StartseiteLiterarisches LebenConni und die Meme-Verwirrung: Ein Rückblick auf drei Missverständnisse

Conni und die Meme-Verwirrung: Ein Rückblick auf drei Missverständnisse

Ein typisches Conni-Meme, erstellt mit der KI.
Ein typisches Conni-Meme, erstellt mit der KI.

Das blonde Mädchen mit dem rot-weiß gestreiften Shirt sollte eigentlich nur Abenteuer im Kindergarten, Supermarkt oder Reiterhof erleben. Doch KI-generierte Conni-Bilder, sorgten für Verwirrung, sodass der Carlsen Verlag eine Klarstellungen klarstellen musste. Ein Rückblick auf drei Missverständnisse.

Seit 1992 begleitet die Kinderbuchfigur Conni kleine Menschen durch alltägliche Situationen – von der ersten Übernachtung bis zum Zahnarztbesuch. Über 50 Millionen Bücher, Hörbücher und Hefte sind mittlerweile erschienen, dazu kommen Filme und ab September sogar ein Musical. Die Geschichten von Liane Schneider und die Zeichnungen von Eva Wenzel-Bürger verkörpert deutsche Mittelstandsidylle: brave Tochter, Arzt-Mama, erfolgreicher Papa.

Die »echte« Conni als Pixi-Buch
Die »echte« Conni als Pixi-Buch

Doch seit der Pandemie erlebt Conni eine zweite Karriere in den sozialen Medien – als Meme-Ikone. Memes, das sind mehr oder weniger witzige Bildmontagen, die viral durch das Internet gehen. Mittlerweile reicht ein simpler Prompt für ChatGPT, um die bekannte Figur in völlig neue Kontexte zu setzen: »Conni wird Genossin«, »Conni hat ihren ersten Burnout« oder »Conni macht Kohle auf OnlyFans«. Was harmlos als Internethumor begann, zwang schließlich den Carlsen Verlag zum Handeln.

Die FAQ, die alles ins Rollen brachten

Im Juni 2025 veröffentlichte der Carlsen Verlag eine FAQ (»Frequently Asked Questions«) zu Conni-Memes, die zunächst sachlich über die Rechtslage aufklären sollte. Die Kernaussage war eindeutig: »Für keines der im Umlauf befindlichen Conni-Memes liegt eine Genehmigung oder Freigabe des Verlages vor«, heißt es in dem PDF-Dokument. Auf die Frage, ob der Verlag gegen Verstöße gegen das Urheber-, Marken- oder Titelrecht vorgehe, antwortete das Dokument zunächst eindeutig: »Ja.« Allerdings folgte dann die Präzisierung, dass man sich von »menschenverachtenden, rassistischen, gewaltverherrlichenden und
pornografischen Verwendungen der Conni-Figur« distanziere und »gegebenen Fall rechtliche Schritte«
prüfe. Auch kommerzielle oder werbliche Verwendungen könne man nicht akzeptieren.

In den sozialen Medien wurde jedoch nur das uneingeschränkte »Ja« ohne Nachsatz weiterverbreitet. So führte dies zur Behauptung, der Verlag würde pauschal alle Meme-Ersteller mit Abmahnungen bedrohen. Durch diese »verkürzende Darstellung des Sachverhalts« entstanden erhebliche Missverständnisse und es herrschte Aufregung.

Von Satire zu Hassrede: Das Spektrum der Conni-Memes

Die Conni-Memes, die seit der Pandemie kursieren, sind keineswegs homogen. Das Spektrum reicht von harmlosen politischen Parodien (»Conni wird Genossin«, »Conni geht die AfD ärgern«) bis hin zu problematischen Inhalten, wie die taz beschreibt. Längst vor den KI-generierten Bildern hatte auch Jan Böhmermann in seinem »Neo Magazin Royale« die Conni-Figur für satirische Zwecke genutzt – ein Beispiel für die kreative Auseinandersetzung mit dem bekannten Kinderbuch-Format. KI-Bildgeneratoren ermöglichen es inzwischen, die bekannte Figur in jeden erdenklichen Kontext zu setzen – auch in »menschenverachtende, rassistische, gewaltverherrlichende und pornografische« Situationen, wie der Verlag betont.

Genau diese Grenzüberschreitungen waren es, die den Carlsen Verlag zum Handeln bewegten. Nicht die harmlosen Wortspiele mit den charakteristischen Buchtiteln, sondern die Auswüchse, die mit Connis ursprünglichen Werten von »Empathie, Freundschaft und Solidarität« nichts mehr zu tun haben.

»Conni will da mal was klarstellen«: Die Schadensbegrenzung

Als die Kritik an der FAQ überkochte, reagierte der Verlag mit einem LinkedIn-Post, der bezeichnenderweise mit einem Conni-Bild versehen war: »Conni will da mal was klarstellen«. Drei zentrale Missverständnisse räumte der Verlag aus:

Missverständnis 1: »Carlsen droht allen Meme-Ersteller*innen mit Klagen!« – Die Antwort war ein klares Nein. Der Verlag drohe nicht mit Klagen, sondern fordere nur in bestimmten Fällen zur Löschung auf. Dies erfolge über die Meldefunktionen der Social-Media-Plattformen, nicht über Anwaltskanzleien.

Missverständnis 2: »Carlsen will sich an den Urheberrechtsverletzungen bereichern!« – Auch hier ein klares Nein. Im Zentrum stehe der Schutz der Rechte der Urheber und ihrer Lebensgrundlagen, nicht die Generierung von Abmahneinnahmen.

Missverständnis 3: »Carlsen missachtet das Recht auf Satire!« – Der Verlag stellte klar, dass satirische und humorvolle Auseinandersetzungen mit der Figur weiterhin möglich seien, solange sie die rechtlichen Rahmenbedingungen einhalten.

Der Meme-Paragraf und seine Grenzen

Die rechtliche Grundlage für Memes bildet § 51a UrhG, der sogenannte »Meme-Paragraf«. Dieser erlaubt Parodien, Karikaturen und Pastiches auch ohne Genehmigung des Rechteinhabers. Memes sind »in der Regel als Parodie oder Pastiche erlaubnis- und vergütungsfrei zulässig«, wie Rechtsanwalt Dr. Urs Verweyen erläutert.

Die Krux liegt jedoch im Detail: Nicht jede Verwendung einer urheberrechtlich geschützten Figur ist automatisch durch den Parodieschutz gedeckt. Kommerzielle Nutzungen, etwa für Werbezwecke, bleiben auch bei Memes untersagt. Ebenso problematisch sind Inhalte, die die Grenzen des Rechts überschreiten – etwa durch Volksverhetzung oder Pornografie.

Ein Lehrbeispiel für die Eskalationsdynamik

Die Conni-Memes-Kontroverse zeigt exemplarisch, wie schnell Missverständnisse in den sozialen Medien eskalieren können. Was als sachliche Aufklärung über die Rechtslage gedacht war, wurde als Angriff auf die Meme-Kultur interpretiert. Der mediale Aufschrei »Carlsen verklagt Meme-Ersteller*innen!« war letztendlich ungerechtfertigt, wie wortfilter.de treffend kommentiert.

Für den Carlsen Verlag dürfte die Erfahrung lehrreich gewesen sein: In Zeiten von KI-generierten Inhalten reicht es nicht mehr aus, rechtliche Positionen nur sachlich zu kommunizieren. Auch sprachlich ist das FAQ-Dokument ungeschickt formuliert, indem einem »Ja« sodann Einschränkungen nachgeschoben werden Die Gefahr von Missverständnissen war groß, die Reaktionsgeschwindigkeit der sozialen Medien hoch.

Zwischen Schutz und Toleranz: Die Zukunft der Meme-Kultur

Die Conni-Affäre wirft grundsätzliche Fragen zur Balance zwischen Urheberrechtsschutz und digitaler Meme-Kultur auf. Während der Verlag berechtigte Interessen am Schutz seiner Marke und der Urheber hat, zeigt die positive Resonanz auf die Klarstellung, dass die meisten Nutzer durchaus Verständnis für differenzierte Ansätze haben.

Dass ein Verlag nicht alle Memes pauschal verbieten kann oder will, ist mittlerweile Konsens. Ebenso klar ist aber auch, dass die Grenzen dort verlaufen, wo Inhalte menschenverachtend werden oder kommerzielle Interessen im Spiel sind. Die Conni-Memes werden also weiterhin durch die sozialen Medien geistern – allerdings mit dem Wissen, dass nicht alles erlaubt ist, was technisch möglich ist.

Für die Kinderbuchfigur mag diese digitale Karriere ungewöhnlich sein. Satire und Parodie kann aber nur dann funktionieren, wenn möglichst alle das Original kennen. Nach über 30 Jahren im Geschäft und 50 Millionen verkauften Büchern kann Conni wohl auch mit einem zweiten Leben als Meme-Ikone umgehen – solange die Grenzen des Anstands gewahrt bleiben. Schließlich verkörpert die Figur von Liane Schneider und Eva Wenzel-Bürger laut der Verlagsmitteilung seit drei Jahrzehnten Werte wie »Empathie, Freundschaft und Solidarität« – Eigenschaften, die auch der digitalen Welt guttun würden.

Siglinde Auberle

Weitere Beiträge zum Thema

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein

E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.