So wie ich es in Erinnerung habe, hatte Frau Dorn in den letzten 3-4 Sendungen immer lesenswerte Buchempfehlungen, da stimmten ihr auch die anderen Teilnehmer zu. Von daher schaue ich die Sendung immer noch gern.
Lieber Wolfgang, Du hast mal wieder die richtigen Fragen gestellt. Ja, es sind oft nur Krumen der Erkenntnis. Das ist schade. Aus meiner Sicht liegt dies an einer unguten Tradition, die im Literaturbetrieb exazerbiert wird. Man trifft sie z.B. oft auch bei Preisausschreibungen an, in den Plädoyers von Juroren. Dort widersprechen sich die Meinungen nicht selten eklatant. Der Grund: Dem subjektiven Empfinden wird der Vorrang gegeben, die objektivierbaren, intersubjektiv nachvollziehbaren Merkmale kommen zu kurz. Dabei wären letztere besonders aufschlussreich und gäben der Auseinandersetzung ein Teil Wissenschaftlichkeit zurück.
Hallo Herr Hornstein, habe herumgrätselt was die Sendung ertragreicher machen könnte.
Sie haben es, meiner Meinung nach, auf den Punkt gebracht.
Danke für diese absolut richtige Einschätzung!!! Ich hoffe, beim neuen Literarischen Quartett guckt man sich mal bei MRR und HK ab, wie es geht. Christine Westermann ist lieb und nett, aber von LiteraturKRITIK hat sie keine Ahnung. Weidermann ist blass und langweilig, Dorn nervt.