Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.
Eine Kolumne von Vito von Eichborn
He, Joschka, geschätzter alter Klugscheißer, sag mal, jetzt müsstest Du doch Zeit haben, um das schöne Projekt umzusetzen, das wir damals bei Deinem grünen Freund und Sternekoch Klaus Trebes im Gargantua ausgekocht haben? Wir haben uns richtig reingesteigert in die klasse Idee und stundenlang spitzenmäßig schnabuliert und gepichelt. War nich billich. Weißt Du’s noch?
Du wolltest durch sechs europäische Großstädte reisen und Dich mit dem Bürgermeister bei einem heimischen Superkoch zum politischen Disput treffen. Nationale und binationale Fragen, eingebettet in Europapolitik, dazu tolle Rezepte. Von Budapest bis Lyon oder so; Du meintest, dass mindestens eine Nicht-EU-Stadt dabei sein sollte. »Kochen und Politik, Regionales und Globales« – wunderbare Kombination. Bezahlen sollte das Ganze ein Fernsehsender, ich dachte an 45-Minuten-Sendungen. Selbst wollte ich natürlich die Bücher abstauben, hübsch mit Bildern und politischen und kulinarischen Überzeugungen. Und ich hatte schon die nächste Staffel mit weiteren sechs Städten vor Augen. Nebenbei: Noch heute schätze ich Bücher mit Mehrfachnutzen. Tja, und dann wurdest Du in Wiesbaden wieder Minister. Und ich hörte nix mehr von Dir.
Wir hatten ja ’89 ein Buch miteinander gemacht, »Vom Umbau der Industriegesellschaft«. Du warst ungeheuer fleißig, kamst um 6 aus dem Landtag und schriebst bis 1 Uhr nachts, Claudi machte was zu essen. Und präzise formulieren konntest Du, das war druckreif. Ich weiß noch, dass gleichzeitig »Was kostet die DDR?« erschien. Beide Bücher waren nicht angekündigt – ich schickte je 25.000 Exemplare unverlangt an den Buchhandel. Vom schonungslosen DDR-Ding kamen etwa 18.000 Exemplare zurück, das wollte niemand wissen. Dein Buch ging, wir druckten sogar nach.
Später kaufte Dich dann Kiepenheuer & Witsch, erster Vorschuss 90.000 Mark. Du meintest, Du müsstest schreiben, weil das Salär aus Wiesbaden nicht für Deine Kinder und Frauen reiche. Ehrenhaft und verständlich.
Schröder nannte euch beide mal Koch und Kellner. Der Arsch bedient ja weiterhin Putin und Nordstream. Deine ehrenhaftere Konkurrenz, die Pipeline Nabucco, ist selig entschlafen; OMV hatte fünfzig Millionen investiert – ich hoffe, Du hast ordentlich dran verdient. Geldsorgen dürftest Du ja eh nicht haben mit all den Reden und Beratungen; ich ahne, was Dein Auftritt kostet.
Auch in Sachen Frauen konkurriert ja Schröder mit Dir, nun ja, soll er. Du siehst wieder ganz wohlgenährt aus, isst Du wieder richtig gut und gerne? Damals warst Du, pardon, ziemlich fett, aber nach Deinem langen Lauf waren Deine dürre Gestalt und das hagere Gesicht erschreckend. Wie immer, Du hast auch damit bewiesen, dass Du Härte kannst.
Sag, die Idee ist doch immer noch unschlagbar; und Multichanneling ist sehr in. Du wirst Deine Weisheiten los – am Rande: Was ich in den Zeitungen von Dir lese, ist oft sehr banal, da werden viele Eulen nach Athen getragen. Aber ständig was Neues geht ja wohl nicht mehr auf die alten Tage. Das macht aber nix, egal, was drinsteht, Fischer ist immer ein Umsatzgarant, für die Öffentlichkeit würde das Dein Image mal wieder polieren, ich könnte meinen Kleinstverlag gesundstoßen, ein Sender bezahlt, Spaß macht das Ganze auch noch, ist schmackhaft und lehrreich – das ist Winwinwinwinwin. Was meinste?
Ich fand Deine Adresse nicht im Netz, melde Dich doch mal.
Hoffnungsvoll und herzlich winkt
Vito
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Daumen hoch. Ich schau zwar kein TV, aber für die Show mit Joschka würd’ ich Tante oder Mutter besuchen, um das anzuschauen.