
Alle Reden über den neuen Roman von Caroline Wahl. Nur nicht das Literarische Quartett. Zum Glück, denn man hatte es befürchtet. Doch über wen wurde stattdessen geredet? Man hat es leider nicht erfahren. Dabei würde man gerne über Frisuren sprechen.
Reden wir nicht über Frisuren

Es geht leider nicht mehr, das Sprechen über Frisuren. Dabei würde man an alte Traditionen der Quartett-Besprechung im literaturcafe.de anknüpfen. Und bei dieser September-Folge mit Cornelius Pollmer, Nora Bossong und Philipp Tingler würde man es gerne. Man würde gerne wissen, wie diese Frisur entstanden ist. Eine Referenz an Volker Weidermann? Entstand die Frisur in dieser Detailtiefe schon vorab oder hat die Maske beim ZDF Hand angelegt? Aber man kann das nicht mehr im Jahre 2025. Man sollte einen Mann nicht nach seiner Frisur bewerten.
Sie haben also im Literarischen Quartett vom 12. September 2025 nicht über »Die Assistentin« von Caroline Wahl gesprochen. Obwohl zu befürchten war, dass man den Hype noch mitnimmt. Bei Stuckrad-Barre hatten sie es schließlich auch getan. Und der Literaturbetrieb liebt Bücher über den Literaturbetrieb.
Aber es war gut, dass es nicht passiert ist, denn es wäre überflüssig gewesen, und es gibt doch so viele gute Bücher zu entdecken.
Und los! Aber womit?
Tatsächlich hat das Literarische Quartett diesmal Bücher entdeckt und besprochen, die nicht überall im Gespräch sind. Das ist gut. Dennoch hätte man gerne mehr erfahren.
Die Sendung beginnt formell seit geraumer Zeit mit dem catchy Einstieg, damit die Leute dranbleiben. Die krassesten Aussagen der kommenden 45 Minuten werden zusammengeschnitten, und rein geht es in die Diskussion. Selbst die Teilnehmenden werden nur noch mit einem Satz vorgestellt. Bloß keine Zeit und Zuschauer verlieren.
Also zum Buch von Katie Kitamura: »Die Probe«. Philipp Tingler stellt es etwas umständlich vor.
Bemerkenswert, dass Philipp Tingler immer ein klein wenig in die Co-Moderatorenrolle rutschte und das Gespräch auf der Meta-Ebene betrachtete und bisweilen versuchte, die Diskussion zu steuern oder auszubalancieren.
Während also der Einstieg ins Quartett catchy gestaltet wurde, ist es der Rest der Sendung leider nicht. Muss man Katie Kitamura kennen? Ist das eine Amerikanerin, eine Britin, eine Japanerin oder gar eine Deutsche? Auch Letzteres wäre nicht abwegig, denn ob das Buch eine Übersetzung ist, wurde nicht erwähnt. Kurz war in einer Einblendung der Übersetzer Henning Ahrens genannt. Wer das Quartett jedoch als Podcast hört, erfährt dies nicht. Man erfährt es nicht einmal in der Mediathek des ZDF. Seit dem Umbau ist dort offenbar kein Platz mehr für die bibliografischen Angaben zur Sendung. Nachtrag: Mittlerweile sind dort zwar (rudimentärer als in der alten Mediathek) die Infos zu den Büchern nachgetragen, die Übersetzer sind jedoch nicht genannt.
Wir stehen daneben
Nun ist es schön, über Bücher zu reden, über die nicht alle reden, allerdings wäre eine kurze Einordnung des Buches sinnvoll. Wer ist die Autorin? Muss ich noch etwas zu den Hintergründen wissen? Warum wird dieses Buch besprochen?
So war es auch bei dem Roman »Leere Schränke« von Maria Judite de Carvalho. Das Buch stammt aus dem Jahre 1966 und wurde jetzt ins Deutsche übersetzt. Aber wer ist Judite de Carvalho? Warum jetzt eine Übersetzung dieses sechzig Jahre alten Romans? Die positive Diskussion des Quartetts ließ erahnen, dass sich die Lektüre lohnt, aber dennoch hätte man sich auch hier eine kurze Einordnung zur Autorin und zu ihrem Werk gewünscht. Die Übersetzerin Wiebke Stoldt wurde tatsächlich von Thea Dorn »by the way« (!) erwähnt.
Genauso bei Gerti Tetzner und »Karen W.« Der Debutroman der Autorin aus dem Jahre 1974 wurde nun neu aufgelegt. Warum?, so fragt man sich vor und nach der Diskussion. Hier hatte man sich ebenfalls eine kurze Einordnung zu Werk, Person und Neuauflage gewünscht.
Wirkt die Quartett-Inszenierung unter der Lampe ohnehin sehr verschlossen, so entsteht durch die fehlenden Informationen noch mehr der Eindruck, man hört einem Insider-Gespräch zu, das nicht für Außenstehende gedacht ist.
Warum schneidet man nicht die langweiligen fünf Minuten heraus, in denen das Quartett über die Motivation einer Ich-Erzählerin diskutiert? Das ist für niemanden interessant, der den Roman nicht gelesen hat.
Die Vier diskutierten oft »für sich« und dabei ist das doch eine Fernsehsendung. Es sollte doch beim Zuschauen einen gewissen Erkenntnisgewinn bringen, auch und gerade dann, wenn man die Bücher nicht kennt.
Es geht doch einfach
Das mag am ehesten bei der Diskussion um »Einen Vulkan besteigen« von Annette Pehnt gelungen sein, wobei auch hier nichts zur Autorin gesagt wurde. Pehnt mag noch am ehesten bekannt sein. Seit geraumer Zeit orientiert sie sich in ihren Büchern an der einfachen Sprache, die sich grundsätzlich an Menschen mit anderen Lesefähigkeiten richtet. Nora Bossong hat sich mit diesem Thema anlässlich eines Projektes des Literaturhauses Frankfurt auseinandergesetzt und merkt an, dass Pehnt sich eben nur an dies Vorgaben anlehnt. So besagen diese z. B. die leichte Sprache darf nicht »uneigentlich« sein. Es darf nicht den berühmten Subtext, die Bedeutung zwischen den Zeilen geben. Doch gerade die hat Thea Dorn aus den Erzählungen herausgelesen, während Philipp Tingler dies nicht tat und das Buch polemisch als »Arte-Povera-Version der Sendung mit der Maus« abtat. Hier würde man gerne ins Buch blicken, um sich ein eigenes Urteil zu bilden, und so sollte eine gute Diskussion sein, wenn sie nicht nur ein Gespräch zwischen Insidern bleiben soll.
Auf keinen Fall sollte das Quartett zum Service-Format verkommen, in dem wir womöglich eine Einordnung in kleinen Einspielern erhalten. Dennoch sollte die Redaktion den Diskutierenden mitgeben, dass zur Vorstellung des Buches auch eine Anmerkung zur Autorin oder zum Autor gehört. In welcher Sprache ist das Original? Wer hat es übersetzt? Bei welchem Verlag ist es erschienen?
Diese Grundinformationen sollten nicht dem Zufall des Diskussionsverlaufs überlassen bleiben.
Wolfgang Tischer
Link ins Web:
- Video: Das Literarische Quartett vom 12.09.2025 in der ZDF-Mediathek, die jetzt nur noch »ZDF« heißt
- Audio: Das Literarische Quartett vom 12.09.2025 in der Deutschlandfunk Audiothek und als RSS-Feed
Die in der Sendung vom 12.09.2025 besprochenen und erwähnten Bücher:
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Ja, auch ich hätte gerne über Frisuren gesprochen! Über die V. Weidermann-Reminiszenz und natürlich über die Prinz Eisenherz-Frisur von C. Wahl. Über ästhetische Entgleisungen allgemein. Auch darüber, weshalb immer mehr Thirtysomethings ihren Pony 12 cm über den Augenbrauen enden lassen… und sich dann wundern, weshalb man immer nur über ihr Aussehen, nie aber über ihre sogenannte Kunst spricht. Hätte mich btennenf interessiert…
Gefühlt wird an diese Sendung im Literaturcafé immer rumgemäckelt. Warum sollte man sie sich anschauen oder dann, im Anschluss, eine Besprechung über diese Sendung lesen? Es gibt einige Literatursendungen, über die es sich vielleicht mehr lohnen würde, zu schreiben. Oder haben wir es hier mit einer Serie zu tun, die nicht unterbrochen werden darf? Eine Hassliebe?
Ich für meinen Teil verzichte zukünftig auf die Lektüre des Literaturcafés zu dieser Sendung und kuschel mich lieber mit einer Tasse guten Kaffees ins Bett und lese ein gutes Buch, wie z. B. gerade das neue von Heinrich Steinfest: „Das schwarze Manuskript“. Das neue Buch von Joachim Zelter „Hoch oben“ über einen (fiktiven) Oberbürgermeister in Baden-Württemberg habe ich gerade mit Genuss gelesen, ohne dass es im Literarischen Quartett Beachtung gefunden hätte. Dafür hat es die Elster begeistert in ihr Nest gelegt:
Wenn die Zuschauer bis zum späten Abend ausharren, um das literarische Quartett zu sehen, dann können sie auch zehn weitere Minuten verkraften, in denen die von Wolfgang Tischer genannten Informationen vermittelt werden. Dann würde die Sendung auch nicht gar so atemlos gehetzt wirken. Wenn ich eine entspannte und gerundete Literaturdiskussion erleben will, gehe ich zum Schweizer „Literaturclub“, zum Glück im Internet abrufbar.
Ja, ein himmelweiter Unterschied. Ich gucke auch lieber die Schweizer und kann eigentlich auf dieses ZDF-Ding verzichten. Kein schöner Diskussionsstil, zu wenig konkrete Informationen.